Donnerstag, 28. September 2023

Vereinbarkeit in Zahlen: Vor neuen Phänomenen und altbekannten Problemen

Stichwörter rund um die Arbeitswelt (berufundfamilie Service GmbH)

50 % der Väter* würden gerne die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, nur 21 % können es tatsächlich.Vereinbarkeitsmaßnahmen werden immer wichtiger für die Arbeitgeberattraktivität und Personen mit Migrationshintergrund müssen ¼ mehr Bewerbungen schreiben, als Personen ohne Migrationshintergrund, trotz gleicher Qualifikation. Mehr aktuelle Studienergebnisse in unserer September-Ausgabe der Blogreihe „Vereinbarkeit in Zahlen“.




Jeder zweite Vater* möchte die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen


Der aktuelle Väterreport des Bundesfamilienministeriums zeigt den Wunsch vieler Väter* mehr an der Kinderbetreuung teilzuhaben. So würde jede*r zweite Vater* gerne die Hälfte der familiären Kinderbetreuung übernehmen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine Lücke: Während sich 50 % eben jene Aufteilung wünschen, ist sie nur für 21 % der befragten Väter* Realität. 10 % übernehmen bereits mehr als die Hälfte der Kinderbetreuung. Die Studie zeigt außerdem, dass längst nicht alle Väter* eine partnerschaftliche Aufteilung der Sorgearbeit befürworten. 1/3 der Väter* hält die traditionelle Aufteilung – also der Mann* arbeitet und die Frau* bleibt zuhause – für am besten. Knapp ¼ der Mütter* teilt diese Ansicht. Je höher der Bildungsabschluss, desto niedriger ist jedoch die Zustimmung zu dieser traditionellen Aufteilung. So finden 48 % der Väter* und 47 % der Mütter* ohne bzw. mit Hauptschulabschluss, die traditionelle Aufteilung am besten. Bei den befragten Vätern* mit Studienabschluss waren 24 % dieser Ansicht und bei den Müttern* 12 %.
63 % der Väter* sprechen sich dafür aus, dass beide Elternteile die gleichen beruflichen Chancen haben und finanziell unabhängig sein sollten.

Das spiegelt sich auch darin wider, dass immer mehr Väter* eine zunehmend positive Einstellung zur Berufstätigkeit von Müttern* haben. Es mangelt allerdings an der Unterstützung für viele berufstätige Mütter*. So sagen 35 % der Mütter*, dass es ihnen helfen würde, die Doppelbelastung von Beruf und Familie besser zu stemmen, wenn der Partner* sich stärker an der Hausarbeit und der Kindererziehung beteiligen würde.
Auch der Anteil der Väter*, die denken, dass kleine Kinder genauso gut durch den Vater* betreut werden können, wächst. So stieg dieser Anteil von 50 % im Jahr 2014 auf nun 55 % im Jahr 2023.

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, Väterreport 2023, September 2023
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport-2023-230376




Vereinbarkeitsmaßnahmen immer wichtiger für die Beschäftigtenbindung



Der aktuelle Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit zeigt, dass Vereinbarkeitsmaßnahmen immer wichtiger werden zur Beschäftigtengewinnung und -bindung. Der Unternehmensmonitor wird seit 2003 herausgegeben und blickt auf die Entwicklungen von betrieblichem Engagement für die Vereinbarkeit. Es werden Beschäftigte und Personalverantwortliche befragt. Für 86 % der Unternehmen sind familienfreundliche Maßnahmen von Bedeutung, im Vergleich zu 2015 erhöhte sich der Anteil um 8 %. 3/4 der Unternehmen haben in ihrer Fachkräftesicherungsstrategie mittlerweile explizit das Thema Vereinbarkeit verankert. 80 % der Personalverantwortlichen meinen zudem, dass die Bedeutung von Vereinbarkeit für die eigene Fachkräftesicherung weiter steigen wird.

Die Personaler*innen treffen hierbei den Nerv der Beschäftigten. Für das Gros der Beschäftigten ist ein familienfreundlicher Arbeitgeber wichtig und das unabhängig von eigenen Sorgeaufgaben. 82 % der Beschäftigten bewerten die Vereinbarkeit der eigenen Arbeitszeit mit familiären und sozialen Verpflichtungen im Allgemeinen als sehr gut oder gut. Ist dies nicht der Fall, ist die Wechselabsicht der Beschäftigten deutlich präsenter. Das bestätigen auch die befragten Personalverantwortlichen. Dort wo eine familienfreundliche Unternehmenskultur herrscht, ist die Fluktuation deutlich geringer. Die Förderung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gezielt für Väter* wird immer wichtiger. So steigt die Anzahl an Angeboten, die sich gezielt an Väter* richten. Die befragten Personalverantwortlichen erwarten daher, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter* in den nächsten Jahren zunehmend wichtiger wird.

Vereinbarkeit ist in den Unternehmen zunehmend ein zentrales Thema in der Führungskräfteentwicklung. Nach der Coronapandemie ist der Anteil von Unternehmen mit einer ausgeprägt familienfreundlichen Kultur auf über 50 % gestiegen. Jene Unternehmen nutzen Führungskräfte häufiger als Botschafter*innen für eine gute Vereinbarkeit und unterstützen Führungskräfte dabei, selbst die Angebote wahrzunehmen. Dies wird immer wichtiger, da immer weniger Beschäftigte führen möchten.

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend/ IW Köln, Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023, September 2023
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/unternehmensmonitor-familienfreundlichkeit-2023-229852




Menschen mit Migrationshintergrund müssen ¼ mehr Bewerbungen schreiben bei gleicher Qualifikation



Eine neue McKinsey-Studie zeigt, dass sich die Wertschöpfung in Deutschland um 100 Mrd. Euro erhöhen könnte durch mehr kulturelle Vielfalt in den Organisationen. Doch es besteht noch deutlicher Handlungsbedarf in Sachen Vielfaltsorientierung. So äußern 40 % der Beschäftigten, dass Ihr Arbeitgeber keine Maßnahmen für mehr kulturelle Diversität oder Inklusion ergriffen hat. Im Umkehrschluss arbeiten 60 % der Befragten bei Organisationen, die bereits über Maßnahmen für mehr Vielfalt und Inklusion verfügen. Laut Studie hat das Fehlen von Maßnahmen zufolge, dass Beschäftigte mit Migrationshintergrund nicht ihr volles Potenzial entfalten können. Sie erfahren 50 % mehr Diskriminierung am Arbeitsplatz, 24 % erhalten weniger Beförderungen und 25 % weniger Gehalt. Diese in der Befragung gemessene Gehaltslücke in Deutschland liegt erheblich über dem EU-Durchschnitt von 13 %.

Die Umfrage offenbart zudem, dass Menschen mit Migrationshintergrund ca. ¼ mehr Bewerbungen schreiben müssen, um ein Jobangebot zu erhalten und das bei gleicher Qualifikation. Besonders viel Aufwand müssen Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generationen betreiben: Sie schreiben im Schnitt 50 % mehr Bewerbungen, bevor sie ein Jobangebot erhalten. Auch Diskriminierung erfahren Beschäftigte mit Migrationshintergrund besonders häufig. Diese Diskriminierung hinterlässt Spuren. 64 % der diversen Talente haben deshalb bereits im letzten Jahr darüber nachgedacht, ihren Arbeitgeber zu wechseln. Wenn das Arbeitsumfeld nicht als integrativ wahrgenommen wird, dann liegt die Häufigkeit, dass Beschäftigte mit Migrationshintergrund einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen, doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Befragte mit Migrationshintergrund berichten zudem von geringeren Chancen auf Beförderungen. Die Anzahl lag um ¼ geringer als bei Befragten ohne Migrationshintergrund.

Für die repräsentative Studie wurden mehr als 2.000 Beschäftigte in Deutschland befragt, 75 % von ihnen hatten einen kulturell diversen Hintergrund. Die Befragten arbeiteten mind. 20 Stunden pro Woche in Organisationen mit über 2.000 Beschäftigten. Darüber hinaus waren sie im Alter zwischen 18 und 69 und besaßen mindestens das Abitur.

McKinsey & Company/Egon Zehnder, Erfolgsfaktor kulturelle Diversität und faire Teilhabe – Wie deutsche Unternehmen jetzt aufholen können, September 2023
https://www.mckinsey.de/news/presse/2023-09-18-kulturelle-vielfalt




31 % berichten von steigender Arbeitsbelastung wegen Personalmangel



Die HDI-Berufe-Studie zeigt die ersten Effekte des Personalmangels auf Beschäftigte in Deutschland. So spüren 3 von 5 Befragten bereits Auswirkungen des Personalmangels in ihrer täglichen Arbeit. 31 % geben an, dass die Arbeitsbelastung durch den Personalmangel gestiegen ist, bei 30 % können offene Stellen nicht zeitnah besetzt werden oder bleiben offen und 14 % berichten von stockenden Arbeitsabläufen und -prozessen und einer gestiegenen Wechselbereitschaft der übrigen Mitarbeitenden.

Korrelationsanalysen innerhalb der Studie zeigen zudem, wer die eigenen Beschäftigten fördert, profitiert davon. So sagen 58 % der Beschäftigten, die sich durch ihren Arbeitgeber gefördert fühlen, dass ihnen ihr Beruf viel bedeutet. Bei jenen Befragten, die sich nicht gefördert fühlen, sind es 37 %. 57 % der Beschäftigten, die sich gefördert fühlen, sagen außerdem, dass sie ihren Beruf als sinnstiftend empfinden, bei den anderen sind das 38 %.

Entscheidend für ein gutes Gefühl beim Arbeitgeber ist zudem die Führungskraft. So würde jede*r zweite Befragte wegen einer schlechten Führungskraft kündigen, bei den unter 40-Jährigen sagen das sogar 56 %. Frauen* zeigen sich hier entschlossener als Männer* (52 % zu 48 %).

