Mittwoch, 6. August 2025

Kinderlos Vereinbarkeit leben: Work-Life-Balance jenseits des eigenen Nachwuchses

Ob mit oder ohne eigene Kinder: Das Spektrum an Vereinbarkeitsbedarfen ist bei Beschäftigten groß
(Quelle: CoWomen on pexels.com)

In unserem heutigen Blogbeitrag geht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Kinderloser, manchmal auch als Kinderfreie bezeichnet. Wir überprüfen die weit verbreitete Annahme, dass Frauen freiwillig kinderlos bleiben, weil eine schlechte Vereinbarkeit als erwerbstätiges Elternteil droht. Zudem sprechen wir an, welche Vereinbarkeitsbedarfe sich für kinderfreie Beschäftigte ergeben und wie ein gleichberechtigter Umgang mit Vereinbarkeitsfragen von Mitarbeitenden mit und ohne Kinder gelingt.

Etwa jede 5. Frau in Deutschland hat keine Kinder.[1] Ein Teil davon ist ungewollt kinderlos. Schätzungsweise jedes 10. Paar (im Alter zwischen 25 und 59 Jahren) hat trotz Kinderwunsch keinen Nachwuchs.[2] Der andere Teil der Kinderlosen hat sich bewusst gegen eigene Kinder entschieden.

Eine Studie der Dualen Hochschule Gera-Eisenach aus dem Jahr 2022 beschäftigte sich mit der Frage, warum Frauen ein Leben ohne Kinder wählen. Dabei wurden 1.100 Frauen nach gesellschaftlichen, ihren persönlichen und ihren partnerschaftlichen Gründen für die gewollte Kinderlosigkeit gefragt.[3] Entgegen bisheriger Annahmen, dass Frauen sich aufgrund der Rahmenbedingungen gegen Kinder entscheiden, zeigen die Ergebnisse, dass gewollte Kinderlosigkeit hierzulande vor allem auf individuelle Überzeugungen zurückzuführen ist. So seien sich die Frauen darüber bewusst, dass Kinder ein hohes Maß an Raum, Zeit und Energie brauchen.[4]

Keine Kinder zu haben, ist nach Ansicht von 64% der befragten Frauen finanziell besser. Den nächsten gesellschaftlichen Aspekt sehen 53% in dem stetigen Bevölkerungswachstum und weitere 43% in dem ökologischen Fußabdruck, der mit Kindern verbunden sei. 21% empfinden die Gesellschaft als kinderfeindlich.

Bei den persönlichen Gründen dominiert mit 82% der Wunsch, die Freizeit frei gestalten zu können. 80% sehen ohne Kinder eine höhere Chance der Selbstverwirklichung und 73% eine Freiheit von der Verantwortung, die durch die Kindererziehung entsteht. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Ängste, die die Frauen umtreiben. 52% nennen die Sorge vor Überforderung als Grund der Kinderlosigkeit. 46% haben Angst vor der Schwangerschaft oder der Geburt, während 41% Zweifel an den eigenen elterlichen Fähigkeiten hegen. 44% haben eine ablehnende Haltung gegenüber Kindern.

Zu den partnerschaftlichen Gründen zählt für 54%, dass sie ohne Kinder zufrieden mit ihrer Partnerschaft sind. 39% befürchten, dass Nachwuchs sogar ihre Beziehung mit der*dem Partner*in belasten könne. 8% geben an, keine*n geeignete*n Partner*in zu haben, mit der sich Elternschaft realisieren ließe. Spannend ist auch: 40% meinen, dass die Fürsorge für Kinder nicht (gut) mit dem Beruf vereinbar sein.

Damit wird die bisherige Annahme widerlegt, dass die vermeintliche Unvereinbarkeit von Beruf und Familie eine der Hauptursachen für die Entscheidung von Frauen sei, keine eigenen Kinder zu haben.

Vereinbarkeitsbedarfe auch ohne (eigene) Kinder vorhanden – und dies in vielfältiger Form


Ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben grundsätzlich kein Thema für kinderlose weibliche Mitarbeitende? Die Antwort lautet ganz klar „Nein“. Denn Vereinbarkeitsbedarfe sind nicht ausschließlich an eigene Kinder gekoppelt. Die Fürsorge für Kinder wird auch dann relevant, wenn Lebenspartner*innen ein oder mehrere Kinder mit in die Beziehung bringen. Und auch über Geschwister, Freund*innen oder Nachbar*innen können Kinder in das Leben von Kinderlosen treten. Kümmern sie sich regelmäßig um den Nachwuchs, werden dadurch Vereinbarkeitswünsche geweckt.

