Donnerstag, 17. Juli 2025

regelrecht_v: Neue Regeln für Vereinbarkeit und Vielfalt – Ausgabe 02/2025

Rechtliche Neuerungen bei Vereinbarkeit- und Vielfaltsthemen haben Auswirkungen auf den Arbeitsalltag
(Foto: Arif Ryanto on Unsplash)

Zum 1. Juli sind neue Regelungen in Kraft getreten. Wir fassen in unserer insgesamt vierten Ausgabe der Blogreihe „regelrecht_v“ die wichtigsten Änderungen zusammen und blicken zurück auf Urteile in diesem Kontext.


Zum 1. Juli gibt es wieder einige rechtliche Änderungen und Urteile für Beschäftigte und Arbeitgeber in den Themen Vielfalt und Vereinbarkeit. Diese fassen wir in unserer insgesamt vierten Ausgabe der Blogreihe regelrecht_v" zusammen. Es wurden die Renten erhöht, pflegende Angehörige erlangen eine höhere Flexibilität durch die Zusammenfassung der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege, außerdem schauen wir auf Urteile zum Sonderkündigungsschutz für schwangere Beschäftigte und die Befristung von Nachwuchsforschenden und Betriebsträten.

Um einen schnellen Überblick über die Änderungen und Urteile zu geben, haben wir die wichtigsten Punkte in aller Kürze zusammengefasst. Für detailliertere Informationen können die angegebenen Rechtsquellen genutzt werden.

Die Informationen sind nach den Überschriften in alphabetischer Reihenfolge und getrennt nach Gesetzen und Urteilen angeordnet. Bei den Urteilen wird die zeitliche Abfolge ebenfalls berücksichtigt. Die gemachten Angaben stellen keine rechtliche Beratung dar und es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.



Pflege[1]


  • Pflegende Angehörige erhalten durch die Zusammenfassung der Leistungen für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege mehr Flexibilität. Es gibt von nun an einen kalenderjährlichen Gesamtbetrag von 3.539€, den pflegende Angehörigen ausschöpfen können. Die Verhinderungspflege kann auch genutzt werden, ohne dass der*die Angehörige die pflegebedürftige Person bereits seit 6 Monaten pflegt, hierfür muss mindestens der Pflegegrad 2 vorliegen.
  • Verhinderungspflege ist eine Pflegeleistung, die es pflegenden Angehörigen ermöglicht, eine Auszeit zu nehmen. Wenn etwa die Pflegeperson wegen Urlaub oder Krankheit verhindert ist, kann eine Ersatzpflegeperson die Pflege übernehmen – und zwar zu Hause oder in einer Einrichtung. Bei einer Kurzzeitpflege wir die*der zu Pflegende vorübergehend stationär gepflegt, etwa nach einem Krankenhausaufenthalt oder wenn die pflegende Person verhindert ist.


Pflegeversicherung[2]


Die Pflegeversicherungsbeiträge unterscheiden sich je nach Kinderanzahl, deshalb muss die Anzahl der Kinder durch die Versicherten angegeben und nachgewiesen werden. Dafür wurde zum 1. Juli ein verpflichtendes digitales Nachweisverfahren eingeführt.


Rente[3]


Zum 1. Juli 2025 wurden die Renten erhöht. Die Bezüge stiegen um 3,74%. So erhält ein*e Rentner*in mit einer monatlichen Rente von 1.000€ monatlich 37,40€ mehr. Bei einem früheren Durchschnittsverdienst mit 45 Beitragsjahren steigt die Rente um 66,15€ im Monat.



Urteile



Sonderkündigungsschutz für Schwangere[4]

