Mittwoch, 20. September 2023

"Zur Debatte, Herr Schmitz": Kinderbetreuung – Wieviel Unterstützung durch Arbeitgeber geht noch?

Kein ungewöhnliches Bild: Home-Office-Arbeit mit Kind wegen gekürzter Kita-Öffnungszeiten
(Quelle: Tatiana Syrikova on pexels.com)

Vor zehn Jahren trat der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr in Kraft. Wie gut wissen Eltern ihren Nachwuchs umsorgt, während sie selbst arbeiten? Wieviel müssen und was können Arbeitgeber tun, um beschäftigte Eltern bei der Betreuung zu unterstützen? Darüber sprechen wir am heutigen Deutschen Kindertag im Interview aus der Reihe „Zur Debatte, Herr Schmitz“ mit unserem Geschäftsführer Oliver Schmitz.

 
Welchen Stellenwert hat das Thema Kinderbetreuung derzeit im Rahmen einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik?

Kinderbetreuung hat einen sehr großen Stellenwert, denn Kinderbetreuung kann bei der Wahl der Lebensmodelle und somit auch der Arbeitsmodelle entscheidend sein. Ein angemessenes Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten erhöht den Gestaltungsspielraum der Eltern. Andererseits trägt ein mangelhaftes Betreuungsangebot in partnerschaftlichen Beziehungen häufig dazu bei, dass sich tradierte Rollenmodelle nicht weiterentwickeln. Im aktuell veröffentlichten Väterreport wünscht sich daher auch die Mehrheit der Väter eine kostenlose Kinderbetreuung, um hierdurch mehr Gestaltungsspielraum zu haben und sich dadurch unterm Strich mehr um die Kinder kümmern zu können.

Bei Eltern mit einem geringen Einkommen, insbesondere aber auch bei Allein- oder Getrennterziehenden, kann das Angebot von (bezahlbarer) Kinderbetreuung auch ausschlaggebend dafür sein, ob man ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen erzielen kann oder auf staatliche Transferleistungen angewiesen ist.


Wo setzen die Angebote von Arbeitgebern zur Betreuung von Kindern an?

Neben der betrieblichen Kinderbetreuung kann es z.B. auch die Reservierung von Belegplätzen in benachbarten Kitas und Kindergärten sein oder auch die Bereitstellung von Informationen zu Betreuungsmöglichkeiten in der Region.

Aber auch alle Angebote zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort können bei Betreuungsengpässen unterstützend wirken.

Die unterstützten Betreuungsangebote sind Kleinkindbetreuung, Kindergartenbetreuung, Notfallbetreuung, Ferienbetreuung, Hortbetreuung, Nachmittagsbetreuung, Hausaufgabenbetreuung und vieles mehr.


Wie unterscheiden sich die Lösungen von kleinen und großen Arbeitgebern? Ist das auch qualitativ anders?

Der Spielraum wächst mit der Größe des Unternehmens. Je mehr Beschäftigte mit Betreuungsaufgaben, um so eher rechnen sich auch größere Investitionen. Das heißt aber nicht, dass kleine Unternehmen weniger oder schlechtere Angeboten haben müssen, denn gerade kleinere Unternehmen können dafür häufig individueller auf Bedarfe reagieren.


Bei einer im Juli durchgeführten Befragung der Hans-Böckler-Stiftung von über 5.000 erwerbstätigen und arbeitssuchenden Eltern zeigte sich, dass 57% in diesem Frühjahr mit Kürzungen der Betreuungszeiten und/ oder zeitweiligen Schließungen der Einrichtung aufgrund von Personalmangel konfrontiert waren. Spüren Arbeitgeber, dass die bei ihnen beschäftigten Eltern Probleme bei der Regelbetreuung haben?

