Freitag, 31. Mai 2024

#VereinbarkeitsVibes: Die Einsamkeitsfalle

Remote Work hat zahlreiche Vorteile, birgt aber auch die Gefahr von Vereinsamung (Quelle: Polina Sirotina on pexels.com)

Aus dem Einsamkeitsbarometer des Bundesfamilienministeriums ergeben sich einige Fragen für unsere moderne Arbeitswelt. Was tun, wenn Remote Work einsam macht? Wie können sich Arbeitgeber im Kampf gegen Einsamkeit verantwortlich gegenüber ihren Beschäftigten zeigen? Unsere Kollegin Silke Güttler möchte mit ihren heuten #VereinbarkeitsVibes Arbeitgeber anstupsen, darüber nachzudenken und idealerweise auch zu handeln.

Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend stellte in dieser Woche das Einsamkeitsbarometer vor. Das Einsamkeitsbarometer ist laut des Ministeriums „die erste umfassende Analyse des Einsamkeitserlebens der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren. Die Langzeitanalyse ist Teil der „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“ und wurde auf Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP – jährliche repräsentative Wiederholungsbefragung von Privathaushalten) mit Daten von 1992 bis 2021 durch das vom BMFSFJ geförderte „Kompetenznetz Einsamkeit“ am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik aufbereitet.“[1]

Welche Definition von Einsamkeit die Grundlage der Analyse bildet, legt das BMFSFJ auch dar: „Das Gefühl von „Einsamkeit“ beschreibt die als unangenehm empfundene Erfahrung von als unzureichend empfundenen eigenen sozialen Beziehungen (der Qualität oder der Menge nach). Betroffene haben das Gefühl, dass ihnen oft die Gesellschaft anderer fehlt.“[2]

Zu den zentralen Ergebnissen zählt, dass insbesondere ältere und jüngere Personen Einsamkeit verspüren. Zudem fühlten sich mehr Frauen (2017: 8,8%, 2020: 33,2%, 2021: 12,8%) als Männer (2017: 6,6%, 2020: 23,1%, 2021: 9,8%) einsam. Und es zeigte sich, dass Personen, die intensiv Care-Aufgaben nachgehen von sogenannten „gehobenen Einsamkeitsbelastungen“ betroffen sind. Insbesondere seien dies Alleinerziehende und informell Pflegende.

Personen mit Sorgeaufgaben besonders von Einsamkeit betroffen


Mit Blick auf die Sorgeaufgaben hat das BMFSFJ folgende Handlungsempfehlungen formuliert:

„Care Arbeit, ob in Form der Kindererziehung und -betreuung oder Versorgung pflegebedürftiger Personen, steht in einem deutlichen Zusammenhang mit Einsamkeit. Alleinerziehende sowie pflegende Personen sind deutlich häufiger von Einsamkeit betroffen als Personen, die sich die Kindererziehung mit einer anderen Person teilen beziehungsweise keine pflegebedürftigen Personen versorgen. Wichtig sind daher gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehören die Stärkung einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung in der Familie, verlässliche Kinderbetreuung und eine familienfreundliche Arbeitswelt. Da in den betroffenen Gruppen Frauen überproportional vertreten sind (Müller & Samtleben, 2022), besteht hier eine wichtige Schnittstelle zwischen einer Politik gegen Einsamkeit und der Gleichstellungs- und Familienpolitik. Zudem sind Erziehende und Pflegende von Armut bedroht und weisen somit eine wichtige Schnittstelle zwischen Armutsbekämpfung und Einsamkeitsprävention auf, die bei der entsprechenden Politikgestaltung Beachtung finden sollte.“[3]

Es stellt sich die Frage, inwieweit der Berufsalltag der Einsamkeit Nährboden gibt. Da die berufundfamilie das Jahresmotto „Verantwortung reloaded: Wer, was, wieviel?“ hat, sei dann auch die Frage erlaubt, was konkret Arbeitgeber tun können, um Verantwortung hinsichtlich der Fürsorge für Mitarbeitende zu zeigen, indem sie das Vereinsamungspotenzial im beruflichen Kontext einzudämmen versuchen.

Digitalisierung darf nicht in die Einsamkeitsfalle führen


Schauen wir noch einmal auf Alleinerziehende und informell Pflegende. Gehen diese einer Beschäftigung nach, ist ihr Tag komplett ausgefüllt. Für soziale Interaktionen mit Freund*innen oder Bekannte bleibt oft wenig bis gar keine Zeit. Zu unterschätzen dürfte aber auch nicht das Potenzial von Einsamkeit bei Beschäftigten sein, die keine familiären oder Sorgeaufgaben im engeren Sinne haben. Nicht jede*r von ihnen ist automatisch sozial stark aktiv. Statistiken zeigen, dass deutlich mehr Kinderlose in Vollzeit arbeiten als diejenigen mit betreuungsbedürftigem Nachwuchs. Das berufliche Engagement kann dabei so fordernd sein, das private Belange vernachlässigt werden und soziale Interaktionen in diesem Bereich reduziert sind.

