Dienstag, 15. Mai 2018

Gastbeitrag: Familie verändert Unternehmen


Vorstände und die oberste Führungsebene definieren im Auditierungsprozess den Familienbegriff

Während in den 50er Jahren in Deutschland noch die Kernfamilie, bestehend aus verheirateten Eltern und ihren Kindern, die Regel war, ist Familie heute vielfältiger geworden. Mit dem gesellschaftlichen Wandel der Familie ist die Verantwortung für die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben für Unternehmen gestiegen. Stellt sich ein Unternehmen dem audit berufundfamilie, legt die oberste Führungsebene fest, was sie unter „Familie“ versteht. Sigrid Bischof, Auditorin der berufundfamilie, erläutert am heutigen Internationalen Familientag (15.05.2018), wie sich der Familienbegriff in der Arbeitswelt gewandelt hat und was die Diskussion in der Führungsebene auslöst.



Als Auditorin der berufundfamilie habe ich schon viele Unternehmen, Institutionen und Hochschulen beraten, mit welchen Maßnahmen sie ihre Personalpolitik dahingehend stärken können, dass die dortigen Mitarbeiter*innen Beruf, Familie und Privatleben vereinbaren können. Entschließt sich ein Unternehmen für die Auditierung zum audit berufundfamilie, ist es ein fester Bestandteil, dass die Unternehmensleitung und obersten Führungskräfte ein gemeinsames Verständnis von Familie festlegen. Sie diskutieren die Frage, an wen gedacht wird, wenn im Unternehmen von „Familie“ die Rede ist.

Indem im strategischen Kreis der Organisation das gemeinsame Verständnis von Familie festlegt wird, entsteht eine Art Mini-Leitbild.

 

Familie wird heute in Unternehmen breit diskutiert

Wie in der Gesellschaft hat sich auch in den Unternehmen der Familienbegriff über die Jahre weiterentwickelt. Zu meinen Anfängen als Auditorin der berufundfamilie war es noch gängige Praxis, die Bedeutung der generationsübergreifenden Kernfamilie zu betonen. Dabei wurden jedoch die individuelle Lebensentwürfe ihrer Beschäftigten ausgeblendet: Alleinlebende, Alleinerziehende, Lebenspartnerschaften, Patchwork-Familien, multilokale Mehrgenerationenfamilien, nahe Angehörige, enge Freunde als Wahlfamilien, mit und ohne Kinder, heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften haben damals im unternehmerischen Familienverständnis keinen Platz gefunden.

Heute wird der Begriff in den meisten Fällen breit gefasst und die Leitfrage diskutiert: „Für wen übernehmen wir auf Dauer angelegt Verantwortung?“

Ein Leitungskreis einer Hochschule ging noch einen Schritt weiter und einigte sich darauf, den Familienbegriff unter unterschiedlichen Sichtweisen zu thematisieren: biologisch, sozial, psychologisch, rechtlich und vom lateinischen Ursprung des Wortes her - Famulus, der Diener.

Wenn Vorstände und Geschäftsführer über Familie diskutieren

Während der Diskussion entsteht eine spannende Stimmung im Raum. Je nach Organisationskultur und persönlicher Sozialisation der einzelnen Führungskräfte ergeben sich durchaus unterschiedliche Meinungen, die manchmal auch heiß diskutiert werden.

Es ist ja nicht die tägliche Aufgabe von Vorstände und Geschäftsführungen über Familie zu sprechen.

Und manchmal ist das eine der wenigen Gelegenheiten, sich selbst in einem persönlicheren Thema auszutauschen. Da hört man dann schon mal: „Mein Bruder gehört nicht mehr zu meiner Familie, er hat doch seine eigene“ oder „Ich betreue und pflege meine Wahltante, sie ist nicht mal mit mir verwandt“.

Im weiteren Auditierungsprozess spreche ich persönlich mit verschiedenen Mitarbeiter*innen und stelle ihnen das Ergebnis der Diskussion vor. Ich frage sie dann: „Finden Sie sich in der Beschreibung wieder?“
Wenn der ein oder andere Beschäftigte nachfragt, aber am Ende alle zustimmen, kann die Leitung davon ausgehen, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Lebenslagen anspricht bzw. abholt.
Familie ändert sich übrigens nicht nur in gesamtgesellschaftlich und in der Arbeitswelt. Sondern Familie und familiäre Verantwortung verändert sich im Laufe eines Lebens von jedem Menschen. So sind unsere Söhne groß und die Eltern von meinem Ehemann und mir leben nur noch in unseren Herzen. Damit bleibt mir private Zeit, mich um andere zu kümmern. Letztes Jahr habe ich meine Cousine, die alleine lebte, auf ihrem letzten Weg mitbegleitet. Seit zwei Jahren bin ich „Leih-Oma“ für zwei kleine Flüchtlingskinder und für eine junge Frau aus Afghanistan die Ersatzmama. Nun habe ich auch eine Tochter. Und letztlich gehöre auch ich zu meiner Familie, denn mit mir lebe ich am längsten.

  
Sigrid Bischof ist seit 2008 Auditorin der berufundfamilie. Sie berät seit Jahren erfolgreich Unternehmen, Institutionen und Hochschulen mit der Zielgruppe Geschäftsleitung, Vorstand und Abteilungsleitung. Außerdem ist sie Dozentin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe mit den Schwerpunkten Mitarbeiterführung, Personalmanagement und Teamkompetenzen.

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