Donnerstag, 6. Juni 2019

Vereinbarkeit als Vielfalts-Detektor: „We find strength in our differences…“

Vielfalt mit dem „Detektor“ Vereinbarkeit neu entdecken (©berufundfamilie Service GmbH)
Hätten Sie gedacht, dass Vereinbarkeit ein Detektor für Vielfaltaspekte ist? Silke Güttler, Leiterin Corporate Communications der berufundfamilie Service GmbH, erläutert im Interview, was es Neues in Sachen Vielfalt zu entdecken gibt, warum es als Management-Thema nicht ausgedient haben darf und inwieweit das berufundfamilie-Jahresmotto „Vielfalt voraus!“ wörtlich zu nehmen ist.

Mal ehrlich, kann man Arbeitgeber heute überhaupt noch mit dem Begriff „Vielfalt“ hinterm Ofen herlocken?

Ob sie es Vielfalt oder Diversity nennen – 65 % der Unternehmen sind laut Studie von Ernst & Young und Charta der Vielfalt (2016) davon überzeugt, dass der Umgang mit Diversität der eigenen Organisation Vorteile bringt. Vielfalt hat also einen hohen Stellenwert. Das sollte es allerdings auch, denn es gibt für Arbeitgeber noch reichlich zu tun, wenn sie wirklich deren Vorteile nutzen wollen.

Es ist also noch nicht alles zu Vielfalt gesagt?

Zumindest passiert noch nicht genug. Bemühen wir nochmals die Studie, sehen wir, dass 2/3 der Unternehmen 2016 noch keine Maßnahmen im Diversity Management umgesetzt hatten. Schon widersprüchlich zu den so positiven Erwartungen ans Diversity Management, oder? Aber gerade darin liegt für mich als Kommunikatorin ein Anreiz, das Thema zu forcieren.

Und wie geht das?

Zunächst einmal, indem wir Vielfalt als Schlagwort unseres diesjährigen Jahresmottos positionieren: „Vielfalt voraus – auf Kurs mit fortschrittlichem Personalmanagement“. Damit möchten wir den Stellenwert von Vielfalt deutlich unterstreichen – und zwar als strategisches Thema. Vielfalt darf unseres Erachtens nicht lediglich auf die Arbeitsebene „abgeschoben“ werden. Das jetzt bitte nicht falsch verstehen, denn es braucht auf der operativen Ebene absolut Beschäftigte, die mit Projekten den Umgang mit Diversität konsequent nachverfolgen. Aber zu begreifen, dass eben dieser Umgang eine Frage der Unternehmenskultur ist und der Schlüssel zur Schöpfung der Potenziale aller Beschäftigten, ist m.E. eine entscheidender Management-Aspekt.

Genau deshalb ist es dann auch so wichtig, Vielfalt nicht als Worthülse stehen zu lassen, sondern inhaltlich aufzuladen. Und diese Inhalte lassen sich ganz einfach finden – zumindest, wenn man diese wie wir aus dem Vereinbarkeitsblickwinkel betrachtet.

Inwiefern?

Vereinbarkeit ist wie ein Detektor, mit dem sich Vielfaltsaspekte aufspüren lassen, die weit über die im klassischen Diversity Management bedachten Aspekte hinausgehen – und mindestens so essenziell sind.

Wenn man sich mit familien- und lebensphasenbewusster Personalpolitik und deren Erfolgsfaktoren beschäftigt, beschäftigt man sich automatisch auch mit der Individualität von Beschäftigten. Dahinter steht die Frage: Warum wollen welche Beschäftigten, welche Vereinbarkeitslösung? Da stecken viele „Ws“ drin… Jeder Arbeitgeber wird es schon erlebt haben: Nicht jedes betriebliche Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist für jeden Beschäftigten geeignet. Und auch bei jedem einzelnen Beschäftigten verschieben sich die Wünsche bzw. Bedarfe. Woran das liegt? Ja, u.a. an Geschlecht und Alter. Unterschiedliche Generationen gehen unterschiedlich mit Vereinbarkeit um, verstehen z.T. auch etwas anderes darunter. Je nachdem, in welchem Alter die/ der Beschäftigte ist, fallen die Vereinbarkeitswünsche anders aus. Hier sprechen wir dann auch von Lebensphasen: Steckt jemand in der Familiengründungsphase oder sind die Kinder aus dem Haus und es ist ein neuer Karriereschub gewünscht? Gibt es einen pflegebedürftigen Angehörigen? Beschäftigt sich ein älterer Beschäftigter mit dem flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand?

Und ja, auch kultureller und religiöser Hintergrund können Einfluss auf Vereinbarkeitswünsche nehmen. Und nicht zuletzt die Lebensumstände prägen die Bedarfe: Lebt ein Beschäftigter in einem Haushalt mit Partner*in und Kindern oder in einer Fernbeziehung? Welche Angebote passen zu einer/ einem Alleinerziehenden?

Aus dem Blick verloren werden dürfen auch nicht die Lebensentwürfe, die unsere beruflichen und damit auch Entscheidungen bzgl. der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben prägen. Das hat die Studie „Vereinbarkeit 2020“ erstmals deutlich gezeigt. Sieht mein aktueller Lebensstil etwa vor, dass ich mich beruflich entwickeln und gleichzeitig ausreichend Zeit für meine Familie habe oder verwirkliche ich mich gerade vor allem im Privatleben?

All das versuchen wir – in aller Kürze – in unserem Erklärfilm „Vielfalt voraus!“ zusammenzufassen:

Und was ist mit sexueller Orientierung und Behinderung?

Ja, auch diese machen selbstverständlich die jeweilige Identität und Individualität aus – und sind damit relevant. Schließlich soll Vereinbarkeit niemanden ausschließen. Ich möchte aber auch betonen, dass Arbeitgeber nie alles über ihre Beschäftigten wissen werden. Also nicht alle Einflussfaktoren auf Entscheidungen kennen. Und das ist auch gut so. Beschäftigte sollen schließlich nicht gezwungen werden, alles über sich preiszugeben.

Wichtig ist, dass Arbeitgeber eine Kultur der Vielfalt leben, dass sie zeigen, dass Individualität anerkannt und wertgeschätzt wird; dass sie die Vielfalt im Sinne der gesamten Organisation positiv zu nutzen wissen: Was dem einen nicht zusagt, kann für den anderen genau richtig sein. Es wird ein Ausgleich gefunden im großen Miteinander der Individuen. Dazu passt ein Ausspruch des kanadischen Premierministers Justin Trudeau: „We find strength in our differences, and celebrate everything we have in common.“

Vielfalt, Individualität, Vereinbarkeit – ein Dreiklang also?

Der Megatrend der Individualisierung verstärkt unsere gesellschaftliche Vielfalt und damit auch die Vielfalt der Beschäftigten. Vielfalt ist damit personalpolitisch topaktuell und wegweisend, was sich im Themenfeld Vereinbarkeit besonders deutlich zeigt. Vereinbarkeit kann damit eine Blaupause für das Management von Vielfalt abgeben. Wer Vielfalt neu entdeckt, macht sich stark für die Zukunft. Kurz gesagt: „Vielfalt voraus!“

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