  • In einem Urteil vom 3. April 2025 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass schwangere Arbeitnehmerinnen auch dann Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung einreichen können, wenn sie erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist durch einen Frauenarztbesuch sicher sein kann, wirklich schwanger zu sein.
  • Zum Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin wurde mit Schreiben vom 14. Mai 2022 zum Ende Juni gekündigt. Etwa zwei Wochen später machte sie einen Schwangerschaftstest, der positiv ausfiel. Sie bemühte sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt, den sie jedoch erst am 17. Juni erhielt. Bei diesem Termin bestätigte ihr Frauenarzt, dass sie sich ungefähr im zweiten Monat der Schwangerschaft befindet.
  • Kurz vor ihrem Arzttermin am 13. Juni reichte die Frau Klage gegen die Kündigung ein. Da die dreiwöchige Frist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, beantragte sie zusätzlich die nachträgliche Zulassung dieser Klage. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass die nachträgliche Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG zulässig sei. Diese Vorschrift besagt, dass eine Klage gegen eine Kündigung nachträglich zugelassen werden muss, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat. Laut § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG muss der Antrag auf nachträgliche Zulassung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Schwangerschaft gestellt werden.
  • Der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin vertrat jedoch die Ansicht, dass die Beschäftigte schon während der offenen Klagefrist von ihrer Schwangerschaft wusste aufgrund des gemachten Schwangerschaftstests und somit die Klage verfristet sei.
  • Dieser Auffassung folgte das Bundesarbeitsgericht nicht und befand, dass in einem solchen Fall die Kündigungsschutzklage trotz Verfristung nachträglich zuzulassen sei. Ein positiver Schwangerschaftstest allein sei laut den Richter*innen nicht ausreichend, um sicher festzustellen, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich schwanger sei. Außerdem kann ihr keine Verzögerung ihres Frauenarzttermins angelastet werden. Somit war die Kündigung der Frau unwirksam.


Berliner Sonderweg zur Befristung von Nachwuchswissenschaftler*innen gekippt[5]

  • Im Wissenschaftsbetrieb in Deutschland herrschen oft herausfordernde Arbeitsbedingungen wie Kettenbefristungen, schlechte Bezahlung und viel Arbeit vor allem für Nachwuchsforschende.
  • Um hier Abhilfe zu schaffen, schlug Berlin im Jahr 2021 einen Sonderweg ein und verabschiedete eine neue Regelung im Landeshochschulgesetz: Wissenschaftliche Beschäftigte mit Doktorgrad sollten eine dauerhafte Stelle erhalten, wenn sie ein Qualifikationsziel, z.B. eine Habilitation, erreichen.
  • Diese Regelung stieß auf Protest bei den Berliner Hochschulen, da diese Stellen nicht finanzierbar seien. Es wurde Verfassungsbeschwerde durch die Humboldt-Universität Berlin gegen diese Neuregelung eingelegt und das mit Erfolg.
  • Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass in diesem Bereich abschließende Regelungen dahingehend bestehen, dass die Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen befristet werden können.
  • In der Praxis fand die Entfristungsregelung bisher keine Anwendung und ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts endgültig abgetan.


Keine Benachteiligung: Befristung auch für Betriebsräte gültig[6]

  • Das Bundesarbeitsgericht macht in einem Urteil vom 18. Juli 2025 deutlich, dass befristete Arbeitsverhältnisse auch auf Betriebsratsmitglieder anwendbar sind.
  • Es urteilte, dass die Wahl eines befristeten Arbeitnehmers in den Betriebsrat nicht dazu führt, dass er nach Ablauf der Befristung weiter beschäftigt werden muss.
  • Zum Sachverhalt: Ein seit 2021 befristeter Beschäftigter in einem Logistikunternehmen wurde im Sommer 2022 in den Betriebsrat gewählt. Am 14. Februar 2023 endete sein Arbeitsverhältnis – zusammen mit dem von 18 weiteren Mitarbeitenden. Während 16 von ihnen ein Angebot für einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhielten, ging das Betriebsratsmitglied leer aus. Er sah dies als direkte Folge seiner Betriebsratstätigkeit und reichte Klage gegen die Befristung seines Arbeitsvertrags ein. Vorsorglich forderte er zudem einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab dem 15. Februar 2023 zu den bisherigen Konditionen.
  • Das Unternehmen rechtfertigte seine Entscheidung damit, dass es mit der Leistung und dem Verhalten des Beschäftigten unzufrieden gewesen sei und erklärte, die Betriebsratstätigkeit habe keine Rolle gespielt. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, wie schon die Vorinstanzen, dass die Wahl eines befristeten Arbeitnehmenden in den Betriebsrat keine Unwirksamkeit der Befristung bedingt und es auch keine konkrete Benachteiligung.


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