Kinderbetreuung ist der „klassische“ Auslöser der Vereinbarkeitsdiskussion. Es gibt allerdings zahlreiche weitere private Umstände bzw. Lebenssituationen – und das entsprechend den Lebensphasen wechselnd –, die mit der Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen sind. Zu nennen ist beispielhaft die Pflege von Angehörigen oder Bekannten. Das sich Kümmern um Wahlfamilien oder vertraute Einzelpersonen rückt ebenfalls verstärkt in den Vereinbarkeitsfokus. Vor dem Hintergrund der Ausbildungs- und Arbeitsmobilität nehmen Fernbeziehungen zu, die parallel zur Arbeit geführt werden wollen und damit Vereinbarkeitswünsche hervorrufen. Und nicht zu vergessen ist ehrenamtliches Engagement, das an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Tageszeiten regelmäßig gefragt und damit zumindest zeitlich mit dem Job eingepasst werden muss. All das kann (auch) Kinderlose betreffen.

Vereinbarkeit zwischen Eltern und Kinderlosen gerecht vereinbaren


Berufstätige Mütter und Väter, die über Wochen in den Kita- und Schulferien Urlaub nehmen; Eltern, die an Brückentagen bevorzugt frei haben möchten; Nachmittage, an denen Eltern nicht präsent im Büro sein können … Diese Szenarien gibt es durchaus, wenngleich sie nicht die Regel sein müssen. Wenn es darum geht, dass in den genannten Fällen, Mitglieder des Teams ansprechbar bzw. vor Ort sind, ist die Gefahr groß, dass Kinderlose ganz automatisch dafür vorgesehen sind. Das passiert vor allem dann, wenn die Vereinbarkeitsbedarfe von Mitarbeitenden, die keine Fürsorge für Kinder tragen, nicht gesehen werden oder wenn es keine Kultur gibt, in denen diese anerkannt werden. Schwierig wird es, wenn eine Rivalität bei der Inanspruchnahme von Vereinbarkeitslösungen zwischen Erwerbstätigen mit und denen ohne Kinder entsteht. Eltern mögen anführen, dass sie keine andere Wahl haben, als in den Ferien in den Urlaub zu fahren und sich entsprechend frei zu nehmen. Welche Wahl haben demgegenüber aber Kinderlose, die eine private Pflegeverpflichtung haben?

Wie schaffen es Arbeitgeber, am Thema Vereinbarkeit keine Fairnessdebatte entstehen zu lassen zwischen Beschäftigten mit und denen ohne eigene Kinder? Hier einige grundlegende Tipps:

  • Beziehen Sie das gesamte Spektrum des Privatlebens in die Gestaltung von Vereinbarkeitslösungen mit ein. Denken Sie also auch über familiäre Aufgaben im engeren Sinne hinaus.
  • Machern Sie sich bewusst, dass die Gründe für die Nachfrage nach Work-Life-Balance-Angeboten sehr vielfältig sind. Versuchen Sie, die unterschiedlichen Gründe ausfindig zu machen.
  • Vermeiden Sie weitestgehend Bewertungen, ob und inwieweit Vereinbarkeitsbedarfe oder- wünsche eine höhere Legitimität als andere haben.
  • Achten Sie darauf, Beschäftigten mit Kindern nicht grundsätzlich den Vorrang in Vereinbarkeitsfragen zu gewähren. Checken Sie immer die Bedarfslage des gesamten Teams.
  • Fördern Sie den Austausch zu Vereinbarkeitsthemen in der Belegschaft bzw. in den Teams.
  • Zeigen Sie Wertschätzung dafür, dass Kinderlose ggf. oft oder auch bedarfsweise „einspringen“ bzw. die „Stellung halten“, sich häufig bei gemeinsamen Terminen nach der Verfügbarkeit von Kolleg*innen mit Kinderbetreuungsaufgaben richten (insbesondere, wenn diese in Teilzeit tätig sind).
  • Lassen Sie Teams mit Vereinbarkeitsfragen nicht allein. Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte für die unterschiedlichen Fragestellungen – auch kinderloser Mitarbeitender -, damit diese als Ansprechperson den Beschäftigten zur Seite stehen kann.
  • Ermöglichen Sie, dass die einzelnen Beschäftigten und auch die Teams tragfähige Lösungen zur Vereinbarkeit mitgestalten können.

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