Mittwoch, 15. Mai 2024

Verantwortungsvoll vereinbaren: Arbeitsort

                    Wer, wo – und letztendlich auch wann?: Die verantwortungsvolle Flexibilisierung des Arbeitsorts braucht regeln
(Quelle: deathtothestockphoto.com)

Mit der dritten Folge unserer Blog-Reihe „Verantwortungsvoll vereinbaren“ betreten wir den Arbeitsort. Welche Verantwortung tragen Arbeitgeber und Beschäftigte für die Präsenztätigkeit auf der Arbeitsstätte, für das Arbeiten im Home-Office oder während einer Workation? Dabei geht es uns weniger um Arbeitssicherheit als vielmehr um Fragen der Mitbestimmung bzgl. der Wahl des Arbeitsorts und Aspekte wie Erreichbarkeit. Diese haben wir in einen Katalog zusammengefasst, den Führungskräfte gemeinsam mit dem Team bearbeiten können.

Das Recht auf Home-Office ist in Deutschland bislang nicht gesetzlich verankert. Das Bundesarbeitsministerium arbeitet seit geraumer Zeit an einem solchen Recht. Viele Arbeitgeber greifen diesem vor und ermöglichen ihren Mitarbeitenden, ihre Tätigkeit von zu Hause aus durchzuführen. Manche gewähren dies durchgängig, andere für eine bestimmte Anzahl an Wochentagen. Noch ist das Home-Office also eine Entscheidung des Arbeitgebers. Allerdings können Organisationen ihre Mitarbeitenden auch nicht zur Heimarbeit verpflichten. Eine Ausnahme wäre hierbei, wenn den Beschäftigten ein völlig unverhältnismäßiger Schaden auf der Arbeitsstätte droht.

Für viele Beschäftigte liegt der Nutzen des Home-Office nicht nur in der Chance, konzentrierter zu arbeiten, sondern auch in der Möglichkeit, Beruf und Privates besser zu vereinbaren. Ob ein Elternteil zu Hause sein möchte, wenn das betreuungsbedürftige Kind von der Schule kommt, ob der Besuch von Heizungsmonteur*innen ansteht oder der Weg zur Mutter, die gepflegt wird, von der Wohnung kürzer ist als von der Arbeitsstätte – es gibt die unterschiedlichsten Vereinbarkeitsgründe, die das Home-Office attraktiv machen.

Um besser Berufliches mit Privatem vereinbaren zu können, werden mit dem Arbeitsortwechsel in die heimischen vier Wände oft auch veränderte Arbeitszeiten verbunden. Vertrauensarbeitszeit oder Gleitzeit machen es möglich. So ist es nicht unüblich, dass Mitarbeitende an Home-Office-Tagen besonders früh an die Arbeit gehen, um früher Feierabend machen oder eine längere Pause einlegen zu können. Auch ein späterer Arbeitsbeginn mit einem nach hinten verlagertem Feierabend wird von Beschäftigten gewählt, sofern dies besser in Balance mit privaten Anforderungen zu bringen ist. Diese zeitliche Flexibilisierung (Siehe auch unser Beitrag zum Handlungsfeld Arbeitszeit.) ist nur tragfähig, wenn offengelegt ist, wann Kolleg*innen über welchen Kanal erreichbar sind. Und apropos Kanal: Auf Distanz tätige Teams brauchen praktische, auf ihre Zusammenarbeit einzahlende Kommunikationstools. Neben dem Know-how der technischen Bedienung ist es notwendig zu klären, welche Informationen in welchem Kanal platziert werden. Erneut ein To-Do unter der Überschrift „Flexibilisierung regeln“.

Workation & Co.


