Freitag, 8. November 2019

#wdv19: Aus der Praxis vereinbarkeitsbewusster Personalentwicklung und Kommunikation

In der ersten „Woche der Vereinbarkeit“ präsentieren zertifizierte Arbeitgeber unter dem Motto „Vielfalt voraus!“ ihre Praxisbeispiele (©berufundfamilie Service GmbH)

Freitag, der 8. November 2019 – der fünfte und leider letzte Tag unserer ersten „Woche der Vereinbarkeit“. Last but not least stellen wir heute hier Praxisbeispiele zu den Themenblöcken Personalentwicklung und Kommunikation dar, die wieder allesamt von Arbeitgebern stammen, die das Zertifikat zum audit berufundfamilie oder audit familiengerechte hochschule tragen. Und erneut gibt es eine Vielfalt an Lösungen. Vielfalt voraus!



Vereinbarkeitsbewusste Personalentwicklung


Edwards Lifesciences Services GmbH
Internationale Karriere als Mutter


Antje hatte im Januar 2012 angefangen, für Edwards Lifesciences als Senior HR Manager für Deutschland und Österreich zu arbeiten. Im April 2013 kam ihre zweite Tochter Emma auf die Welt und Antje hat dann für ein Jahr, mithin bis September 2014, während ihrer Elternzeit in Teilzeit gearbeitet. Noch während dieser Zeit wurde sie in ihre heutige Position, Dir. HR (EMEAC) befördert, ist dann mit der neuen Position zurück in Vollzeit gegangen und mit ihrer Familie für drei Jahre nach Nyon, Schweiz, umgezogen. Dem Wunsch der Familie folgend, kam Antje zusammen mit ihrer Familie Mitte 2018 wieder zurück an den Ammersee. An ihrer Führungsposition im Regional HR Leadership Team im Unternehmen hat dies aber nichts geändert.

Antje möchte vor dem Hintergrund der Unterstützung, die sie durch Edwards Lifesciences selbst erfahren hat, auch Vorbild und Förderer von Vereinbarkeit sein: „Ich bin Edwards sehr dankbar, dass ich eine spannende, internationale Führungsaufgabe ausüben kann und hierfür jederzeit die Unterstützung und das Vertrauen des Unternehmens erfahren habe. Das versuche ich auch meinem Team mitzugeben und habe immer ein offenes Ohr für ihre professionellen und privaten Belange.“

Stadtverwaltung Einbeck
Seminartag der Stadt Einbeck für alle


Im Oktober 2019 führte die Stadt Einbeck erstmalig ein Seminartag zeitgleich für alle Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung durch. Um zu verhindern, dass dienstliche Gründe einer Teilnahme entgegenstehen, wurde der Seminartag bereits frühzeitig angekündigt und die Verwaltung an diesem Tag geschlossen. Insgesamt fanden 19 verschiedene Seminare vor Ort mit verschiedenem Zeitumfang statt, so dass auch diejenigen teilnehmen konnten, die aufgrund familiärer Verpflichtungen sonst keine Möglichkeit dazu haben. Zu den Seminarthemen zählten z.B. der Umgang mit Konflikten im Arbeitsalltag, Changemanagement, Einführung in die Genderforschung, Stimme und Selbstbewusstsein, Mitarbeiterbindung, Resilienz, Stressbewältigung und Achtsamkeit. Alle Seminare konnten nach Interessenslage von allen Mitarbeiter*innen gebucht werden, wobei es erforderlich war, bei der Auswahl Prioritäten festzulegen. Anstoß für die Idee hat die letzte Mitarbeiter*innen-Umfrage gegeben, in der der Wunsch nach Fortbildungen geäußert wurde, von denen die Beschäftigten sowohl dienstlich als auch privat profitieren können. In diesem Jahr wurde erstmalig versucht, ausnahmslos allen Beschäftigten diesen Wunsch zu erfüllen.

Bei allen Gesprächen über Vereinbarkeit stellt die Stadt Einbeck fest, dass das Thema der gegenseitigen Wertschätzung immer von großer Bedeutung für alle Beschäftigten ist. Indem sie die Verwaltung für einen ganzen Tag komplett schließt, um allen Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, vor Ort eine Fortbildung zu besuchen, die ihren Interessen und Bedürfnissen entspricht, möchte sie ihrer Wertschätzung für die geleistete Arbeit Ausdruck verleihen. Ein zusätzlicher Bonus ist, dass die Beschäftigten Kompetenzen erwerben, die sowohl privat als auch dienstlich genutzt werden können. Möglich ist es, dass die Mitarbeiter*innen Kompetenzen und auch Interessen entdecken, die ihnen bislang so noch nicht bekannt waren. Schließlich helfen neue Impulse, eigene Standpunkte zu hinterfragen und den Blickwinkel zu ändern. Eventuell lässt sich so auch das Interesse der Beschäftigten am lebenslangen Lernen wecken bzw. vertiefen.

Zollverwaltung – Generalzolldirektion (GZD)
Mit Kind zur Fortbildung


Weiterbildung zu ermöglichen ist ein wichtiger Schlüssel, um für berufliches Fortkommen zu sorgen – auch für junge Eltern. Zu einem viertägigen Lehrgang, der in weiter Entfernung des Wohnortes stattfand, konnte eine Zöllnerin ihren vierjährigen Sohn mitnehmen. Ihr Partner ist ebenfalls berufstätig und konnte die Betreuung nicht übernehmen. Es wurde ein spezielles Eltern-Kind-Zimmer in der zolleigenen Unterkunft bereitgestellt. Die Zöllnerin nahm Kontakt zu einer lokalen Kita auf, die den Sohn während der vier Tage aufnehmen konnte. Die Betreuungskosten wurden vom Zoll übernommen.


Grenzenlose Möglichkeiten der Kommunikation


Capgemini Deutschland
Botschafterkonzept – BotschafterInnen auf Managementlevel zu Vereinbarkeit


Um Wissen und Maßnahmen aus dem audit berufundfamilie und Women@Capgemini vermitteln bzw. weitergeben zu können, entwickelte Capgemini Deutschland ein Botschafterkonzept. Seit Anfang 2019 sind auf Management- und Führungsebene nun Botschafter*innen angesiedelt, um alle Themen rund um Genderfragen und Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben in ihre Teams zu bringen. Insgesamt knapp 30 Botschafter-Tandems gibt es, die jeweils weiblich und männlich besetzt sind. Jeder Standort und jede Unit hat damit sein/ ihr eigenes Botschafter-Tandem. Zu ihren Aufgaben gehört die persönliche Ansprache von allen Beschäftigten in allen Units und an allen Standorten. Ihre Tätigkeit wird im Kommunikationsplan dokumentiert und es erfolgen regelmäßige Updates – auch an das gesamte Management.

Inzwischen gab es dank des Botschafterkonzepts über 30 Meetings, in denen Beschäftigte durch die Führungskräfte mit den Themen aus dem audit berufundfamilie und Women@Capgemini adressiert werden konnten. Mithilfe dieses Konzepts konnte sich Capgemini Deutschland auch die Auszeichnung „Bester Arbeitgeber für Frauen“ der Zeitschrift BRIGITTE und „Bester Arbeitgeber Familien“ der Zeitschrift ELTERN sichern.

Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Flexibility@EY & Role Models


Die Unternehmenskultur ist neben Flexibilität und Benefits essentiell für eine gelingende Vereinbarkeit. In kurzen Clips (ca. 3 Min.), die unter dem Dach „Flexibility@Work“ 2015 erstmals entstanden, stellen sich elf Beschäftigte samt Arbeitsmodell vor. Dabei kommen auch Team-/Familienmitglieder zu Wort. Für Authentizität wurden die Videos ohne Script gedreht. Klar wird: Die Gründe für die diversen Arbeitsmodelle sind vielfältig. 2,5 Jahre später berichten die Role Models erneut. Die Clips und Interviews wurden über eine wöchentliche Serie im internen Newsletter geteilt und stehen im Intranet bereit.

Dass die Clip-Serie erfolgreich ist, zeigt sich auch darin, dass sie eigeninitiativ durch die Mitarbeitenden vor Ort aufgegriffen wird: So wurde der Teilzeit-Kollege, der für seine Band auf ein Teilzeitmodell gewechselt hatte, später live für die Weihnachtsfeier des Berliner Büros gebucht. Mit den Clips etabliert EY eine wahrhaft flexible Unternehmenskultur, denn sie zeigen: Flexibles Arbeiten ist „the new normal“.

