Egal wie alt oder welche geschlechtliche Identität Beschäftigte sich zuschreiben: Vereinbarkeitsangebote sollten allen offenstehen (Quelle: Darrel Und on pixels.com) |
Es gibt zahlreiche vereinbarkeitsfördernde Maßnahmen, die gleichzeitig einen vielfaltsbewussten Charakter haben. Wir schauen heute in die Diversity-Dimensionen Alter sowie Geschlecht und geschlechtliche Identität, um anzusprechen, welche Lösungen beispielsweise diese doppelte Funktion haben und wo Vorsicht bei deren Umsetzung geboten ist.
Nicht jede Maßnahme zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist auch offensichtlich eine vielfaltsbewusste Maßnahme. Doch die Schnittmengen zwischen Vereinbarkeit und Vielfalt sind groß – und sie lassen sich ausweiten. Insbesondere in den Kerndimensionen Alter sowie Geschlecht und geschlechtliche Identität können Arbeitgeber Lösungen finden, die die Work-Life-Balance unterstützen und gleichzeitig der Vielfalt der Beschäftigten gerecht werden.
Wir haben einige davon in den Aktionsplänen der Organisationen gefunden, die in diesem Jahr mit dem audit berufundfamilie +vielfalt ausgezeichnet wurden. Das sind: Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik, DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Landkreis Cuxhaven, Landkreis Gießen, Melitta Europa GmbH & Co. KG (Geschäftsbereich Kaffee), Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Ortspolizeibehörde Bremerhaven, swb Konzern, Roland Berger GmbH (Roland Berger Holding GmbH & Co. KGaA, Roland Berger AG) sowie Urenco Deutschland GmbH. Hier ein Auszug aus den Maßnahmen, die sie sich vorgenommen haben, um sich vielfaltsbewusst(er) in den Dimensionen Alter sowie Geschlecht und geschlechtliche Identität aufzustellen, und dabei auf die Vereinbarkeitswünsche ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Hinzukommen ein paar weitere Ideen aus dem berufundfamilie-Erfahrungsschatz. Dies sind lediglich Beispiele. Die Möglichkeiten gehen durchaus weit über diese hinaus.
Altersgerecht vereinbaren und Vielfalt stärken
„Berufsanfänger*innen benötigen noch keine Vereinbarkeitsangebote und ältere Beschäftigte nicht mehr.“ – Weit gefehlt. In jeder Lebensphase ergeben sich Bedarfe hinsichtlich der Work-Life-Balance. Junge Beschäftigte gehen vielleicht einem zeitintensiven Hobby nach oder kümmern sich um pflegebedürftige Angehörige. Lebensältere Beschäftigte engagieren sich ggf. ehrenamtlich oder sind in der Betreuung ihrer Enkelkinder mitgefragt. Mit flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortmodellen kann so manchen Vereinbarkeitswünschen entgegengekommen werden – egal, welches Alter die Beschäftigten haben.
So sollte in der Kommunikation auch deutlich werden, dass die Angebote – insbesondere in den Handlungsfeldern Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsort – für Beschäftigte jeden Alters gedacht sind und auch jeden Geschlechts. Das gilt für die interne Kommunikation genauso wie für die Information nach außen. Im Recruiting muss klar werden, wer alles willkommen geheißen wird. Hier geht es somit um eine konzeptionelle Bearbeitung des Themas Alters: Haben wir einen hohen Altersdurchschnitt und möchten insbesondere jüngere Bewerber*innen für uns gewinnen und attraktiv für jüngere Mitarbeitende bleiben? Geht es uns – ggf. gleichzeitig – darum, lebensältere Beschäftigte zu binden? Dann muss entsprechend gezielt darauf hingearbeitet werden.
Interessant sind in diesem Zusammenhang Konzepte zum Übergang in den Ruhestand, die ggf. Angebote zur Altersteilzeit beinhalten. Immer mehr gefragt sind das Wissens- und Nachfolgemanagement. Wie kann also das Know-how der lebensälteren bzw. langjährigen Beschäftigten gewahrt und/ oder an jüngere Mitarbeitende übertragen werden? Oder wie sieht es aus mit den Möglichkeiten für jüngere Beschäftigte, ihre Skills ans Team weiterzuvermitteln? Die Zusammensetzung von Teammitgliedern unterschiedlichen Alters – kurz altersgemischte Teams – haben sich dabei etabliert. Innerhalb dieser Teams und auch darüber hinaus können Pat*innenmodelle umgesetzt werden. Dabei unterstützt z.B. ein*e altere*r Beschäftigte*r gezielt eine*n oder mehrere jüngere Kolleg*innen. Umgekehrt ist dies genauso möglich, z.B. wenn es um den Umgang mit neuen Medien oder Tools geht. Auch eine Sprechstunde für Kolleg*innen kann eingerichtet werden, in denen Know-how vermittelt wird. Ein konkretes Beispiel ist die IT-Sprechstunde.