Zum ersten Mal verliert der Beruf zudem an Bedeutung: Nur noch 47 % der Befragten geben an, dass ihnen der Beruf viel bedeutet. Das ist der niedrigste Wert seit dem Start der Berufe-Studie im Jahr 2019 und im Vergleich zum Jahr 2022 (58 %) ein Rückgang um 11 %. Weniger als 50 % der Beschäftigten äußern, dass sie sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen können. Besonders gering ist die Zustimmung bei Befragten der Gen Y. Hier stimmen 37 % der Aussage zu, „dass einen Beruf auszuüben mir mehr bedeutet, als damit Geld zu verdienen“. Das ist der niedrigste Wert aller Befragten. Bei der Gen Z ist die Zustimmung zu dieser Aussage mit 41 % bedeutend höher.

35 % der Beschäftigten sorgen sich, dass durch den Personalmangel die Gesundheit und das Arbeitsklima geschädigt werden. Darauf folgt die Sorge (29%) vor einem Wissensverlust, wenn Stellen nicht oder nur verspätet besetzt werden können und das Wissen so nicht weitergegeben werden kann.

Doch wie erhöht man seine Attraktivität als Arbeitgeber im Vergleich zu anderen? 46 % der Beschäftigten meinen, dass eine höhere Entlohnung entscheidend ist, 30 % nennen eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich und 25 % nennen Benefits wie Betriebsrenten oder Bonussysteme.

HDI/ YouGov, Berufe-Studie 2023, September 2023
https://www.berufe-studie.de/2023_01-kernergebnisse.html



Job-Ghosting tritt immer häufiger auf



Es macht sich ein neues Phänomen bei der Jobsuche breit: das Job-Ghosting. Immer mehr Beschäftigte treten neue Jobs ohne Ankündigung nicht an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Umfrage von Softgarden. So hat bereits jeder* Zehnte einen neuen Job nicht angetreten: Entweder wurde vor Antritt der Stelle gekündigt oder ohne formale Kündigung einfach nicht zum neuen Job erschienen. Doch was sind die Gründe für das Ghosting? Jede*r Vierte sagte, dass er*sie ein besseres Jobangebot erhalten habe. Knapp die Hälfte der Befragten äußerte zudem, dass sie bereits im Bewerbungsprozess nicht ganz zufrieden waren mit dem Verhalten der* des zukünftigen Vorgesetzten. So hätten sich Führungskräfte nicht persönlich vorgestellt, oder die Befragten durften das Team nicht vorab kennenlernen.

Knapp 4 von 10 Personen gaben an, dass sie bereits nach der Unterschrift Zweifel an ihrer Entscheidung bekamen. So habe sich der persönliche Umgang mit dem neuen Beschäftigten nach Unterzeichnung plötzlich ins Negative verändert. Auch Aufgabenprofile wurden ohne Absprache nachträglich durch den*die Vorgesetzten geändert.

Auch nach Jobantritt schreckten die Befragten nicht vor einer Kündigung zurück, wenn das Arbeitsverhältnis nicht den eigentlichen Erwartungen entsprach. 21 % der Beschäftigten kündigten ihren Job bereits innerhalb der 100 Tage.

Softgarden, Online-Befragung, September 2023
https://t3n.de/news/job-ghosting-arbeitsvertrag-unterschreibt-tritt-nicht-an-1572954/




Was brauchen erfolgreiche Teams?


Diverse Teams erzielen durch mehr Kreativität bessere Ergebnisse und homogene Teams harmonieren in der Zusammenarbeit besser, das sind gängige Annahmen. Forschende der WHU- Otto Beisheim School of Management und des Wissenschaftszentrums Berlin haben diese Annahmen in einem Experiment überprüft. Für das Experiment bearbeiteten Versuchspersonen zwei Monate lang in Zweier-Teams verschiedene Aufgaben. 50 % durften sich ihre*n Kolleg*in selbst aussuchen, die andere Hälfte wurde nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. Die selbst zusammengestellten Teams waren im Vergleich homogener, z.B. im Hinblick auf das gleiche Geschlecht oder gleiche kognitive Fähigkeiten.

Alle Teams mussten je eine Aufgabe auf einem Arbeitsblatt lösen und dann in Form einer Videopräsentation vorstellen. Die zufällig bestimmten Teams meisterten die Aufgabe auf dem Arbeitsblatt besser, während die selbstgewählten Teams bei der Videopräsentation besser abschnitten. Durchschnittlich schnitten die selbstgewählten Teams dann besser ab, wenn für eine Aufgabe Koordination und Zusammenarbeit nötig war. Die zufällig erstellten Teams hingegen waren erfolgreicher bei Aufgaben, bei denen die individuellen Fähigkeiten des Mitglieds wichtiger waren als die koordinierte Zusammenarbeit. Beim Erfolg diverser und homogener Teams ist somit die Aufgabe mitentscheidend.

Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management und des Wissenszentrums Berlin, Mai 2023
https://www.haufe.de/personal/neues-lernen/wie-setzen-sich-erfolgreiche-teams-zusammen_589614_593882.html

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