Die Coronapandemie hat so manches Vereinbarkeitsvorhaben angeschoben (©pixabay.com) |
Oliver Schmitz, Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH, resümiert in dieser Ausgabe der Blogserie „Zur Debatte, Herr Schmitz“, welchen Impact das Jahr 2020 auf die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik hat(te).
Herr Schmitz, vor welche Herausforderungen hat Sie das Jahr 2020 persönlich gestellt?
Ganz alltägliche persönliche Herausforderungen, wie bei vielen anderen auch. Aus dem Studium meiner Tochter ist eher ein Fernstudium geworden und mein Sohn hat in der Krise einen Studienplatz finden und sich in einer neuen Stadt einrichten müssen. Meine „Erstsemesterparty“ ist sicherlich lustiger gewesen. Gleichzeitig die Sorge um die eigenen Eltern. Als Familie ist man im Lockdown aber auch wieder enger zusammengerückt. Dieses Jahr wird es wirklich „ruhige“ Weihnachten geben.
Auch wenn es banal klingt, ein wichtiger Faktor in diesem Jahr war auch, dass die DSL-Bandbreite im Home-Office parallel zwei Videokonferenzen und zwei Online-Vorlesungen ausgehalten hat.
Welche Hürden galt es für Sie als Arbeitgeber zu nehmen? Und konnten Sie der Coronakrise dabei etwas Positives abgewinnen?
Als Arbeitgeber hat mich zu Beginn natürlich auch die Sorge um die Arbeitsplätze umgetrieben. Es hat sich aber schnell gezeigt, dass wir auch viel online durchführen können und dass das Interesse an unseren Themen sogar eher noch gestiegen ist. Maßnahmen wie Kurzarbeit waren zum Glück nicht notwendig.
Wir haben selbstverständlich viel auf Distanz arbeiten müssen. Das mobile Arbeiten war bei uns aber bereits gelebte Kultur. Trotzdem hat das mobile Arbeiten in einem Maße zugenommen, dass es auch für uns heraufordernd war. Technik und Arbeitsorganisation waren dabei nicht die ganz großen Herausforderungen, weil vorhanden und gut eingeübt, aber das fast komplette Wegfallen der „Kaffeemaschinengespräche“ und des „Flurfunks“ veränderte auch unser Miteinander. Wir konnten zumindest einen Teil der informellen Kommunikation durch zusätzliche gemeinsame „Online-Pausen“ nachempfinden.
Obwohl alles im Großen und Ganzen gut läuft – selbst eine Online-Firmenweihnachtsfeier war möglich –, freuen wir uns schon alle auf das Nach-Corona-Firmenfest, welches mit 100 % Präsenz wird stattfinden können!
Positiv wird sich sicherlich auch der Beweis auswirken, dass man sich auch in schwierigen Zeiten aufeinander verlassen kann.
Um den Blick weiter auf das Positive zu lenken: Was hat Corona für die Vereinbarkeit getan? Welche Beobachtungen konnten Sie diesbezüglich bei anderen Arbeitgebern machen?
Es ist ganz viel geschehen! Vielen ist klar geworden, dass Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ein wichtiger Aspekt des Risikomanagements ist! Es hat sich deutlich gezeigt und dies wurde durch Umfragen bestätigt, dass diejenigen, die sich vor der Krise strukturiert mit dem Thema Vereinbarkeit beschäftigt hatten auch deutlich besser für die Krise gewappnet waren.
Hat der Stellenwert von familien- und lebensphasenbewussten Angeboten also zugenommen? Wird im „New Normal“ Vereinbarkeit noch selbstverständlicher sein als je zuvor?
Ganz egal wie man Familie definiert, als Vater-Mutter-Kind-Familie, als Alleinerziehende, als getrennt- oder gleichgeschlechtliche Partnerschaft oder auch als soziale Verantwortung füreinander, wozu auch ein pflegebedürftiger Nachbar gehören kann – die Krise hat klar gezeigt, dass Angebote, die dazu beitragen, dass man seiner Verantwortung gerecht werden kann, unverzichtbar sind. Ich bin überzeugt, dass mit den jüngsten Erfahrungen der Stellenwert noch gestiegen ist.
Welche Learnings sollten Arbeitgeber aus der Coronakrise für ihre familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik ziehen?
Weitsicht in den Entscheidungen. Es muss nicht die ganz große Krise sein. Auch eine kleine familiäre oder persönliche Krise einer*eines Kolleg*in kann Teams aus der Bahn werfen. Maßnahmen zur Vereinbarkeit haben den Vorteil, dass sie im Kleinen wirken können, aber, wenn Vereinbarkeit zur gelebten Kultur wird, auch im Größeren wirksam sind. Wenn man sich bei Zeiten ein passendes Portfolio an Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben zusammengestellt hat, dann dient das nicht nur der einzelnen Person, sondern insbesondere auch der gesamten Organisation, bis hin zu einem verbesserten Krisenmanagement, wie die aktuelle Pandemie deutlich gezeigt hat.
Man sollte auch keine Angst vor weitreichenden Entscheidungen haben, wie zum Beispiel bei einer weiteren Öffnung der Möglichkeit mobil arbeiten zu können. Die Menschen werden nicht scharenweise nur noch im „Home-Office“ arbeiten wollen. Viele haben die Grenzen des mobilen Arbeitens auch schmerzlich kennengelernt, wenn es durch parallele Kinderbetreuung und Home-Schooling zu einer Entgrenzung von Beruf und Familie führt. Ich habe das Gefühl, dass viele, die sich zuvor vehement für Home-Office einsetzten, erkannt haben, wie wichtig das Büro ist. Gleichzeitig haben viele, die eher gegen mobiles Arbeiten waren, gemerkt, dass es so hin und wieder doch auch mal ganz gut sein kann.
Die Coronakrise ist aber noch nicht vorbei. Es ist noch zu früh ein endgültiges Resümee zu ziehen. Wir werden sicherlich noch weitere Erfahrungen machen müssen. Ob positive oder negative Erfahrungen, beide sind wichtig, beide gilt es auszuwerten, um an dieser Jahrhundertkrise als Person, als Organisation und als Gesellschaft zu wachsen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen