Mittwoch, 2. Juli 2025

Vorreiter Arineo GmbH: Kollegiale Organisation vereinbarkeitsfördernd leben

Gewähren spannende Einblicke in ihr Unternehmen: Jennifer Emrich, Expertin für Recruiting und Personalmarketing,
und Sarah Peters, Personalleitung bei Arineo (Quelle: Arineo GmbH)

Partizipation ist das Stichwort der Stunde. Während andere Organisationen noch versuchen, sich in Sachen Mitwirkung der Mitarbeitenden neu zu erfinden, hat die Arineo GmbH in 2025 die Umwandlung zur Employee Owned Company (EOC) erfolgreich vollzogen. Wie der IT-Dienstleister das Modell der kollegialen Organisation lebt, damit altersunabhängige Zugänge zu Führungsrollen schafft und all das auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben einzahlt, erläutern im Interview Sarah Peters, Personalleitung, und Jennifer Emrich, Expertin für Recruiting und Personalmarketing.


Seit wann gibt es die Arineo GmbH? Was ist ihr Kerngeschäft und welche Tätigkeitsfelder ergeben sich daraus für Beschäftigte?

Sarah Peters: Die Arineo GmbH wurde im Dezember 2018 gegründet. Unser Kerngeschäft sind IT-Dienstleistungen insbesondere in den Bereichen Enterprise Resource Planning (ERP), Customer Engagement, Workplace und Collaboration, E-Commerce sowie Data Analytics. Dabei setzen wir auf Technologien von Microsoft und SAP und ergänzen diese bei Bedarf mit Künstlicher Intelligenz, Big Data und IoT-Technologien. Daraus ergeben sich Tätigkeitsfelder wie Beratung und Implementierung von IT-Lösungen, Projektmanagement in agilen Projekten, Entwicklung und Anpassung von Softwarelösungen, Datenanalyse und -management sowie Kundensupport und -betreuung.


Wie ist die Altersstruktur der Arineo-Beschäftigten?

Sarah Peters: Wir sehen uns hinsichtlich der Altersstruktur unserer Kolleg:innen sehr gut aufgestellt, da wir eine gute Mischung aus jüngeren und erfahrenen Mitarbeitenden haben. Das gewährleistet sowohl Innovation als auch Stabilität in unseren Dienstleistungen. Ca. 30 % unserer rund 400 Mitarbeitenden sind unter 35 Jahre alt. Weitere 30 % der Belegschaft sind zwischen 35 und 45 Jahre alt, weitere 22 % zwischen 45 und 54 Jahre und 12,25 % über 55 Jahre alt.


Die anhaltende Nachfrage nach IT-Lösungen hat auch bei der Arineo GmbH in kurzer Zeit zu einem starken Wachstum geführt. Trotz oder gerade wegen des Wachstums befindet sich auch die Arineo GmbH in einem ständigen Wettbewerb um Mitarbeitende. War dies einer der Gründe, 2023 in das audit berufundfamilie einzusteigen?

Jennifer Emrich: Ja, absolut. Wir möchten für Menschen ein attraktiver Arbeitgeber sein – und das bedeutet heute mehr denn je, auch die individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnisse ernst zu nehmen. Vielen Bewerbenden ist es zunehmend wichtig, ihre familiären und privaten Anforderungen gut mit dem Job vereinbaren zu können. Das audit berufundfamilie bietet uns die Möglichkeit, unsere bestehenden Angebote zu prüfen, weiterzuentwickeln und sichtbar zu machen – und gleichzeitig gezielt an weiteren Verbesserungen zu arbeiten.


Seit Dezember 2023 tragen Sie das Vereinbarkeitszertifikat. In die Zielvereinbarung sind 20 Ziele und über 60 Maßnahmen eingeflossen, die Sie im Laufe der dreijährigen Laufzeit angehen möchten. Welches sind die wichtigsten Punkte?

Sarah Peters: Ein zentraler Punkt für uns ist eine lebensphasenorientierte Personalpolitik, die alle Lebensentwürfe berücksichtigt – und niemanden ausschließt. Wir wollen Kolleg:innen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen passende Rahmenbedingungen bieten. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur Remotearbeit und verschiedene Teilzeitmodelle. Besonders wichtig ist uns auch, dass Verantwortung und interessante Rollen bei uns nicht an ein bestimmtes Arbeitszeitmodell gebunden sind. Man kann auch in Teilzeit eine verantwortungsvolle Rolle bei uns einnehmen.

Jennifer Emrich: Außerdem legen wir großen Wert auf Weiterbildung. Unsere Arineo Akademie bietet ein breites Angebot – von Trainings und Workshops über persönliche Entwicklungspfade bis hin zu Coaching und Development Centern. So können sich unsere Mitarbeitenden gezielt und ihren Bedürfnissen entsprechend weiterentwickeln.


Welche Veränderungen bemerken Sie bereits jetzt durch das audit?

Jennifer Emrich: Wir beschäftigen uns seither noch bewusster und kontinuierlicher mit den Themen, die im Rahmen des audit berufundfamilie identifiziert wurden. Das Audit hat einen strukturierten Rahmen geschaffen, um Maßnahmen strategisch zu entwickeln und umzusetzen – und nicht nur situativ zu reagieren. Diese kontinuierliche Auseinandersetzung bringt uns sowohl inhaltlich als auch kulturell spürbar weiter.


Vor kurzem ist die Arineo GmbH zur EOC – Employee Owend Company geworden. Wie ist es dazu gekommen, dass Arineo diesen Weg eingeschlagen hat? Und wie verlief die Umwandlung?

Sarah Peters: Die Idee einer Employee Owned Company reicht weiter zurück als die eigentliche Gründung von Arineo. Mit dem Start unseres Unternehmens konnten wir diese Vision in die Realität umsetzen. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir unser Ziel deutlich schneller erreichen konnten als ursprünglich geplant: Statt der anvisierten zehn Jahre haben wir nur fünf Jahre gebraucht – aus unserer Sicht eine großartige Leistung und ein Beweis für das starke Engagement aller Beteiligten.


Dass Arineo eine kollegiale Organisation ist, macht sich u.a. daran bemerkbar, dass es keine klassischen Führungskräftepositionen gibt. Vielmehr erfolgt Führung in verteilter Arbeit. Wie sieht das in der Praxis aus?

Jennifer Emrich: In der Praxis bedeutet die kollegiale Organisation bei uns, dass klassische Führungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Dies geschieht durch unser selbstentwickeltes Modell der kollegialen Organisation. Anstatt einer einzigen Führungskraft gibt es verschiedene Koordinationsrollen innerhalb der Teams, sogenannte Basisgruppen. Diese Rollen umfassen Verantwortliche für die Kapazitätsplanung und Auslastung des Teams, Verantwortliche für die Team-Weiterbildung und den Aufbau von Personal sowie Verantwortliche für die organisatorischen Aufgaben im Team. Zudem haben alle Mitarbeitenden ihre individuelle Vertragspartner:innen, der oder die die Ansprechperson bei Fragen rund um arbeitsvertragliche Themen, Entwicklungsmöglichkeiten und Feedbackgespräche ist.

Sarah Peters: Die Rollenverteilung ist dabei stärkenorientiert: Die Aufgaben sollen den individuellen Stärken und Interessen der Mitarbeitenden entsprechen. Wir setzen zudem auf selbstbestimmtes Arbeiten. Unsere Kolleg:innen haben ein hohes Maß an Eigenverantwortung und können Entscheidungen treffen, die auf ihrer Expertise basieren. Zudem werden Entscheidungen bei uns dort getroffen, wo das entsprechende Know-how vorhanden ist. Das stärkt die Agilität und Flexibilität unserer Organisation. Diese Struktur ermöglicht es uns bei Arineo, schnell auf Veränderungen zu reagieren und bietet unseren Mitarbeitenden viel Raum für Mitgestaltung und persönliche Entwicklung.


Damit geben Sie im Prinzip jeder*jedem Mitarbeitenden die Möglichkeit, eine Führungsrolle zu übernehmen – auch unabhängig vom Lebensalter?

Sarah Peters: Selbstverständlich können alle Mitarbeitenden bei Arineo eine Führungsrolle innehaben, unabhängig davon, in welcher Lebensphase sie sich befinden.


Wie sieht es mit Beschäftigten in Teilzeit aus – können diese ebenfalls in Führungsrollen schlüpfen?

Jennifer Emrich: Bei uns hat jede:r die Möglichkeit, Führungsverantwortung zu übernehmen – unabhängig davon, ob in Vollzeit oder Teilzeit. Sogar in unserer Geschäftsleitung sind Kolleg:innen in Teilzeit tätig. Wichtig sind Kompetenz und Spaß daran, Verantwortung zu übernehmen.


Ist es auch möglich, die Führungsrolle wieder zu verlassen oder in eine andere zu wechseln?

Jennifer Emrich: Das Konzept der Führungsarbeit ist bei uns so gestaltet, dass eine Zusatzrolle auch wieder abgegeben werden kann, falls sich die beruflichen oder privaten Umstände geändert haben. Das passiert immer in Abstimmung und ist mit einer Übergabe verbunden, jedoch generell recht unbürokratisch und ohne Gesichtsverlust.


Welche Vorteile bringt die verteilte Führung?

Sarah Peters: Die verteilte Führung bei Arineo bringt viele Vorteile – sowohl für unsere Mitarbeitenden als auch für das Unternehmen insgesamt. Ein zentraler Aspekt ist die Eigenverantwortung: Unsere Teams treffen Entscheidungen selbstständig und steuern ihre Arbeit eigenverantwortlich. Das sorgt für schnellere Entscheidungsprozesse und ermöglicht eine hohe Anpassungsfähigkeit an Kundenanforderungen und Marktveränderungen. Gleichzeitig fördert unser Modell die Teilhabe und Mitgestaltung. Mitarbeitende können sich aktiv in strategische und operative Themen einbringen, was nicht nur die Motivation und Zufriedenheit steigert, sondern auch Innovation und kreative Lösungen begünstigt.

