Mittwoch, 4. September 2019

#VereinbarkeitsVibes: Der Obstkorb

Vitamine, Vitamine! – Gut gemeint, aber manchmal Stein des Anstoßes (©pixabay.com)

Was ein Obstkorb mit familien- und lebensphasenbewusster Personalpolitik zu tun hat? Was zunächst wie ein niederschwelliges BGM-Angebot erscheint, kann ganz erheblich das Gefühl der Wertschätzung bei den Beschäftigten fördern. Aber – so die Beobachtung von Silke Güttler, Leiterin Corporate Communications der berufundfamilie Service GmbH – der Obstkorb steht auch symbolisch dafür, dass so manche Vereinbarkeitsmaßnahme allzu schnell als selbstverständlich erachtet wird. Gedanken dazu in dieser Ausgabe der VereinbarkeitsVibes.

„Ein Unding, dass es schon am Mittwoch keine Bananen mehr gibt!“ – Über diese Beschwerde eines Beschäftigten sinnierten ein befreundeter Geschäftsführer einer Public Relations Agentur und ich neulich bei einem abendlichen Bier. Dahin geführt hatte uns die Frage, welche Wertschätzung Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben eigentlich durch die Beschäftigten erfahren. Wird manches vielleicht einfach zu schnell selbstverständlich?

Mein Freund fand den Obstkorb – also das kostenlose Angebot an die Belegschaft, sich Vitamine einzuverleiben – überhaupt nicht selbstverständlich. Irgendwann in grauer Vorzeit hatte es wohl mal am Empfang einen kleinen Obstvorrat gegeben. Der wurde zwischendurch aus Kostengründen abgeschafft. Dann besann man sich auf das betriebliche Gesundheitsmanagement und führte im größeren Stil die Maßnahme wieder ein. Die wird auch gerne genutzt – nur eben nicht zur Zufriedenheit Aller. Dem einen schmeckt die Auswahl an Obstsorten nicht, der nächste findet die Menge nicht angemessen. Über Geschmäcker kann man sich sicherlich streiten, aber auch über das Volumen des Angebots? Aber die eigentliche Frage ist doch: Können Beschäftigte verlangen, dass der Obstkorb auch noch am Freitag prall gefüllt ist? Oder sollten sie sich lieber damit zufrieden geben, dass es die Obstoffensive überhaupt gibt? Mal wieder ein Fall von „Statt das Vorhandensein zu schätzen, klagen wir gleich Verbesserungen ein.“? Und wenn man nicht aufpasst, gehen die geschätzten Kolleg*innen sogar so weit, einfach am Montag gleich mehrere Bananen zu bunkern, um über die Woche zu kommen. ;-)

Stimmungsaufheller Obst


Warum dieser Hype um den Obstkorb? Hier ein paar Studienergebnisse, die Aufschluss geben: Laut Umfrage des Lieferservices für Obst Ende 2017, schreiben 97 % der Beschäftigten einer regelmäßigen Obstversorgung einen hohen oder sehr hohen Stellenwert zu. Schließlich wirkt sich das Angebot von frischem Obst positiv auf den Arbeitsalltag aus: So verbessert sich laut der Umfrage die Stimmung im Team (33,7 %) und die Produktivität wird gesteigert (10 %). Zudem sinkt der Verzehr ungesunder Snacks (58,4 %) und mancher überträgt die gesunden Essensgewohnheiten auf zu Hause (18 %). Ein besonders zentrales Ergebnis: 56 % der Befragten sagen, dass die regelmäßige Obstversorgung das Gefühl der Wertschätzung verbessert.

Die ManpowerGroup-Studie Jobzufriedenheit 2019 zeigt ebenfalls: 20 % der Beschäftigten stimmen der Aussage zu, dass Unternehmen mit kleinen Aufmerksamkeiten – wie eben Obst aber auch Süßigkeiten – ihre Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten zeigen.

Und auch mit unserer Vorstudie „Generation Z und ihre Erwartungen an die zukünftige Arbeitswelt“ (berufundfamilie Service GmbH in Zusammenarbeit mit dem Campus M21 (Nürnberg), 2018) finden wir bei der jungen Generation Bestätigung für das tägliche Vitaminpaket am Arbeitsplatz: Was das Thema Gesundheitsförderung angeht, wünscht sich die GenZ an erster Stelle frisches Obst (80 % Zustimmung hinsichtlich der Wichtigkeit), gefolgt von ergonomischer Büroausstattung (77 % Zustimmung) und der Kooperation mit Fitnessstudios (54 % Zustimmung). Der Betriebsarzt ist ein „Nice to Have“, aber kein Muss. Ganz nach der Devise also: „An apple a day keep the doctor away.“ ;-)

Erwartungen managen


Der Obstkorb: Symbol für betriebliche Angebote, die sich selbstverständlich anfühlen, und erst dann so richtig Wertschätzung erfahren, wenn sie abgeschafft werden.

Man stelle sich nämlich vor, der Arbeitgeber stellt die tägliche Obstlieferung ein. Hmmm, dann wird es oft schwierig. Das ließe sich dann verargumentieren, wenn das Angebot nicht genutzt würde und ggf. noch durch zu hohe Kosten. Aber mit letztem Argument trifft man die Beschäftigten an einer besonders empfindlichen Stelle. Man spart also an ihrem Wohlbefinden…

Weit entfernt erinnert das an das Eltern-Kind-Zimmer-Dilemma, in dem manche Arbeitgeber stecken. Es gibt Fälle, im denen der extra zur Verfügung gestellte Raum – damit Beschäftigte in Notsituationen ihr Kind mit in die Organisation bringen können – nur selten (vielleicht 1 x im Monat) genutzt wird. Der Gedanke der Abschaffung des Angebots stößt erfahrungsgemäß allerdings auf Ablehnung in der Belegschaft, denn er geht mit dem Gefühl einer geminderten Wertschätzung einher. Arbeitgeber erweitern daher häufig die Funktion des Raums, z.B. als Kreativzone für Gruppenarbeiten.

Arbeitgeber stehen grundsätzlich immer vor der Herausforderung, den Beschäftigten gut begründet klar zu machen, warum welche Maßnahme ins Leben gerufen wird. Damit ist Erwartungsmanagement verbunden: Welches konkrete Angebot erwartet die Beschäftigten? Welchen Umfang hat es? Welche Grenzen des Machbaren, Finanzbierbaren sind zu beachten? Sollte die Situation eintreten, dass sich der Bedarf für eine familien- und lebensphasenbewusste Maßnahme deutlich verringert, muss auch ihre Existenz in Frage gestellt werden dürfen. Einmal eingeführt, heißt nicht, auf immer und ewig weiterführen. Bedarf und Wirtschaftlichkeit sind absolut ausschlaggebend. Das gilt auch für den Obstkorb.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen