Mittwoch, 30. August 2023

Vereinbarkeit in Zahlen: Mental Load und andere Herausforderungen

Stichwörter aus der Arbeitswelt (©berufundfamilie Service GmbH)

Jede*r zweite Beschäftigte kündigt bereits im ersten Jahr, häufiger Auslöser: Unzufriedenheit mit der Führungskraft. Der Mental Load ist bei erwerbstätigen Frauen* besonders hoch. 57 % der Eltern hatten mit verkürzten Öffnungszeiten oder Schließungen in der Kinderbetreuung zu kämpfen und Diversity-Maßnahmen verringern den Gender Pay Gap. Mehr frische Zahlen aus der Arbeitswelt in unserer August-Ausgabe der Blogreihe „Vereinbarkeit in Zahlen".


Fehlzeiten wegen seelischer Leiden steigen weiter


Eine Untersuchung der KKH Kaufmännischen Krankenkasse zeigt, dass Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen im ersten halben Jahr um 85 % gestiegen sind. Nicht nur die Fehlzeiten erhöhten sich massiv, auch die Zahl der Personen, die sich wegen seelischer Leiden länger krankschreiben ließen, ist gewachsen. So erhöhte sich die Arbeitsunfähigkeitsquote im Vergleich zu 2022 um 32 %. Die längsten Fehlzeiten hatten ihre Ursache in wiederkehrenden Depressionen und depressive Episoden. Krankgeschriebene Beschäftigte litten zudem mehrheitlich unter akuten Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, die Arbeitsunfähigkeitsquote lag hier bei 42 %.

KKH Kaufmännische Krankenkasse, Fehlzeiten wegen Depressionen & Co. stark gestiegen, August 2023 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/krankenkasse-psychische-belastungen-100.html




57 % der Eltern hatten mit verkürzten Öffnungszeiten oder Schließungen in der Kinderbetreuung zu kämpfen


Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur Kinderbetreuung offenbart: Eltern fehlt es an Verlässlichkeit. Gut 57 % der befragten Eltern waren in diesem Frühjahr von Kürzungen der Betreuungszeiten und/oder sogar zeitweiligen Schließungen der Einrichtung aufgrund von Personalmangel betroffen. So waren 38 % von Schließungen betroffen und 47 % von verkürzten Betreuungszeiten. Das stellte eine Herausforderung für viele der Eltern da. 67 % der Befragten äußerten, dass sie diese Verkürzungen bzw. Schließungen als belastend empfanden. Für 30 % waren sie sogar sehr belastend. Knapp 50 % der Mütter* und Väter* haben während der Schließungen bzw. Kürzungen Urlaub genommen oder Überstunden abgebaut, um die Kinderbetreuung zu stemmen. Knapp 30 % reduzierten ihre Arbeitszeit zeitweise.

Bei der Übernahme der Betreuung zeigt sich der Gender Care Gap: Während 63 % der befragten Väter* in heterosexuellen Beziehungen sagten, dass ihre Partnerin bei der Kinderbetreuung eingesprungen sei, äußerten das nur 33 % der Mütter* über ihren Partner.

Hans-Böckler-Stiftung, Erwerbspersonenbefragung, August 2023
https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-kinderbetreuung-51190.htm



2/3 der Mütter* mit minderjährigen Kindern arbeiten


Immer mehr Mütter* von minderjährigen Kindern sind erwerbstätig. Ihr Anteil stieg in den vergangen 18 Jahren deutlich, so gehen 2/3 (69 %) der Mütter* nun einer Erwerbstätigkeit nach. Dies belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Bei den Vätern* stieg der Anteil geringer um 4 % auf 92 %. Es zeigt sich allerdings, dass viele Mütter* in Teilzeit arbeiten, während Väter* eher Vollzeitjobs nachgingen. Bei 65 % der Paaren war die Verteilung so. Lediglich bei 2 % der Paare war die Mutter* in Vollzeit tätig und der Vater* dafür in Teilzeit. Bei 27 % hatten beide einen Vollzeitjob und bei 5 % beide einen Teilzeitjob. Bei 66 % der Paare mit minderjährigen Kindern arbeiteten beide Elternteile. Bei rund ¼ (26 %) war nur der Vater* erwerbstätig und bei 3 % ausschließlich die Mutter*.

Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, August 2023 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/erwerbstaetigkeit-muetter-100.html


Mental Load bei erwerbstätigen Frauen* besonders hoch


Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Frauen* wenden nicht nur mehr Zeit als Männer* für Care-Aufgaben auf, sondern sie übernehmen auch das Gros der Alltagsorganisation. Diese Alltagsorganisation neben Erwerbsarbeit führt zu viel unsichtbarer Denkarbeit, auch Mental Load genannt. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einer Partnerschaft von Beschäftigten überwiegend die Frau* um die Alltagsorganisation (z.B. Einhaltung privater, Termine, Einkaufslisten etc.) kümmert, bei 62 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass das die Aufgabe des Mannes* sei, liegt dagegen nur bei 20 %. Bei Frauen*, die in Teilzeit arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit höher als bei Vollzeitbeschäftigten. Allerdings liegt sie auch bei Frauen* in Vollzeit bei 57 %. Sind Kinder Teil des Haushalts, steigt die Diskrepanz zwischen Frauen* und Männern* noch mehr. So übernehmen arbeitende Frauen* mit Kindern mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 % den Großteil des Alltagsmanagements.
Im Rahmen der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung wurden rund 2.200 erwerbstätige oder arbeitsuchende Personen zum Thema Mental Load befragt.

Hans-Böckler-Stiftung, Alltagsorganisation bei Paaren und Familien: Erwerbstätige Frauen übernehmen den Löwenanteil. https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-alltagsorganisation-bei-paaren-und-familien-51349.htm


Jede*r zweite Beschäftigte kündigt bereits nach einem Jahr


Eine aktuelle Meinungsumfrage des Job-Netzwerks XING gemeinsam mit Appinio befasst sich mit schnellen Kündigungen von Beschäftigten und den Gründen dafür. Das Ergebnis: ¾ der deutschen Arbeitnehmer*innen waren schon einmal im neuen Job unzufrieden und jeder*r Zweite kündigte daraufhin in der Probezeit bzw. im ersten Jahr. Dabei kündigten Männer* (52 %) tendenziell öfter früher als Frauen* (48 %). Schaut man auf die Generationen kündigten Beschäftigte, die der Generation Y angehörigen, am häufigsten innerhalb der ersten 12 Monate. 58 % von ihnen gaben an, einen Arbeitgeber bereits innerhalb des ersten Jahres verlassen zu haben. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass jüngere Beschäftigte bei Unzufriedenheit im neuen Job schneller kündigen als ältere Beschäftigte (47% Generation X, 44% Babyboomer).

Doch was sind die Gründe für die schnelle Kündigung? 43 % der Befragten kündigten, weil das Gehalt zu niedrig war, ebenfalls 43 % waren mit der Führungskraft unzufrieden und bei 34 % der Befragten war eine schlechte Teamkultur der Auslöser zur Kündigung. Weitere Gründe für eine frühe Kündigung waren unter anderem Unzufriedenheit mit den Arbeitsaufgaben (34%), ein zu hohes Stresslevel (30%) sowie zu viele Überstunden (26%).

Auch bei den Kündigungsgründen zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede: Männer* kündigten am häufigsten aufgrund des als zu niedrig empfundenen Gehalts (49 %), Frauen* dagegen eher wegen der Unzufriedenheit mit der Führungskraft (43 %) oder der Teamkultur (35 %). Blickt man auf die Generationen zeigen sich ebenfalls Unterschiede. Die Gen Z kündigte häufiger aufgrund des Gehalts und der Unzufriedenheit mit der Teamkultur als ältere Beschäftigte (Babyboomer). Bei einem Auslöser sind sich die Generationen allerdings einig: Für rund 46 % beider Generationen ist die Unzufriedenheit mit der Führungskraft ein Kündigungsgrund. Die Studie zeigt auch, treffen die Beschäftigten die Entscheidung zur Kündigung, bereuen sie diese in der Regel auch nicht. 80 % der Befragten empfanden die frühe Kündigung als richtig. Dass die verfrühte Kündigung sich gelohnt hat, zeigt auch, dass 91 % der Beschäftigten sagten, im nachfolgenden Job zufriedener zu sein.

