Donnerstag, 27. August 2020

Vereinbarkeit in Zahlen: Kritische Aufbruchstimmung

 

Stichwörter zu aktuellen Studien aus der Arbeitswelt und dem Themenfeld Vereinbarkeit (©berufundfamilie Service GmbH)

Viele Untersuchungen werfen ein positives Licht auf die Zusammenarbeit auf Distanz. Jetzt zeigt eine Befragung von Beschäftigten und Führungskräften, dass während der Coronapandemie Zweifel an der Teamleistung aufkommen. Mehr aktuelle Studienergebnisse in der August-Ausgabe unserer Blogserie „Vereinbarkeit in Zahlen“. 


Agilen Wandel trotz Corona vorantreiben


95 % der managerSeminare-Leser*innen sind der Meinung, dass Unternehmen trotz Corona den agilen Wandel vorantreiben sollten. Die Reformen seien jetzt nötiger denn je. 55 % finden, dass sich Unternehmen in einer Krise durchaus agilisieren lassen: Die Gelegenheit sei günstig, da ja ohnehin alles im Umbruch sei. 86 % der Leser*innen denken, dass agile Unternehmen jetzt von einer höheren Selbständigkeit der Mitarbeitenden profitieren. Für 40 % geben definierte Prozesse wie im Scrum Beschäftigten in der Krise Orientierung. Lediglich 6 % finden, dass agiles Arbeiten von intensiver Interaktion abhängig ist, die durch Corona kaum möglich sei. Und 4 % meinen, dass agiles Arbeiten etwas für gute Zeiten ist; jetzt seien eher Hierarchien gefragt.

68 % gehen davon aus, dass agiles Arbeiten nach und durch Corona gefragter sein wird denn je. 24 % meinen, dass die Agilisierung nach einer Schockphase wieder aufgenommen würde.

managerSeminare, Killt Corona die Agilität?, Juni 2020
https://www.managerseminare.de/managerSeminare/Umfrage/Killt-Corona-die-Agilitaet,278280


Einführung agiler Arbeitsformen lohnt sich


89 % von 639 Befragten aus 20 Ländern meinen, dass die Verbesserungen, die ihnen der Einsatz agiler Arbeitsweisen gebracht hat, den Aufwand ihrer Einführung übersteigen. 43 % der Befragten arbeiten hybrid – also sowohl mittels klassischer als auch agiler Methoden. Selektiv agil arbeiten 29 % und jede*r 5. ausschließlich mit agilen Methoden.

Gründe gegen einen flächendeckenden Einsatz agiler Methoden sind nach Meinung der Befragten:

  • 74 % Rahmenbedingungen erlauben es nicht
  • 41 % Wandel überfordert Führungskräfte
  • 28 % Veränderungen sonst nicht durchsetzbar
  • 28 % Wandel überfordert Beschäftigte
  • 28 % Zustand ist nur ein Zwischenschritt
  • 21 % Zu hohe Anforderungen an Auftraggebende/ Anwendende

Hochschule Koblenz, Status Quo (Scaled) Agile, Juni 2020

https://www.process-and-project.net/studien/studienunterseiten/status-quo-scaled-agile-2020/


Top-Wunsch: Flexibilisierung hin zu mehr Home-Office


Befragt nach ihren Wünschen, die sie mit der Rückkehr in die Bürotätigkeit verbinden, nannten im April 2020 von 1.000 Beschäftigten …

… 74 % flexible Heimarbeit

… 56 % Hygieneregelungen & -vorrichtungen

… 36 % Formulierung und Kontrolle von Abstandsregelungen

… 33 % Platz für die Einhaltung des Sicherheitsabstands

… 37 % verbesserte Möglichkeiten für Videokonferenzen

… 21 % Maskenpflicht

… 17 % Schutzvorrichtungen

Industrieverband Büro und Arbeitswelt & forsa, Wünsche für die Rückkehr ins Büro, Juni 2020
https://iba.online/service/newsroom/schrittweise-zuruck-ins-buro-erkenntnisse-aus-der-zeit-im-homeoffice-auch-fur-die-buroarbeit-nutzen/



Unzufriedenheit mit Home-Office steigt mit Hierrachielevel


32 % des oberen und mittleren sowie 34 % des unteren Managements haben bereits Home-Office-Erfahrungen, dagegen nur 25 % der Fachkräfte.