Die Videos sind auf YouTube unter „Flexibility@EY“ abrufbar.

Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
EY Kinderbuch


Wie unterstützt ein Unternehmen die Kommunikation zu den diversen beruflichen Aufgaben und das Verständnis für diese in den Familien der Mitarbeitenden? Den Beruf Wirtschaftsprüfer/in, Steuerberater/in und Unternehmensberater/in kindgerecht zu erklären, ist schließlich keine leichte Aufgabe. Dem EY Kinderbuch gelingt dies anhand einer Geschichte, in der EY einer Süßigkeitenfabrik aus der Patsche hilft. Das Buch beinhaltet auch einen Erklärteil mit Definitionen von Begriffen wie Steuern, Buchhaltung, etc. und allgemeine Unternehmensinformationen. Idee und Text für das EY Kinderbuch kamen ausschließlich von EY-Beschäftigten, was sich von anderen Unternehmen mit vergleichbaren Angeboten deutlich abgrenzt.

Mit dem EY Kinderbuch untermauert die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihr offenes Bekenntnis zur Familienfreundlichkeit und schenkt insbesondere Eltern positive Aufmerksamkeit. Und das kommt gut an: Seit der Veröffentlichung Anfang Februar 2018 kommen wöchentlich Bestellungen für das kostenlose EY Kinderbuch aus der Belegschaft rein – über 1.000 Exemplare wurden bereits verteilt. Insbesondere auch männliche Beschäftigte und Führungskräfte zeigen sich begeistert von diesem besonderen Kommunikationsmittel.

Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Meet the Parents


Das neue Konzept „Meet the Parents“ soll u.a. die Verweildauer von Beschäftigten nach der Elternzeit und junger Frauen vor der Familiengründung stärken. Bei „Meet the Parents“ berichten Mütter und Väter bei EY von Arbeitsmodellen, Kinderbetreuungslösungen, Aufgabenteilung in der Familie und Tipps für den Berufs- und privaten Alltag.

Die dazugehörige Broschüre „Meet the Parents – Wie Väter und Mütter bei EY Beruf und Familie vereinbaren“ enthält Portraits von 14 Müttern und zehn Vätern – über alle Geschäftsbereiche und Karrierestufen hinweg. Im internen Newsletter erscheinen sechs weitere Interviews und zwei Podcasts mit Top-Führungskräften (u.a. dem CFO). Die Materialien werden im Rahmen der Mutterschutz- und Elternzeitprozesse geteilt. Obwohl gerade erst eingeführt, integrieren schon jetzt die Geschäftsbereiche das Thema eigeninitiativ in ihre Bereichskommunikation.

Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG
Gelebte Chancengleichheit durch „Leichte Sprache“


In 2018 ließ Hellmann Worldwide Logistics im Zeichen der Chancengleichheit die vorher sehr bürokratisch anmutenden Betriebsanweisungen in eine „Leichte Sprache“ übersetzen. Das Unternehmen richtet sich damit im Sinne der Gleichberechtigung an alle Mitarbeitenden: vom Praktikanten bis zur obersten Führungskraft. In den Betriebsanweisungen wird z.B. der Umgang mit sensiblen Firmendaten oder das richtige Verhalten im Lager erklärt. Zu Beginn eines jeden Beschäftigungsverhältnisses erhält jede/r neue Kolleg*in diese Anweisungen zur Unterschrift, um zu dokumentieren, dass diese gelesen, verstanden und umgesetzt werden. Darüber hinaus hängen Betriebsanweisungen auch an zentralen Stellen, beispielsweise im Lager, aus.

Die „Leichte Sprache“ zeichnet sich vor allem durch kurze Sätze aus, in denen keine Fremdwörter vorkommen. Lange Wörter werden mit einem Bindestrich getrennt. Außerdem wird jede Aussage mit einem Piktogramm/ Bild untermauert, so dass der Sinn des Geschriebenen einfach zu erfassen ist. Die Schrift ist groß und durch einen deutlichen Zeilenabstand gut leserlich. Durch die Wahl des externen Partners, dem „Büro für leichte Sprache und Barrierefreiheit“, wurde zudem im Vorfeld gewährleistet, dass die Texte durch speziell geschulte Prüfer*innen auf leichte Verständlichkeit gesichtet wurden.

