Mittwoch, 12. Februar 2020

Gastbeitrag: Nudging – was ist das denn?

Nudging: Innovativ und kreativ anstupsen für eine bessere Vereinbarkeit, damit sich so mancher Verhaltensknoten löst  (©pixabay.com)

Nudging – noch nie gehört davon? Dann lohnt es sich umso mehr, diesen Blogbeitrag von Elena de Graat, Auditorin der berufundfamilie, zu lesen. Denn Nudging kann der Schlüssel sein für Verhaltensänderungen von Beschäftigten und der Weg zur optimaleren Nutzung von betrieblichen Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. Elena de Graat gewährt einen ersten Einblick in die Methode.


Bei einem Netzwerktreffen auditierter Arbeitgeber zum Thema „Nudge – Innovativ und kreativ anstupsen für eine bessere Vereinbarkeit!“ stand der Begriff „nudging“ auf einem Hinweisschild im Eingangsbereich des gastgebenden Unternehmens. An diesem kamen alle Mitarbeitenden zwischen Kantine und den Aufzügen zu den Büros vorbei. In meinen knapp fünf Beobachtungsminuten warfen fast alle einen – zumindest neugierigen – Blick darauf, sahen ihre Kolleg(inn)en dann teilweise fragend an und bei einer kleinen Gruppe wunderte sich einer dann tatsächlich laut „nudging – was soll das denn sein?“

Tja, eigentlich ganz einfach: Die Entwicklung eines möglichst systematischen Vorgehens, Kolleg(inn)en dazu einzuladen oder auch anzuleiten, für sie hilfreiche, in unserem Fall betriebliche Vereinbarkeits-Angebote zu nutzen oder auch, sich für die kluge/ gesunde/ wirtschaftlich sinnvolle Option zu entscheiden. Ganz essentiell ist dabei, dass wir uns Gedanken darum gemacht haben, was SIE davon abhält, gut durchdachte und gut gemeinte Angebote tatsächlich zu nutzen, respektive was SIE wirklich wollen.

Ran an die emotionale Gemengelage


Dafür haben wir uns mit neueren Ergebnissen der (Motivations-)Forschung befasst und auch die Psychologie des Selbstmanagements einer genaueren Betrachtung unterzogen. Beim Nudging kommen nun teilweise erprobte teilweise neue wissenschaftliche Ergebnisse zum Einsatz. Eines dieser Ergebnisse ist, dass die persönliche emotionale „Gemengelage“ einen viel größeren Einfluss auf unsere Entscheidungen und unser Verhalten hat, als wir uns das als „kluge verstandesbegabte Krone der Schöpfung“ eingestehen (wollen/ können/ mögen). Und genau an der „Kurve“ wird es spannend!

Können Sie einschätzen, welchen Einfluss beispielweise
  • die Komplexität einer Entscheidungssituation hat – denken Sie nur an die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten des Elterngeld PLUS,
  • die Langfristigkeit von möglichen Effekten oder Kosten bei einer Entscheidung hat – beispielsweise die Auswirkung von (geringfügiger) Teilzeit auf die eigene Rente(nhöhe),
  • die persönlich-unmittelbare oder mittelbare Erfahrung durch Freunde, Verwandte, Kultur oder wahrgenommene Berichte(rstattung in Medien) auf eine Entscheidung hat?
Einen ganz erheblichen! Denn wir finden es z.B. auch viel wichtiger, den Spatz in der Hand zu retten (= Verluste zu vermeiden) als die Taube auf den Dach zu fangen (= mögliche Gewinne zu realisieren). Zugleich gibt es Konstellationen, in denen wir unsere persönliche Gewinnwahrscheinlichkeit trotz alledem als sehr hoch einschätzen (siehe Heirat bei fast 50%iger Trennungswahrscheinlichkeit).