Mit ansteigender Hierarchie wächst die Unzufriedenheit mit dem Home-Office. Fachkräfte scheinen zufriedener als Führungskräfte, obwohl sie bisher seltener im Home-Office gearbeitet haben. Bei den Azubis, Trainees und Werkstudenten ist der Wert der Zufriedenheit mit dem Home-Office mit der schulnotenähnlichen Bewertung von 2,31 am schlechtesten. Beim oberen/ mittleren Management liegt der Zufriedenheitswert bei 2,12, beim unteren Management bei 2,1, und bei den Fachkräften bei 1,98. Der Durchschnittswert über alle Hierarchien liegt bei 2,04.

TH Köln, Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie, April 2020
https://www.th-koeln.de/mam/downloads/deutsch/hochschule/aktuell/pm/2020/ad-hoc-studie_corona-homeoffice__2020-04-18.pdf


Optimistisch gestimmt in die Zukunft


Was die Zukunft ihres Unternehmens angeht sind 27,3 % der Personaler*innen optimistisch gestimmt. Von den Angehörigen der in Deutschland, Österreich und in der Schweiz befragten Unternehmen schauen 24,5 % positiv für ihr Organisation in die Zukunft. 27,6 % aller Unternehmensvertreter*innen sehen die persönliche Zukunft nach der Coronakrise positiv, bei den Personaler*innen sind es 34,2 %.

HR-Expert*innen und der Durchschnitt der Befragten schätzen allerdings unterschiedlich ein, was in Personalfragen in den Jahren 2021 bis 2023 gefragt sein wird:
  • Die Veränderungsresistenz der Mitarbeitenden gefährdet den Aufbruch in eine neue Arbeitswelt: Zustimmung – 63 % HR, 55 % Durchschnitt der Unternehmensvertreter*innen
  • Ein antiquiertes Führungsverständnis verhindert, den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden: Zustimmung – 53 % HR, 44 % Durchschnitt der Unternehmensvertreter*innen
  • Digitale Kompetenzen der Beschäftigten werden wichtiger: Zustimmung – 41 % HR, 29 % Durchschnitt der Unternehmensvertreter*innen
  • Informationsaustausch und Transparenz werden wichtiger: Zustimmung – 37 % HR, 30 % Durchschnitt der Unternehmensvertreter*innen
Haufe, Wir nach Corona. Szenarien für eine neue Arbeitswelt, Juli 2020
Siehe personalmagazin, Ausgabe 08/2020, S. 28-29



Teamarbeit: Während der Krise doch nicht so optimal?


Die von März bis Mai 2020 durchgeführte Befragung von 200 Beschäftigten und Führungskräften aus den Bereichen Finanzen und Industrie geht dem Corona-Einfluss auf die Teamarbeit nach. Die Ergebnisse: Zu den spürbaren Auswirkungen der Pandemie zählen gesunkene Teamleistungen, hohe operative Kosten und eine veränderte Führungserwartung.

Es hat offensichtlich nicht funktioniert, ein ähnliches Informationsniveau aller Teammitglieder sicherzustellen wie vor der Coronapandemie. Der Organisationsaufwand für den Austausch, die Informationsweitergabe und die interne Kommunikation hat sich in der Wahrnehmung der Befragten stark erhöht.

Die Zusammenarbeit von Teams hat sich verschlechtert. Mitglieder von Teams, die die Zusammenarbeit vor der Pandemie als gut oder sehr gut bezeichneten, sehen diese während der Coronakrise auf einem mittleren bis schlechten Niveau.

