Mittwoch, 11. September 2019

"Zur Debatte, Herr Schmitz": Agiles Arbeiten: Der Rhythmus, bei dem jeder mit muss?

Ist agiles Arbeiten Antrieb oder Dämpfer für Vereinbarkeit? (©deathtothestockphoto.com)

Flexibel, proaktiv und initiativ agieren sollen Organisationen mittels aktiver Arbeitsformen. Agilität und die Methode Scrum werden gerne in einem Atemzug genannt. Das bedeutet eine – oft nicht unerhebliche – Umstellung für Beschäftigte. Oliver Schmitz, Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH, wagt in der aktuellen Ausgabe der Blogserie „Zur Debatte, Herr Schmitz“ einen agilen Umgang mit der Agilität.

Herr Schmitz, was haben Vereinbarkeit und agiles Arbeiten miteinander zu tun?

Agilität ist im Grunde ein Managementsystem, mit dem man sich an ständige und unvorhersehbare Veränderungen der Kundenwünsche zeitnah anpassen kann und hierdurch einen Wettbewerbsvorteil erlangt. Eine gute familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik muss sich ebenfalls auf wechselnde Bedingungen, die häufig auch unvorhersehbar sind, zeitnah einstellen. Jeder der Personalverantwortung hat, kennt das: Wenn man meint, es läuft gerade alles wie geplant, muss jemand plötzlich reduzieren wegen Pflege von Angehörigen, wird eine Schwangerschaft gemeldet oder möchte jemand ein Sabbatical einlegen. Auch wenn es zum Teil freudige Ereignisse wie eine Schwangerschaft sind, muss man sich doch in relativ kurzer Zeit auf eine veränderte Situation einstellen können. Daher ist Personalarbeit eigentlich immer schon eine Art des agilen Managements gewesen.

Ist agiles Arbeiten wirklich vereinbarkeitsfreundlich? Oder anders gefragt: Schließt agiles Arbeiten Teile von Beschäftigten aus?

Agiles Arbeiten ist nicht per se vereinbarkeitsfreundlich! Häufig geht agiles Arbeiten einher mit sehr strikten Regeln für Daily Scrums, Stand-up-Meetings, Sprint-Plannings und ähnlichem. Was ist, wenn ich es nicht regelmäßig schaffe an den Dailies teilzunehmen? Für einzelne Team-Mitglieder ist es hin und wieder vielleicht noch verkraftbar – auch durch eine meist sehr klar geregelte Dokumentation. Aber was ist, wenn ich ein Project-Owner bin und das Gesamtprojekt ständig sehr eng begleiten muss, mich gleichzeitig aber auch um einen zu pflegenden Angehörigen kümmern möchte? Mehr Flexibilität im Hinblick auf Ziele bedeutet daher nicht automatisch auch mehr Flexibilität für mehr Vereinbarkeit. Hier muss Vereinbarkeit häufig noch mal ganz neu mitgedacht werden, denn alte Regeln greifen oft nicht mehr.

Ein paar Tipps bitte: Wie nutzt man als Arbeitgeber agile Arbeitsformen, um die Vereinbarkeit zu fördern?

Setzen Sie sich realistische Sprint-Ziele unter Berücksichtigung der jeweils vorhandenen Ressourcen. Hier kann agiles Management einen echten Mehrwert auch für die Vereinbarkeit bringen, denn Sprints sind eher kurzfristig und ermöglichen so auch die zeitnahe Anpassung der Sprint-Ziele auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Nutzen Sie die Möglichkeiten der Digitalisierung! Kanban-Boards können zum Beispiel auch online erstellt werden und Daily Scrums können per Videoübertragung stattfinden. Das ermöglicht eine größere örtliche Flexibilität.

Halten Sie sich an die häufig strikten Regeln der Dokumentation und halten Sie diese stets aktuell. Damit können auch Beschäftigte, die Teilzeit arbeiten oder an bestimmten Meetings nicht haben teilnehmen können, leichter auf dem Laufenden gehalten werden.

Führung wird im Zuge der Einführung von agilem Management häufig komplett neu definiert. Es gibt mehr Selbstverantwortung im Team, wechselnde Rollen und Prozesse, die nicht ständig von derselben Führungskraft begleitet werden müssen. Das gibt die Chance, auch Führungsaufgaben und Karriere besser vereinbaren zu können.

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