Mittwoch, 27. August 2025

Vereinbarkeit in Zahlen: Trübe Aussichten

Wortwolke aus Stichwörtern zur Arbeitswelt (Quelle: berufundfamilie Service GmbH)

8 von 10 Unternehmen befürchten eine Verschärfung des IT-Fachkräftemangel, Kinderkrankendgeld wird immer noch wesentlich häufiger von Müttern beansprucht und familienfreundliche Angebote sind kaum Thema in Stellenanzeigen. Mehr Studien-Insights aus der Arbeitswelt finden sich in der August-Ausgabe von „Vereinbarkeit in Zahlen“.




Jobwechselbereitschaft sinkt


Eine Umfrage des Recruiting-Spezialisten softgarden zeigt, dass der Arbeitnehmendenmarkt allmählich passé zu sein scheint. So sank der Anteil an sog. Joboptimierer*innen – also Erwerbstätigen, die sich bewerben, um sich beruflich zu verbessern von 67% in 2024 auf jetzt 65,5%. Auch der Trend zu einer immer steigenden Orientierung an Bewerbende scheint rückläufig. So schlossen 2024 noch 51,7% der Befragten einen Umzug aus beruflichen Gründen aus, jetzt tun dies nur noch 46,6%. Auch der Wunsch nach Jobstabilität ist gewachsen: 50,9% bewerten langfristige Jobstabilität als sehr wichtig, 44,7% als wichtig.
Für die meisten Bewerber*innen gehört der Wunsch nach einem lebenslangen Arbeitgeber der Vergangenheit an. Nur noch 28% streben danach, nach einer einzigen Bewerbung bis zur Rente beim gleichen Arbeitgeber zu bleiben.

Wer sich nach Stabilität sehnt, setzt am ehesten auf den Öffentlichen Dienst. 47,7% der Befragten sehen ihn als sicheren Arbeitgeber. Auch wenn er damit an der Spitze liegt, genießt er nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen der Mehrheit.
Das geringste Vertrauen in stabile Jobs haben Bewerber*innen bei kleineren Unternehmen (13,3%) und bei Aktiengesellschaften (12,6%).

Viele Bewerber*innen planen in den nächsten fünf Jahren Weiterbildungen, um für den Arbeitsmarkt relevant zu bleiben. Besonders beliebt sind kürzere Seminare und Kurse (45,4% Zustimmung) sowie das eigenständige Lernen mit Fachpublikationen, Podcasts oder Videos (34,8% Zustimmung). Eine längere Weiterbildung von einem halben Jahr oder mehr erwägt nur rund ¼ (24,5%).
Für die langfristige Bindung an einen Arbeitgeber sind Weiterbildungsangebote für die meisten Bewerber*innen von Bedeutung: 53,2% halten sie für "sehr wichtig" und weitere 40,6% für "wichtig".

Softgarden, Vom Lebensjob zu Lernjobs 2025, Juli 2025
https://www.presseportal.de/pm/100361/6051864




8 von 10 Organisationen erwarten eine Verschärfung des IT-Fachkräftemangels


Eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands Bitkom unter 855 Unternehmen aus allen Branchen zeigt: Auch wenn der Mangel an IT-Fachkräften von 149.000 vor zwei Jahren auf aktuell 109.000 in Deutschland leicht gesunken ist, sehen Arbeitgeber keine Entspannung.

Der Fachkräftemangel bleibt für sie eine große Herausforderung: 85% klagen über fehlende IT-Expert*innen. Nur 4% sehen ein Überangebot, während 10% die Zahl der Fachkräfte als ausreichend betrachten.
Die meisten Unternehmen blicken pessimistisch in die Zukunft. 79% der befragten Unternehmen rechnen damit, dass sich der Mangel an IT-Fachkräften in Zukunft noch verschlimmert. Nur 4% erwarten eine Entspannung, und 16% gehen von keiner Veränderung aus.
Trotz des anhaltenden Fachkräftemangel in der IT, mussten 6% der Organisationen in den letzten zwölf Monaten IT-Fachkräfte aufgrund der Wirtschaftslage entlassen. Weitere 14% gehen davon aus, dass in den nächsten zwölf Monaten Entlassungen in ihrem Unternehmen bevorstehen.

35% der Unternehmen erwarten zudem, dass die schwächelnde Wirtschaft zu weiterem Stellenabbau im IT-Bereich führen wird. Manche der befragten Arbeitgeber sehen darin jedoch eine Chance: 6% haben bereits IT-Fachkräfte eingestellt, die in anderen Unternehmen entlassen wurden. 52% gehen davon aus, dass sie es künftig leichter haben werden, IT-Fachkräfte zu finden, da anderswo Stellen gestrichen werden.
Des Weiteren setzt jedes zwölfte Unternehmen (8%) verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI). Die langfristigen Auswirkungen von KI auf den IT-Arbeitsmarkt sind jedoch noch nicht abzusehen.
27% der Unternehmen rechnen damit, dass KI vermehrt zu Stellenabbau führen wird. 16% rechnen sogar damit, dass KI unbesetzbare Stellen verzichtbar macht.
Andererseits sehen 42% der Unternehmen, dass KI einen zusätzlichen Bedarf an IT-Fachkräften schaffen könnte.