Der Teamerfolg sei zudem mit Corona gesunken – von erfolgreicher bis sehr erfolgreicher Zusammenarbeit auf mittelmäßigen bis geringen Erfolg.

Beschäftigte sehen, dass die Führungskräfte mit der Coronapandemie mehr Zeit aufbringen müssen, den Beschäftigten Orientierung, Klarheit und psychologische Sicherheit zu vermitteln. Allerdings genügten Videokonferenzen allein dazu nicht.

Hochschule Baden-Württemberg & Steinbeis-Hochschule Berlin & ZEB, Corona-Einfluss auf die Teamarbeit, Juli 2020
Hackl, Benedikt & Hasebrook, Joachim & Rodde, Sibyll. (2020). In der Krise sinkt die Teamleistung, in personalmagazin, 08/2020, S. 54-56.



In der Krise zwischen zeitlichen Mehrkapazitäten und verringertem Sozialleben


Während der Coronapandemie – auch aufgrund der Kitaschließungen – nahmen 18 % der Eltern Probleme mit ihren zeitlichen Ressourcen wahr, 27 % verfügten hingegen über mehr zeitliche Ressourcen. Über 35 % klagten über Nachteile im Sozialleben, 13 % waren zufriedener mit ihrem Privatleben. Zu den Vorteilen zählten zudem für 5 % positive Effekte im finanziellen Bereich, weitere 5 % fühlten sich weniger gestresst.

TopKita, Effekte der Coronapandemie auf Eltern, Juli 2020
www.topkita.de



Kurzfristig freinehmen: Im Handwerk (eigentlich) kein Problem


Handwerkliche Unternehmer und Beschäftigte sagten im Juni, dass 86 % der Arbeitgeber problemlos ermöglichen, etwa aus familiären Gründen kurzfristig einen Tag frei zu nehmen. Im Januar waren es noch 97 %, die diese Option im Unternehmen sahen.

Bei den befragten Beschäftigten ist die Differenz bzgl. der Einschätzung zwischen den Monaten relativ gering: Während im Januar 85 % der Mitarbeitenden es problemlos fanden, spontan einen freien Tag zu nehmen, waren es im Juni 81 %. Bei den Arbeitgebern verringert sich die positive Bewertung mit der Betriebsgröße ab 10 Beschäftigten deutlich: In Betrieben mit 5 bis 9 Beschäftigten sagen 87 % der Arbeitgeber, der freie Tag sei uneingeschränkt möglich; in Unternehmen mit 10 bis 99 Mitarbeitenden sagen dies 89 % der Arbeitgeber; in Betrieben mit 100 und mehr Beschäftigten stimmen dem nur 65 % der Arbeitgeber zu.

IKK classic & forsa-Institut, Freie Tage in handwerklichen Betrieben vor und während Corona, Juli 2020
https://www.lifepr.de/inaktiv/ikk-classic/IKK-classic-Im-Handwerk-sind-Beruf-und-Familie-kein-Gegensatz/boxid/809236



Ältere Beschäftigte: Negative Beeinflussung durch Stereotype


Vergesslicher und kognitiv weniger leistungsstark – mit diesen negativen Stereotypen werden ältere Beschäftigte konfrontiert. Die Studie zeigt, dass sich die betreffenden Mitarbeitenden ihrer Organisation und den Kolleg*innen weniger zugehörig fühlen, wenn sie diese „50plus-Stereotype“ verinnerlichen.

Je stärker der eigene Glaube an die Klischees ausgeprägt ist, desto geringer ist das berufliche Engagement und die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz. Die Folge ist, dass ältere Beschäftigte ihr berufliches Potenzial nicht mehr ausschöpfen.

Universität Basel, Mitarbeitende 50plus und negative Stereotype, März 2020
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Wenn-sich-Aeltere-bei-der-Arbeit-ausgeschlossen-fuehlen.html


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