Jennifer Emrich: Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität: Ohne starre Hierarchien können wir besser auf individuelle Bedürfnisse eingehen – sei es bei der Arbeitszeitgestaltung, der persönlichen Entwicklung oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Privatleben. Nicht zuletzt stärkt die verteilte Führung auch unsere Unternehmenskultur. Sie basiert auf Vertrauen, Transparenz und Zusammenarbeit auf Augenhöhe.


Kommt das auch in Bewerbungsgesprächen gut an?

Jennifer Emrich: Ja, das kommt in Bewerbungsgesprächen in der Regel sehr gut an. Wir sprechen unser Modell der kollegialen Organisation und unsere Employee Owned Company frühzeitig an und geben damit den Bewerbenden die Möglichkeit, ein tieferes Verständnis für unsere Unternehmensphilosophie zu entwickeln. Gerade die kollegiale Organisation steht nicht nur für eine andere Art der Zusammenarbeit, sondern auch für eine besondere Wertschätzung hinsichtlich Flexibilität und individueller Lebensphasen. Daher ist es sinnvoll, dies zu erläutern, um den Bewerbenden die Chance zu geben, zu verstehen, was diese beiden Modelle für den Arbeitsalltag bedeuten und welchen Mehrwert sie haben.

Sarah Peters: Die Erfahrung zeigt, dass Bewerbende darauf oft sehr positiv reagieren. Das Thema wird häufig als attraktiv und fortschrittlich wahrgenommen, da es mit einer hohen Flexibilität und der Anerkennung individueller Bedürfnisse einhergeht. Es schafft Vertrauen und zeigt, dass das Unternehmen die Work-Life-Balance und die persönlichen Lebensphasen ernst nimmt. Dies kann die Entscheidung, für Arineo zu arbeiten, positiv beeinflussen und dazu beitragen, dass sich mehr Bewerbende für das Unternehmen entscheiden – nicht nur wegen der flexiblen Arbeitsbedingungen, sondern auch aufgrund der Werte, die dahinterstehen.


Nicht nur in Sachen Führung leben Sie Flexibilität bei Arineo. Ein weiteres Handlungsfeld, das bei Ihnen von hoher Flexibilisierung geprägt ist, ist die Arbeitszeit. Eines Ihrer Angebote ist das Lebenszeit-Modell. Wie genau sieht das aus?

Sarah Peters: Mit dem Arineo Lebenszeit-Modell lassen sich Sabbaticals, eine vorübergehende Teilzeitarbeit oder auch ein früherer Renteneinstieg bei gleichbleibendem Gehalt realisieren. Ermöglicht wird das „Ansparen von Zeit“ über mehrere Varianten, die auch kombiniert werden können. Dazu zählen monatlich zurückgestellte Beträge aus dem Gehalt, Überstunden oder nicht genommene Urlaubstage.


Wie nutzen Mitarbeitende der unterschiedlichen Altersgruppen dieses Modell?

Jennifer Emrich: In der Praxis zeigt sich, wie vielfältig das Lebenszeit-Modell genutzt wird: Jüngere Kolleg:innen nehmen sich über das Modell beispielsweise eine ein- bis zweimonatige Auszeit für ein Sabbatical – für Reisen, persönliche Projekte oder einfach zur Erholung. Kolleg:innen mittleren Alters wiederum nutzen die Möglichkeit, langfristig Zeit anzusparen, um ihren Ruhestand früher antreten zu können. So passt sich das Modell flexibel an unterschiedliche Lebenssituationen und Zukunftspläne an.


Inwieweit passen das Modell der kollegialen Organisation und Ihre familien- und lebensphasenbewusste Ausrichtung zusammen bzw. ergänzen sich?

Jennifer Emrich: Das Modell der kollegialen Organisation und unsere familien- sowie lebensphasenbewusste Ausrichtung passen sehr gut zusammen und ergänzen sich ideal. In unserer kollegialen Organisation können Mitarbeitende unabhängig von ihrer Lebensphase unterschiedliche Rollen im Unternehmen übernehmen. Das bietet eine hohe Flexibilität, die es erlaubt, Aufgaben an ihre aktuelle Lebenssituation anzupassen – sei es aufgrund familiärer Verpflichtungen oder anderer persönlicher Veränderungen.

Sarah Peters: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkenorientierung. Hierbei können Mitarbeitende ihre individuellen Stärken und Talente in einer Weise einbringen, die zu ihrer jeweiligen Lebensphase passt. So können sie ihr Potenzial jederzeit voll entfalten, auch wenn sich ihre Prioritäten verschieben. Das erhöht die Motivation, wirkt sich positiv auf die Leistungsbereitschaft aus und führt zu einer nachhaltigeren, zufriedeneren und produktiveren Zusammenarbeit, die sowohl den Mitarbeitenden als auch dem Unternehmen zugutekommt.




Tipp: Das Kurzporträt zur ersten Zertifizierung der Arineo GmbH nach dem audit berufundfamilie ist hier abrufbar.


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