Um dem IT-Fachkräftemangel zu begegnen, setzen Unternehmen verstärkt auf Weiterbildungsprogramme: 31% der Firmen qualifizieren ihre Mitarbeitenden damit für neue Aufgaben. Außerdem setzen die befragten Organisationen auf spezielle Programme für Quereinsteiger*innen (22%) oder Angebote, um ältere Beschäftigte länger im Job zu halten (19%). Weitere 14% der Organisationen haben Fördermaßnahmen für Frauen eingeführt, 7% nutzen Diversitäts- und Inklusionsprogramme und 12% setzen vermehrt auf externe IT-Fachkräfte. Allerdings unternehmen 29% der Unternehmen derzeit nichts gegen den Mangel.

Laut den befragten Unternehmen könnten drei Punkte aus dem Koalitionsvertrag den Arbeitsmarkt deutlich entlasten:74 % würden von der Umstellung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit profitieren, 69% sehen in der Förderung der Fachkräfteeinwanderung einen vielversprechenden Ansatz und 67% halten die Aktiv-Rente, die ältere Beschäftigte länger im Arbeitsleben hält, für besonders hilfreich.

Bitkom e.V., In Deutschland fehlen weiterhin mehr als 100.000 IT-Fachkräfte
https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutschland-fehlen-IT-Fachkraefte





Mütter bleiben dreimal häufiger für Versorgung kranke Kinder daheim


Neue Daten der Krankenkasse BARMER zeigen, dass Mütter fast dreimal häufiger Kinderkrankengeld beantragen als Väter.
Von insgesamt über 400.000 Anträgen auf Kinderkrankengeld im Jahr 2024 wurden 296.000 von Frauen gestellt, aber nur 109.000 von Männern. Die ungleiche Verteilung spiegelt sich auch in den Zahltagen des Kinderkrankengelds wider. So entfielen von den rund 877.000 Zahltagen, 648.000 Tage auf Frauen und 229.000 Tage auf Männer.
Der Vorstandsvorsitzende der BARMER Prof.Dr.med. Straub hob hervor, dass die häufigere Inanspruchnahme des Kinderkrankengelds durch Frauen zeige, wie ungleich Sorgearbeit weiterhin familiär verteilt würde.

BARMER-Analyse: Anträge auf Kinderkrankengeld häufiger von Frauen, August 2025
https://www.barmer.de/presse/presseinformationen/pressearchiv/barmer-analyse-antraege-auf-kinderkrankengeld-haeufiger-von-frauen-1365772




Familienfreundliche Angebote in Stellenanzeigen kaum Thema


Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Bertelsmann Stiftung von rund 8 Mio. Stellenanzeigen im Jahr 2024 offenbart, dass Arbeitgeber trotz Fachkräftemangel selten mit vereinbarkeitsfördernden Maßnahmen werben. Obwohl 86% der Organisationen in einer repräsentativen Befragung 2023 äußerten, Wert auf Familienfreundlichkeit zu legen, warben 2024 nur 16,4% der Stellenanzeigen aktiv damit. In 12% tauchte die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben auf und lediglich 2,7% gaben Angebote zur Kinderbetreuung an.

Familienfreundliche Angebote sind zudem häufiger in Berufen mit hohem Frauenanteil zu finden. Eine besonders große Diskrepanz zeigt sich bei der Arbeitszeitflexibilisierung. Die Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit mitzugestalten, wird in Anzeigen für Berufe mit hohem Frauenanteil (wie Altenpflege oder Sozialarbeit) in 24% der Fälle angeboten. Im Gegensatz dazu findet sich diese Option nur in 7% der Anzeigen für männerdominierten Berufe. Auch Hinweise auf eine bessere Vereinbarkeit und verlässlichere Arbeitszeiten sind in Stellenanzeigen für Berufe mit hohem Frauenanteil viel häufiger zu finden. Dies erschwert es Frauen, sich in männerdominierten Berufen zu etablieren, und hindert Männer daran, Teilzeit zu arbeiten, um sich z.B. mehr der Kinderbetreuung zu widmen.
Zudem zeigt sich eine Benachteiligung von gering- und mittelqualifizierten Beschäftigten, denn Flexibilität und Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben finden sich vor allem in Stellenausschreibungen für höher qualifizierte Positionen.

Bertelsmann Stiftung, So vereinbatkeitstauglich ist der deutsche Stellenmarkt, August 2025
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2025/august/vereinbarkeit-fehlanzeige-in-jobangeboten-kommt-familienfreundlichkeit-zu-kurz

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