XING/ Appinio, Job-Frust in Deutschland: Jeder Zweite wirft schon nach einem Jahr hin – Gründe lassen tief in Arbeitskultur blicken, Juli 2023
https://www.xing.com/news/articles/job-frust-in-deutschland-jeder-zweite-wirft-schon-nach-einem-jahr-hin-grunde-lassen-tief-in-arbeitskultur-blicken-5918739?kut=cc460a97-dfa1-4804-895b-7f1c34e0dd8a&via=true



Viele Beschäftigte 50+ möchten auch nach der Rente noch arbeiten

Die aktuelle Arbeitsmarktstudie „Karriere 50 plus“ der Königsteiner Gruppe offenbart, dass viele Beschäftigte 50+ gerne auch nach dem Ruhestand arbeiten möchten. 43 % der Befragten im Alter von 50-64 können sich vorstellen, auch im Rentenalter weiter in Teilzeit zu arbeiten, 17 % sogar in Vollzeit. Diejenigen, die weiterarbeiten möchten, zeigen sich zudem offen für einen Arbeitgeberwechsel. So ist es für 60 % irrelevant, ob sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber bleiben oder den Arbeitgeber wechseln, 19 % planen sogar einen Arbeitgeberwechsel.
 
Je nach Bildungsstand offenbaren sich zudem Unterschiede: Lediglich 12 % der Nichtakademiker*innen möchten in Vollzeit weiterarbeiten und 38 % in Teilzeit. Bei Akademiker*innen liegt der Anteil derer, die in Teilzeit nach der Rente weiterarbeiten möchten, bei 48 %, eine Vollzeittätigkeit können sich 22 % vorstellen. Viele der Nichtakademiker*innen planen eine Weiterbeschäftigung auf Minijob-Basis (48%), bei den Akademiker*innen liegt dieser Anteil bei 33 %.
Für die Umfrage wurden insgesamt 1.094 Beschäftigte im Alter von 50 bis 65 befragt.

Königsteiner Gruppe Arbeitsmarktstudie „Karriere 50 plus“ , Juli 2023
https://presse.koenigsteiner.com/2023/07/19/weiter-in-teilzeit-nach-dem-ruhestand/


Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten wollen bei Teilzeit bleiben


Ein Großteil (75 %) der Teilzeitbeschäftigten möchte dauerhaft in diesem Arbeitszeitmodell bleiben, das zeigt eine Studie des Marktforschungsinstituts Bilendi für das Portal Meinestadt.de. Demnach gaben nur 25 % der Befragten an, dass sie irgendwann in Vollzeit arbeiten möchten. 30 % der befragten Teilzeitler*innen äußerten zudem, dass sie eine Teilzeitbeschäftigung gewählt haben, um mehr Lebensqualität oder Zeit für andere Interessen und Projekte zu haben. Allerdings fühlen sich auch einige Beschäftigte dazu gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten. So gaben 7 % an, dass sie schlichtweg keinen Vollzeitjob finden konnten. 54 % der Teilzeitbeschäftigen – und damit die Mehrheit – arbeiteten aus familiären oder gesundheitlichen Gründen in Teilzeit. 34 % der Befragten taten es aus Gründen der Kindererziehung, 15 % wegen Erkrankung und 5 % wegen der Pflege von Angehörigen.

An der Umfrage nahmen 3.000 Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung teil, von denen 829 Teilzeitkräfte waren, die mindestens 20 Stunden die Woche arbeiten. Akademiker*innen wurden nicht befragt.

Bilendi/meinestat.de, Teilzeit, August 2023
https://www.zeit.de/arbeit/2023-08/teilzeit-beschaeftigung-fachkraefte-vollzeit



Home-Office weiter fester Bestandteil für viele Beschäftigte

Home-Office ist im Arbeitsalltag vieler Beschäftigter fest etabliert und die befragten Arbeitgeber rechnen mit einer Ausweitung der Nutzung. Das zeigt eine Umfrage des Wirtschaftsinstituts ZEW unter 1.500 Organisationen. So arbeiten 80 % der Beschäftigten in der Informationswirtschaft mindestens einmal in der Woche von zuhause aus. Im verarbeitenden Gewerbe, das mehr Präsenz erfordert, liegt der Anteil bei 45 %. Durchschnittlich arbeiten derzeit genauso viele Beschäftigte mindestens einmal wöchentlich im Home-Office wie in den vergangenen drei Corona-Jahren. Vor der Pandemie lag der Home-Office-Anteil in der Informationswirtschaft bei 48 % und im verarbeitenden Gewerbe bei 24 %.