Stichproben und persönliche Gespräche mit Kolleg*innen haben bestätigt, dass das Verständnis der übersetzten Dokumente im Vergleich zu den Ausgangstexten deutlich gesteigert werden konnte.

Ziel ist es, mögliche Sprachbarrieren von Kolleg*innen mit Migrationshintergrund oder auch mit einer Leseschwäche zu minimieren und dadurch die Chancengleichheit zu erhöhen. Alle Beschäftigten sollen mit einem guten Gefühl in den Arbeitsalltag starten und dazu gehört zwangsläufig, dass man versteht, was man im Vorfeld unterschreibt. Hellmann Worldwide Logistics geht es neben dem ganz offensichtlichen Nutzen der guten Verständlichkeit somit auch um die Wertschätzung der Kolleg*innen. Dies wird ebenfalls in der Personalabteilung durch Gespräche nachgehalten. Hellmann Worldwide Logistics will u.a. mit dieser Maßnahme seinem Anspruch als integrativer Arbeitgeber gerecht werden.

Hochschule Rhein-Waal
Familienservicebüro


Die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) etablierte zu Anfang Oktober 2019 ein offizielles Familienservicebüro, in dem die vielfältigen Aspekte der Vereinbarkeit zusammentreffen – von Kinderbetreuung bis Pflege. Das feste Familienservicebüro bietet eine stetige Verankerung eines Familienservices an der HSRW. Es ist angesiedelt bei dem Gleichstellungsbüro und wird in Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsbeauftragten geführt. Dank des Familienbüros wird Familienfreundlichkeit an der HSRW nicht nur dauerhaft gesichert, sondern stetig weiterentwickelt. Das audit familiengerechte hochschule wird über das Familienservicebüro koordiniert und entsprechende Maßnahmen praktisch umgesetzt.

Bisherige Erfolge des Familienservicebüros sind z.B. das Elterncafé für Studierende, die Pflegeberatung, Beratung zu Kinderbetreuung, das Eltern-Kind-Zimmer, Veranstaltungen und Workshops, Ferienbetreuung, die Arbeitsgruppe Studieren mit Kind, mobile Spielekisten, der Moodlekurs mit Informationen zu Familienthemen und der Leitfaden „Studieren mit Kind“.

St. Elisabeth-Stiftung
Broschüre „St. Elisabeth-Stiftung in Vielfalt“


Gerade als katholische Stiftung ist der Umgang mit der zunehmenden Vielfalt in der Praxis immer wieder ein kritisch diskutiertes Thema. Für Fragen zu Aspekten wie andere oder keine Glaubenszugehörigkeit, geschiedene, wiederverheiratete und homosexuelle Mitarbeitende oder Bewerber*innen schaffte die St. Elisabeth-Stiftung Klarheit, indem sie Anfang Juli 2019 eine handliche und prägnante Broschüre mit kurzen Antworten unter dem Titel „St. Elisabeth-Stiftung in Vielfalt“ veröffentlichte. Die deutliche Botschaft dabei ist: Jeder Mensch ist so wie er ist einzigartig.

Mit der Broschüre unterstreicht die Stiftung, dass sie ein Klima der Offenheit fördern und die Werte, die sich aus ihrem Seelsorgekonzept ergeben, auch in der Praxis leben und als Vorteil verstehen will. Die Publikation sorgt für Klarheit in schwierigen Themen bezüglich der Vielfalt der Mitarbeitenden und ist Teil der eindeutigen Positionierung der St. Elisabeth-Stiftung als moderner, offener Arbeitgeber.




Die Maßnahmen wurden von den Arbeitgebern eingereicht und Dienstleister sowie Kooperationspartner ebenfalls von ihnen benannt. Wir bitten Letzteres nicht als Werbung zu verstehen, sondern als beispielhafte Erwähnung.

Sie möchten alle Praxisbeispiele, die in diesem Jahr in der „Woche der Vereinbarkeit“ präsentiert wurden, ansehen? Dann gehen Sie auf die „Galerie der guten Praxis“ auf unserer Website. Und auch auf Twitter (#wdv19, #wochedervereinbarkeit, #personalbewusst) gibt’s einiges zu entdecken. Dort haben wir die #wdv19 nämlich während des gesamten Aktionszeitraums (04. – 08.11.2019) begleitet.



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