Was alle Beschäftigten, die keiner reinen Präsenzarbeit nachgehen, gleichermaßen betrifft, ist sicherlich die Reduzierung der Face-to-Face-Kontakte durch Home-Office bzw. Remote Work. So sehr uns die Digitalisierung dabei unterstützt, von einem anderen Ort aus zu arbeiten und so die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben unterstützen kann; sie birgt dennoch die Gefahr der Entfremdung von Kolleg*innen und eines geringeren Zugehörigkeitsgefühls zu Team und Organisation.

Es fehlt die unmittelbare Interaktion mit Kolleg*innen, der inoffizielle Austausch in der Kaffeeküche, am Kopierer oder beim Mittagessen. Es fehlt das „Schnell-mal-die-Köpfe-Zusammenstecken“ und sich Tipps geben; denn zum Hörer zu greifen oder einen Videotalk zu starten erscheint oft aufwändiger als ins Büro nebenan zu gehen. Da kann man dann gleich checken, ob eine Zwischenfrage passt und muss nicht das Gefühl haben, sich durch einen Anruf aufzudrängen. Es fehlen dann auch oft die Brainstormings im Team mit Pinnwand und Kärtchen – das was uns oft kreativer agieren lässt.

Schon während der akuten Coronajahre stellten Führungskräfte fest, dass das Miteinander durch Remote Work stark litt, und damit auch die Produktivität und Innovationskraft der Teams.

Was können Arbeitgeber also tun, um den Austausch zu fördern und damit die berufliche und auch die private Einsamkeit nicht ausufern zu lassen? Eine Zwangsverordnung zum „Zurück ins Büro“ kann es nicht sein. Damit würden die vielen Vorteile des Remote Work und des Home-Office – wie konzentriertes Arbeiten, Einsparung von Wegezeiten und letztendlich eine bessere Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem – negiert.

Teamzusammenhalt und Austausch unter Kolleg*innen zu fördern ist also auch ein Mittel, Einsamkeit zu bekämpfen. Grundsätzlich lohnt es sich immer für Arbeitgeber, zunächst einmal ein Gefühlt dafür zu bekommen, ob und wie stark der Schuh „Einsamkeit“ bei den Beschäftigten drückt. Dies kann mit Hilfe einer psychischen Gefährdungsbefragung erfolgen. Das Thema Einsamkeit ließe sich auch direkt ansprechen und dazu Kurzumfragen aufsetzen oder in kleineren Teameinheiten dazu in den Austausch gehen – also als Gesprächszirkel.

Bezüglich der Projektgestaltung können durchaus Regeln aufgestellt werden: Wie oft sollte sich das Team persönlich zusammensetzen? Und wann sind persönliche Meetings angezeigt? Macht z.B. ein einwöchiger Rhythmus Sinn oder bei bestimmten Projektschritten?

Wie sieht es mit – den mittlerweile nicht mehr ganz so neuen – virtuellen Coffee Dates aus, bei denen Kolleg*innen wöchentlich einander zugelost werden und sich im Online-Meeting über Privates oder auch berufliche Herausforderungen sowie positive Entwicklungen austauschen, wenn es zu einem physischen Meeting nicht kommt? Teamtage sind immer gut – wenn sie nicht völlig inhaltslos daherkommen. Regelmäßig miteinander essen ist prima. Noch besser wäre es, an den gemeinsamen Schmaus ein Format anzuhängen, das Jobthemen aufgreift – sei es konkrete laufende Projekte ins Visier nimmt oder zur Erarbeitung von neuen Themen oder Produkten genutzt wird. Denn gerade die gemeinsame Gestaltung von Dingen, die einen Fortschritt darstellen, gibt Impulse für den Zusammenhalt und kann stark motivierend wirken.

Es gibt bestimmt unzählige weitere Ideen, wie das Miteinander gestärkt und so der Vereinsamung von einzelnen Beschäftigten ein Stück weit entgegengewirkt werden kann. Lassen Sie uns gerne an diesen Teil haben und schreiben Sie uns unten.

Gemeinsam gegen die Einsamkeit.



[1] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/bundesministerin-paus-stellt-erstes-bundesweites-einsamkeitsbarometer-vor-240542

[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/bundesministerin-paus-stellt-erstes-bundesweites-einsamkeitsbarometer-vor-240542

[3] Einsamkeitsbarometer 2024 – Langzeitentwicklung von Einsamkeit in Deutschland, BMFSFJ, Mai 2024, S. 38; https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/einsamkeitsbarometer-2024-237576

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