Das hängt allerdings auch davon ab, wie uns z.B. die Gewinnchancen präsentiert werden und was andere um uns herum so tun. Denn als soziales Wesen ist uns auch die Sorge um unsere Reputation in der Gemeinschaft eigen. Und daraus ergibt sich eine Reihe von entscheidungsrelevanten Rahmenbedingungen, die bei der Entwicklung von sogenannten „Entscheidungsarchitekturen“ sehr wichtig sind und verantwortungsvoll angewendet werden können:
  • Gehen also viele Männer in einem Betrieb in Elternzeit, kann es sich ein junger Vater ebenfalls „leisten“.
  • Sind auch andere Mütter mit kleinem Kind (voll) erwerbstätig, hat eine junge Mutter damit vielleicht ebenfalls eher ein gutes Gefühl.
  • Nehmen auch Kolleg(inn)en für einen Elternteil eine Pflege(aus)-Zeit und sind dann wieder mit Perspektive dabei, fällt mir eine solche Entscheidung bei aller Belastung selbst wahrscheinlich etwas leichter.

Nudgen Sie sich in die Praxis


Sie merken schon, es gibt dabei einige Stellschrauben, wobei es hilft, wenn eine „erwünschte“ Option emotional, positiv und vielleicht auch noch humorvoll präsentiert wird. Und die Beteiligten unserer bisherigen Treffen zum Thema familienbewusstes Nudging hatten dazu schon ein paar Ideen:
  • Umkehrung von Formulierung oder Argumentation ->
    „Hier ist Platz für unsere Familien“ oder „Wir investieren in unsere Mitarbeitenden – die großen von Heute und die kleinen von Morgen“ vermittelt eine familienorientierte Grundhaltung.
  • Nutzung von unternehmensbezogen ungewohnten Kommunikations-Wegen und -Instrumenten ->
    Wenn alles digital abläuft, schaffen Haptisches und Persönliches ein überraschendes Erlebnis, das im Gedächtnis bleibt (s.o. persönliche Erfahrung).
  • Die Reduzierung von Entscheidungs-Komplexität entlastet ->
    Die Erfolgs-Bilanz angesehener Peers z.B. zum „Management von Mobilität“ (komplizierter = Führungskraft in Telearbeit führt Tele-Mitarbeitende) rücken für weitere Führungskräfte eigene Erfolgsaussichten in greifbarere Nähe.
Und ganz Mutige meinten es lohne sich,
  • für besondere Projekte eine Erprobungsphase in einem definierten Bereich zu „verordnen“ ->
    Damit werden Erfahrungen möglich, die zu machen sich sonst niemand/frau getraut hätte… Und dabei können Erfahrungen mit „Un-Perfektem“ für wertvolle und nachhaltige „Er-Kenntnisse“ sorgen.
Soweit unser Intro zum Thema Nudging. Nudging hat viele Facetten – z.B. Gesundheits-Nudging. Diese werden wir hier im Blog weiterverfolgen. Bleiben Sie – wie wir – also dran.

Unsere Nudging-Seminare für Sie


Wenn Sie „live“ mehr erfahren möchten, laden wir Sie herzlich zu einem unserer diesjährigen Seminare ein, die unter dem Titel „Um die Ecke zum Ziel. Nudging – die kreative Art zu bewegen.“ stehen werden.

Hier die Termine:

26.03.2020, Bremen, Trainerin: Elena de Graat

19.11.2020, Nürnberg, Trainerin: Birgit Weinmann

Details zu den Seminaren verrät Ihnen gerne:
Patricia Hawel
berufundfamilie Akademie
Telefon +49 69 7171333-172
p.hawel@berufundfamilie.de



©work & life, Elena de Graat
Elena de Graat hat das audit berufundfamilie Mitte der 90er Jahre mitentwickelt. Neben ihrer Tätigkeit als Auditorin der berufundfamilie Service GmbH arbeitet sie als Resilienz- und ZRM-Trainerin, Therapeutin und Coach. Ihre Expertise bringt sie fortlaufend in die berufundfamilie Akademie ein.

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