ZEW-Studie, August 2023
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/homeoffice-umfrage-zew-100.html



Für 72 % der Beschäftigten verbessert Home-Office die Work-Life-Balance


Die dritte Auflage der PwC-Home-Office-Studie liefert spannende Erkenntnisse. Für die Studie wurden insgesamt 125 Arbeitgeber und 600 Beschäftigte von deutschen Organisationen zu Erfahrungen mit dem Arbeiten im Home-Office und möglichen Auswirkungen auf die genutzte Bürofläche. Es zeigt sich, dass Home-Office als Arbeitsortmodell fest etabliert ist: 62 % der Beschäftigten sind mindestens einmal in der Woche im Home-Office. Im Durchschnitt verbringen die Befragten etwas mehr als die Hälfte ihrer Arbeitswoche im Home-Office. Auch die Wahrnehmung hinsichtlich der Produktivität im Home-Office ist durchweg positiv. So sagten 94 % der Arbeitgeber, dass die Produktivität der Arbeitnehmenden im Home-Office mindestens genauso hoch oder höher sei als im Büro. Diese Einschätzung teilen 3 von 4 Beschäftigten.

Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben scheint sich durch das Home-Office zu verbessern. So gaben 71 % der Befragten an, dass sie dadurch eine höhere Lebensqualität hätten und 72 % eine bessere Work-Life-Balance. Vermehrtes Home-Office führt zu einer geringeren Büroauslastung. So lag die Büroauslastung bei den befragten Arbeitgebern durchschnittlich bei 45 % - somit blieb die Hälfte der Büroflächen ungenutzt. Aufgrund dessen plant die Mehrheit der Organisationen eine Anpassung der Büroflächen an diese neuen Anforderungen.

PwC, Home-Office Studie, 3. Auflage, August 2023
https://www.pwc.de/de/pressemitteilungen/2023/home-sweet-homeoffice.html



Diversity-Maßnahmen verringern Gender Pay Gap


Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung zeigt, dass Diversity-Maßnahmen einen positiven Effekt auf den Gender Pay Gap haben. So lässt jede untersuchte Diversity-Maßnahme das Gehalt von Frauen* im Durchschnitt um 3,5 % steigern. Damit verringert sich die Verdienstlücke zwischen Männern* und Frauen* innerhalb einer Organisation um 2,5 %. Für die Erkenntnisse der Studien wurden alle Daten des IAB-Betriebspanel für die Jahre, 2004, 2008, 2012 und 2016 angeschaut und für die Berechnung der innerbetrieblichen Zahlen Vollzeitbeschäftigte mit einer ähnlichen Bildung, Arbeitsmarkterfahrung, Betriebszugehörigkeitsdauer und einem vergleichbaren Alter gegenübergestellt. Die Forschenden definierten dabei betriebliche Kinderbetreuungsangebote, Angebote an Beschäftigte, die wegen Elternzeit freigestellt sind, gezielte Förderung des weiblichen Nachwuchses und Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Diversity-Maßnahmen.

2004 hatte gerade einmal ¼ der Organisationen solche Maßnahmen eingeführt, 2016 lag der Anteil bei 40 %. Bei Organisationen, die keine dieser Maßnahmen ergriffen, lag der Gender Pay Gap bei 21,6 % im Durchschnitt. Bei Arbeitgebern mit ein bis zwei der genannten Maßnahmen lag die Verdienstlücke bei 19,2 %, bei Arbeitgebern mit drei bis vier Maßnahmen, waren es noch 11, 8 %. Welche der Maßnahmen durchgeführt wurden, war für die Verringerung des Gender Pay Gaps dabei irrelevant. Spannendes Ergebnis: Der positive Effekt solcher Maßnahmen lässt sich nur in westdeutschen Organisationen feststellen, bei Organisationen in Ostdeutschland dagegen nicht. Das führen die Forschenden auf bessere Rahmenbedingungen (z.B. flächendeckende Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Unter-Dreijährige) im Osten Deutschlands zurück.

IAB, Wirken sich Diversity-Aktionen auf den Gender Pay Gap aus?, August 2023 https://www.personalwirtschaft.de/news/verguetung/wirken-sich-diversity-aktionen-auf-den-gender-pay-gap-aus-161598/

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