Ja, hiervon wird uns sehr häufig berichtet! Gerade wenn wieder so etwas wie die Grippewelle kursiert und es gehäuft zu Ausfällen beim Betreuungspersonal kommt. Der Betreuungsschlüssel ist mittlerweile so knapp bemessen, dass das Betreuungsangebot nicht mehr aufrechterhalten werden kann, sobald etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Wir erleben auch regelmäßig, dass zum Beispiel Kindergartengruppen geschlossen werden müssen, da das nötige Personal fehlt. Aber auch Schulkinder sind regelmäßig von Ausfällen betroffen.


Was wären die langfristigen Folgen für Arbeitgeber, wenn die Betreuung der Mitarbeitendenkinder fortlaufend lückenhaft bleibt?

Die negativen Folgen des demografischen Wandels werden noch größer! Wir würden wichtige Beschäftigungspotenziale nicht nutzen, da Beschäftigte erst später und in einem geringeren Umfang aus der Elternzeit zurückkommen würden und keine Möglichkeit zur Aufstockung der Arbeitszeit hätten.

Fehlende Betreuungsmöglichkeiten können sich auch auf das gesamte Erwerbsleben auswirken, da man möglicherweise wichtige Stationen der beruflichen Entwicklung verpasst hat und somit auch nicht sein volles Potenzial hat einsetzen können.


Reagieren Arbeitgeber bereits auf das aktuelle Defizit in der Regelbetreuung? Und wenn ja, wie?

In erster Linie durch Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Das Kind mit an den Arbeitsplatz nehmen zu können ist auch manchmal eine gute unterstützende Lösung, wobei dies häufig durch die Möglichkeit des Home-Office ersetzt wurde.

Es gibt auch Arbeitgeber, die eine Notfallbetreuung in Kooperation mit Tagesmüttervereinen o.ä. anbieten. Aber auch hier sind die vorhandenen Ressourcen mittlerweile häufig sehr eng bemessen.


Wie sehr sehen Sie Arbeitgeber in der Verantwortung, das Defizit in der Kinderbetreuung zu füllen?

Es kann nicht sein, dass Arbeitgebern die Verantwortung für Kinderbetreuung zugeschrieben wird. Es sind zuerst der Bund, die Länder und die Kommunen, die für ein ausreichendes Angebot zu sorgen haben. Natürlich ist es zu begrüßen, wenn sich Arbeitgeber durch das Angebot einer betrieblichen Kinderbetreuung o.ä. engagieren, hieraus darf man aber nicht schließen, dass die Verantwortung auf die Arbeitgeber übergeht.

In der Verantwortung der Arbeitgeber liegt vielmehr die Gestaltung eines Arbeitsumfeldes, das ausreichend Flexibilität für einen familienbewussten Arbeitsplatz ermöglicht. Auch die

Förderung einer Kultur, bei der konstruktiv und unvoreingenommen mit den Belangen von Eltern umgegangen wird, liegt in der Verantwortung der Arbeitgeber.


Wo sind Ihrer Ansicht nach die Grenzen?

Für einen Arbeitgeber müssen sich Entscheidungen für die Investition in Unterstützungsangebote nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich rechtfertigen. Ansonsten werden die Angebote weder nachhaltig noch langfristig sein. Hier gilt es das passende Maß zu finden, das irgendwo zwischen der Bereitstellung von Informationsmaterial, bis hin zur eigenen betrieblichen, mehrsprachigen 24 h Kinderbetreuung liegt.


Können Sie sich Wege vorstellen, nach denen Arbeitgeber, Staat, Sozialträger und Kommunen (noch besser) zusammenarbeiten, um Eltern hinsichtlich der Kinderbetreuung unter die Arme zu greifen?

Auch in Anbetracht des Personalmangels, der sich nicht von heute auf morgen verändern wird, ist es utopisch davon auszugehen, dass es in Kürze flächendeckend in Deutschland ausreichende Betreuungsplätze geben wird.

Um so wichtiger sind die gemeinsamen Bemühungen von Arbeitgebern, Sozialträgern und der öffentlichen Hand, dem Mangel kollektiv zu begegnen und gemeinsam an standortangepasste Betreuungsangebote zu arbeiten. Es ist eine Investition in die Zukunft, die in aller Interesse ist!


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