Je nachdem, wie offen die Möglichkeiten zur Home-Office-Nutzung gestaltet sind, kann es große Unterschiede zwischen den einzelnen Beschäftigten geben, wie häufig sie von zu Hause arbeiten. Im Extremfall sind Mitarbeitende sogar eher dauerhaft an einem anderen Ort tätig, weil sie z.B. umgesiedelt sind, und kommen nur einzelne Tage im Monat ins Firmenbüro. Mit der Häufigkeit der Home-Office-Arbeit sind einige Fragen verbunden, die sich von einer gerechten Nutzung des Angebots bis hin zur Verteilung von Aufgaben erstrecken, die auf der Arbeitsstätte anfallen.

Eine Langzeit- oder dauerhafte örtliche Absenz von Beschäftigten – ob durch Home-Office oder auch in Form von Workation – stellt eine besondere Herausforderung für die betreffenden Mitarbeitenden selbst, aber auch für die Führungskräfte und Kolleg*innen dar. Sicherzustellen sind für diese Kolleg*innen die fortlaufende Anbindung ans Team. Sie selbst sind u.a. gefordert, Erreichbarkeit für intern und extern transparent zu machen.

My workplace is my castle


Um einen zuverlässigen Rahmen für Umfang und Form von Home-Office und ggf. Remote Work zu bieten, gibt es teilweise Tarifverträge, Dienst- oder Betriebsvereinbarungen. Und auch über Arbeitsverträge ist es möglich, die Home-Office-Arbeit zu regeln. Regeln sind unabdingbar – und dies im Sinne der Arbeitsortflexibilisierung. Sie bilden die Referenz für Arbeitgeber und Führungskräfte, gewähren allen Mitarbeitenden Transparenz, was wie möglich ist, und stützen ein gerechtes Miteinander.

Idealerweise beinhalten diese Regeln auch Angaben, welche finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber bei der Ausstattung bzw. Gestaltung des Home-Office-Arbeitsplatzes leisten kann: Welche Geräte können zur Verfügung gestellt werden? Welchen finanziellen Rahmen gibt es für eine (ergonomische) Einrichtung (Sitzmöbel, höhenverstellbarer Schreibtisch, ergonomische Maus und Tatstatur, etc.)? Gibt es Vertragspartner, über die die Ausstattung geordert wird? Jede*r Beschäftigte weiß so, womit sie*er rechnen kann, und gleichzeitig kann umgangen werden, dass sich einzelne Personen gegenüber Kolleg*innen Vorteile verschaffen.

Sehen und gesehen werden


Nachdem Corona uns zwang, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, remote voneinander zu arbeiten, kam es mittlerweile zu einer „back-to-office“-Welle. Begründet wurde dies u.a. dadurch, dass das dauerhafte Arbeiten auf Distanz das Teamgefüge negativ beeinflusste, das Betriebsklima sowie eine verringerte Innovationskraft feststellbar war.

Auch jetzt noch stellt sich die Frage: Wieviel Präsenz braucht Teamgeist? Das kann von oben vorgegeben werden, wird aber idealerweise im Team besprochen und entsprechend mitbestimmt. Nicht immer gilt: Die Limitierung der Home-Office-Tage ist der richtige Weg.

Je nach Aufgaben, Projekten und Rollen in Team ergeben sich unterschiedliche Notwendigkeiten bezüglich der „passenden Anwesenheit“ auf der Arbeitsstätte. Ausschlaggebend ist, wieviel physische Nähe die Teammitglieder brauchen, um den eigenen Job gut erfüllen und Kolleg*innen ausreichend unterstützen zu können. Entwickeln sich aus dem Beisammensein neue Lösungsansätze und Ideen für Projekte oder auch die Organisationsentwicklung – umso besser.

Bei regelmäßig häufiger Nutzung von Home-Office können bestimmte Aufgaben, die mit der Präsenz auf der Arbeitsstätte im Zusammenhang stehen, schlichtweg nicht von der der*dem Heimarbeitenden unmittelbar erledigt werden. Was ist z.B. mit dem Checken der Briefe, die für einen bestimmt sind? Gerade bei kleinen Teams fallen zudem Aufgaben an, die nicht direkt zum Job der einzelnen zählen: z.B. die Post aus dem Briefkasten holen, Sendungen zur Versandstelle bringen, Dienstleister*innen/ Techniker*innen empfangen … Auch dazu braucht es Abstimmungen im Team und eine klare – und zudem faire – Verteilung dieser Aufgaben.