Die Bedarfe der unterschiedlichen Altersgruppen genau im Blick zu haben, ist durchaus eine Herausforderung. Am besten lassen sich diese durch Befragungen ermitteln – gerne auch gezielt an die jeweilige Altersgruppe in der Organisation gerichtet. Damit kann ermittelt werden, welche Angebote in den einzelnen personalpolitischen Handlungsfeldern förderlich bzw. gewünscht wären. Auch in Richtung Zusammenarbeit kann eine Umfrage gehen. Braucht es z.B. spezielle Unterstützungsangebote zur Teamzusammenarbeit?
Gesondert oder integriert kann der Bereich BGM – betriebliches Gesundheitsmanagement – betrachtet werden. Welche gesundheitsfördernden bzw. gesunderhaltenden Maßnahmen sprechen jüngere Beschäftigte, Beschäftigte mittleren und höheren Alters an? Welche Schnittmengen gibt es?
Auch spannend: Welche Möglichkeiten ergeben sich für die einzelnen Alterskohorten für ihre berufliche Entwicklung? Wie werden z.B. jüngere Beschäftigte auf ihrem Karriereweg unterstützt? Wie kommen sie in Führungspositionen? Wie lassen sich Karriere und Vereinbarkeit kombinieren – beispielsweise im Rahmen von Tandem- oder Tridemmodellen für eine Stelle, mit Teilzeitangeboten, etc.? Gibt es für ältere Beschäftigte Optionen sich in der Organisation umzuorientieren, also z.B. in einen neuen Themenbereich zu gehen oder neue, andere Aufgaben wahrzunehmen? Ist für Mitarbeitende oder auch Bewerber*innen mit einem höheren Lebensalter eine Ausbildung möglich?
Gendergerecht vereinbarend
Und weiter geht es mit unseren Fragen, die auf Angebote abzielen, die sowohl vereinbarkeitsfördernd als auch vielfaltsbewusst sind – nun im Hinblick auf die Diversity-Dimension Geschlecht und geschlechtliche Identität. Auch hier können wir nur einen kleinen Ausschnitt gewähren.
Beginnen wir mit einer Frage, die bereits bei Alter gestellt wurde – denn sie muss allgegenwärtig sein: Werden mit den Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ausnahmslos alle Beschäftigten angesprochen? Wird entsprechend darauf geachtet, dass sich alle Angehörigen der Organisation jeglichen Geschlechts und geschlechtlicher Identität angesprochen fühlen? Nicht nur der Einsatz gendersensibler Sprache bei der Beschreibung der Maßnahmen ist wichtig. Es muss in sich auch deutlich werden, dass die Maßnahmen von jeder*jedem genutzt werden können. Soll also heißen: In der Kommunikation vereinbarkeitsfördernder Angebote nicht nur auf Frauen konzentrieren, weil diese vermeintlich einen höheren Vereinbarkeitsbedarf haben könnten. Geht es um berufliche Auszeiten, die vor dem Hintergrund familiärer/ privater Belange genutzt werden können, nicht nur Cis-Frauen und Cis-Männer adressieren. Eine Elternzeit, Zeit für die Pflege oder der Bedarf nach einem Sabbatical ist nicht abhängig vom Geschlecht der*des Mitarbeitenden.
Uns auch sich beispielsweise mit Teilzeitangeboten ausschließlich an die weiblich zu lesenden Mitarbeitenden zu wenden, wäre fehlerhaft. Das fördert ein Bild, in dem Frauen weiterhin in die Arbeitsreduktion gedrängt werden. Gleichzeitig kommen z.B. die Bedarfe von Männern zu kurz, die sich ggf. familiär stärker engagieren und deshalb die Arbeitszeit verringern möchten.
Das soll aber nicht heißen, dass zielgruppenspezifische Angebote aus Vielfaltsgründen untersagt sind. Die explizite Förderung bestimmter Gruppen ist erfahrungsgemäß auch ein Instrument der Verbesserung der Chancengleichheit. So etwa die Ausweitung des Frauenanteils in Führung oder das Ziel, mehr Frauen für die Produktion zu gewinnen. Und hier können Flexibilisierungsangebote bzgl. Arbeitszeit absolut hilfreich sein. Damit ist aber nicht gleich nur Teilzeit gemeint, welche dann idealerweise mit bewusster Karriereförderung gepaart sein sollte, sondern auch Vertrauensarbeitszeit bzw. Gleitzeit. Und dann gibt es noch Möglichkeiten, Mitarbeitende in Betreuungsfragen zu unterstützen, wenn der Notfall eintritt. Das wird als besonders wertvoll empfunden. Unterstützung, wenn die Regelkinderbetreuung ausfällt oder wenn die Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen nicht privat gewährleistet ist. Die Palette der Angebote reicht von der betrieblichen Kindergruppe, über das Eltern-Kind-Arbeitszimmer (auch möglich als mobiler Container), Belegplätze in Kitas oder Tagespflegestätten, Kinderbetreuungskooperation mit anderen Organisationen, bis hin zu einem Pool von externen Pfleger*innen oder Nannys.
Also, einen Fokus auf ausgewählte Zielgruppen zu legen und auf ihre Bedarfe Vereinbarkeitsangebote zuzuschneiden kann sich vielfaltsfördernd auswirken. Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass dies nicht im Umkehrschluss zu einem kompletten Ausschluss von anderen Gruppen führt. Es gilt, weiterhin Offenheit an ALLE Beschäftigten zu signalisieren.
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