Arbeitsort und dazugehörige verantwortungsvolle Fragen


Damit einzelne Beschäftigte, das Team und letztendlich die Führungskräfte und die Organisation von der Flexibilisierung des Arbeitsorts bzw. der Home-Office-Option profitieren können, sollten sich alle einigen Fragen stellen. Die Antworten bieten eine Grundlage für die Ausarbeitung eines Arbeitsort-Konzepts, der Erstellung von entsprechenden Regelungen bzw. der Überarbeitung vorhandener Vereinbarungen. In Zeiten, in denen der Mitgestaltungswillen der Mitarbeitenden groß ist und individuelle Vorstellungen ein größeres Gewicht bei der Gestaltung der Arbeitswelt haben, bietet es sich an, Teile der Fragen, die unmittelbar die Zusammenarbeit betreffen, gemeinsam im Team zu bearbeiten. Die Moderation dieses Prozesses liegt in den Händen der jeweiligen Teamführung, die die Bedarfe, Wünsche und Ideen in Einklang mit übergeordneten, organisationsweiten Vorgaben zu bringen hat.

Im Folgenden haben wir eine Auswahl an Fragen zusammengestellt:

  • Welche Regelungen bzgl. der Wahl des Arbeitsorts bzw. zum Home-Office und oder Remote Work liegen bereits vor?
    • Welche Ausgestaltungsmöglichkeiten bieten diese Regelungen?
    • Inwieweit möchte und kann das Team an der Ausgestaltung der Regelungen teilhaben?
    • Wer nutzt die Flexibilisierungsangebote in welchem Ausmaß?
    • Wie wird für eine ausgewogene/ gerechte Nutzung gesorgt?
    • Gibt es Tendenzen, dass Mitarbeitenden Home-Office bzw. Remote Work gänzlich verwehrt wird oder nur eingeschränkt möglich ist, weil Kolleg*innen nahezu dauerhaft Home-Office nutzen? Wie kann dies thematisiert und verhindert werden?
    • Ist offengelegt, welche finanziellen bzw. sachbezogenen Unterstützungen der Arbeitgeber bei der Ausstattung von Home-Office gewährt?
  • Werden die Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit sowie ggf. Arbeitsorganisation zusammen gedacht?
    • Welche Kommunikationstools gibt es bzw. können eingeführt werden?
    • Wie ist die Erreichbarkeit gewährleistet und wird diese transparent kommuniziert?
  • Welche Auswirkungen hat der Arbeitsort(wechsel) bzw. Home-Office auf die Zusammenarbeit, auf die Projektgestaltung, Leistungserbringung, etc?
    • Wie passen Flexibilisierung des Arbeitsorts bzw. Home-Office-Nutzung mit den Bedarfen des Teams zusammen?
      • Siehe Erreichbarkeit
      • Welche Aufgaben ergeben sich in bzw. durch die Absenz, die aufgefangen werden müssen?
      • Wie wird der Umgang damit geregelt?
      • Kommt es durch Home-Office bzw. Remote Work zu Mehrarbeit für Kolleg*innen auf der Arbeitsstätte? Wie kann möglichen Zusatzaufgaben vorgebeugt werden?
      • Wann und wie häufig sollte das Team in Präsenz zusammenarbeiten, um Projekte voranzutreiben und Innovationen generieren zu können?
      • In welcher Frequenz und Form braucht es informelle Teamzusammenkünfte, um den Teamspirit zu pflegen?


In der nächsten Folge der Blog-Reihe „Verantwortungsvoll vereinbaren“, die Anfang Juli erscheinen wird, konzentrieren wir uns auf das Handlungsfeld Information und Kommunikation.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen