Montag, 8. September 2025

Vereinbarkeits-Vokabular: Welche Begriffe jetzt häufiger im Zusammenhang mit Work-Life-Balance fallen

W wie Work-Life-Fit oder Workation – der Vereinbarkeitswortschatz wächst (Quelle: Alexa on pixabay.com)

Das Themenfeld Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben entwickelt sich ständig weiter – und damit die mit ihm verbundene Begriffswelt. Ob Neuerungen oder (wiederkehrende) Trends, einige Wörter begegnen uns seit einigen Monaten gehäuft. Wir haben sieben davon herausgegriffen, beleuchten ihren Hintergrund und geben eine Einschätzung, ob sie von Dauer sein werden.


Workation


Das Portmanteau-Wort aus den englischsprachigen Begriffen Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub) ist nicht wirklich neu. Einen ersten Boom erfuhr Workation in den späteren Phasen der Corona-Zeit: Touristische Hochburgen wie z.B. in Portugal, die um Gäste rangen, luden Erwerbstätige ein, ihre Arbeitsleben mit Urlaubsgefühl zu verbinden. In der Post-Pandemiezeit erfreut sich Workation einer weiter gesteigerten Akzeptanz in der Arbeitswelt. Laut IW-Personalpanel (2024) erlauben rund 15% der deutschen Unternehmen ihren Beschäftigten das mobile Arbeiten im Ausland.[1] Je größer der Arbeitgeber, desto eher ist die Workation-Möglichkeit gegeben. So gestatten 23% der Organisationen mit mindestens 250 Mitarbeitenden Workation. Bei kleineren Unternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten sind es 15%.

Unsere Einschätzung:

Workation wird sich zum Standard-Angebot von Arbeitgebern etablieren. Letztendlich wird es von Beschäftigten gefordert: So gaben 57% der Erwerbstätigen in einer PWC-Befragung (2024) an, dass die Möglichkeit für Workation ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl für sie sei.[2] Wenn es jetzt noch rechtlich möglich wird, über Europa hinaus zu denken, den rechtlichen also erweitert, kann es nochmals einen Schub in Sachen Workation geben.


Work-Life-Fit


Neben Work-Life-Balance beginnt sich ein Begriff zu etablieren, der dem Trend der Flexibilisierung in der Arbeitswelt deutlicher Rechnung trägt: Work-Life-Fit. Während es bei Work-Life-Balance – dem Bild einer Waage mit zwei Messschalen entsprechend – darum geht, Berufliches und Familiäres bzw. Privates gleichmäßig zu gewichten, setzt Work-Life-Fit auf eine individuellere Passung. Der Gedanke bei Work-Life-Fit ist, dass das Berufs- und das Privatleben zusammenwirken und beide Bereiche permanent eine unterschiedliche Gewichtung bekommen können. Mal stehen berufliche Aufgaben im Vordergrund, mal Private. Hier ist also eine flexible Gestaltung der Jobs gefragt.

Unsere Einschätzung:

Individualisierung und Flexibilisierung finden Ausdruck im Work-Life-Fit-Konzept. In der Praxis verlangt das den Mitarbeitenden selbst, den Kolleg*innen und auch den Führungskräften und letztendlich dem Arbeitgeber ab, sich fortlaufend auf Veränderungen einzustellen. Die Voraussetzung dafür, dass dies auch wirklich gelingt, ist eine Vertrauenskultur und permanente offene Kommunikation über die Wünsche sowie deren Umsetzbarkeit. Teams müssen ein ehrliches Nehmen und Geben leben. Das ist nicht ganz einfach. Insbesondere der Umgang mit Grenzen ist hier wichtig. Auch wenn sich unsere Arbeitswelt stärker an den individuellen Bedarfen ausrichtet, befinden sich alle bei Organisationen tätigen Menschen in einem Gefüge. Dieses Gefüge muss Regeln vorgeben, auch was Work-Life-Fit angeht, damit alle Beschäftigten fair agieren und behandelt werden können und die beruflichen Anforderungen erfüllt werden können.

Benefits


Freiwillige Zusatzleistungen, die ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden anbietet – diese weite Definition des Begriffs Benefits bezieht auch Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben mit ein. Die Bedeutung von Benefits hat im Laufe der Jahre deutlich zugenommen. Denn wo Organisationen nicht mehr mit dem reinen Festgehalt und einem guten Betriebsklima locken können, müssen andere Hebel gezogen werden, um für Beschäftigte attraktiv zu sein und zu bleiben.

Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung von Stellenanzeigen ergab, dass sich die durchschnittliche Zahl ausgeschriebener Zusatzleistungen von 2019 bis 2024 von 3,6 auf 9,6 erhöht hat. Vor allem Sonderzahlungen, die betriebliche Altersvorsorge und Mitarbeitendenrabatte – also entgeltähnliche Leistungen – werden aktuell angeführt. Die Studie zeigt auch: In etwa 37% der Stellenanzeigen wurden flexible Arbeitszeitmodelle (u.a. Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit) ausgelobt. Dieser Anteil hat in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich zugenommen, genauso wie der von Home-Office. Häufige Erwähnung finden laut der Analyse zudem Kinder(notfall)betreuung, Eltern-Kind-Büro, Betriebskindergarten sowie Vermittlung von Betreuungs- und Pflegepersonal.[3]

Unsere Einschätzung:

„Harte“ Benefits verdrängen die „weichen“ Anreize. Ein gutes Betriebsklima oder eine familiäre Atmosphäre sind für Beschäftigte und Bewerber*innen weniger greifbar als konkrete Angebote, die sich monetär auswirken oder die die Arbeit in Einklang mit dem Privatleben bringen. Dass vereinbarkeitsfördernde Maßnahmen hoch im Kurs bei Beschäftigten stehen und auch nicht mehr wegzudenken sind, sollten Organisationen systematisch für sich nutzen, indem sie Vereinbarkeit in der Kultur verankern.

People & Culture


Personalmanagement soll und wird menschenzentrierter denn je ausgerichtet werden. Obwohl in der weit verbreiteten Bezeichnung „Human Resources“ der Begriff „Mensch“ steckt, hadern einige Organisationen mit dem Bestandteil „Resources“. Die Mitarbeitenden als Ressource zu verstehen, würde den Individuen nicht gerecht. Vielmehr möchten Arbeitgeber den Blick auf den Menschen und eine Kultur lenken, in der die Menschen sich aufgehoben fühlen und leistungsfähig agieren können. Vor diesem Hintergrund sind Organisationen zum Teil – darunter v.a. größere, international agierenden Unternehmen – dazu übergegangen, ihre Personalabteilungen in „People & Culture“ umzubenennen.

Unsere Einschätzung:

Den Ansatz, die einzelnen Menschen mit ihren individuellen Fähigkeiten, Wünschen und Bedarfen ins Zentrum der Personalpolitik zu stellen, kann nicht verkehrt sein. Auch eine Aufgabe darin zu sehen, eine entsprechende Kultur zu prägen, ist unterstützenswert. Gleichzeitig bleibt anzumerken, dass die Entwicklung einer Organisationskultur nicht allein an den Personalabteilungen hängt. Unternehmen, die den Begriff „People & Culture“ für ihren Personalbereich wählen, laden damit durchaus große Erwartungen auf sich. Eine Befragung von Softgarden (2024) unter Bewerber*innen zeigt übrigens gleichzeitig, dass diese immer noch an herkömmlichen Abteilungsbezeichnungen hängen[4]: Für 88,7% von ihnen ist der Begriff „Personalabteilung“ glaubwürdig oder eher glaubwürdig und damit auf Rang 1 der Glaubwürdigkeitsskala. Dahinter folgt die Bezeichnung „HR-Management“, den 80,4% (eher) glaubwürdig finden. „People & Culture“ finden hingegen nur 47,7% glaubwürdig, „People Operations“ sogar nur 40,9%.

Flex Washing


Flex Washing, auch Fake Flexibility genannt, steht für vorgetäuschte Flexibilität am Arbeitsplatz – genauer gesagt, für das angebliche Angebot von Organisationen für Beschäftigte, die Arbeit flexibel gestalten zu können, jedoch starke Einschränkungen in der Praxis zu erlassen. Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeitszeit, des Arbeitsorts und auch der Arbeitsorganisation sind Mitarbeitenden und Bewerber*innen äußerst wichtig. Um sich attraktiv zu machen, schreiben sich Arbeitgeber diese Optionen daher gerne auf die Fahnen. Das kann jedoch nach hinten losgehen, wenn die Möglichkeiten im Arbeitsalltag dann deutlich eingeschränkt sind.

Eine gemeinsam von Remote und Censuswide durchgeführte Befragung (2024) ergab, dass 71% der in Deutschland arbeitenden Eltern mit Kindern im Vorschulalter Flex Washing erlebt haben oder erleben. 69% der erwerbstätigen Eltern berichten, dass sie getadelt wurden, weil sie sich aufgrund der Erkrankung ihres Kindes oder weil die Kindertagesstätte außerplanmäßig geschlossen wurde, spontan frei nehmen mussten. Gut ein Fünftel der Eltern (21%) hat eine Absage bzgl. der Beantragung flexiblerer Arbeitszeiten für die Kinderbetreuung erhalten und weitere 12% haben sich gar nicht erst getraut, danach zu fragen. Von einem unguten Gefühl, nämlich Schuld oder Angst, berichten 76% der Eltern bei der Beantragung einer Auszeit für die Kinderbetreuung.[5]

Unsere Einschätzung:

Es ist verlockend für Arbeitgeber, pauschal von Flexibilisierung zu reden, wenn es hier und da Möglichkeiten gibt, die Arbeitszeit zu verkürzen oder „auch mal“ von zu Hause aus zu arbeiten. Mitarbeitende stellen dies allerdings auf den Prüfstand. Müssen sie in der Praxis zu viele Einschränkungen hinnehmen und/ oder spüren sie, dass die Flexibilisierung im Grunde nicht gewünscht ist, kommt rasch Unmut auf. Statt zur Bindung der Beschäftigten kommt es zur Distanzierung. An Optionen der Flexibilisierung der Arbeitszeit, des Arbeitsorts und auch – damit verbunden – der Arbeitsorganisation kommen Arbeitgeber nicht völlig vorbei. Dafür sind sie zu entscheidend bei der Arbeitgeberwahl für Erwerbstätige. Getreu dem Motto „Was außen draufsteht, sollte auch drin sein.“ sollten Arbeitgeber ganz ehrlich nur die Angebote benennen, die auch wirklich in der Praxis gelebt werden. Pauschale Beschreibungen wie „viele Möglichkeiten der Flexibilisierung“ können zu hohe Erwartungen schüren und sind nur dann abzugeben, wenn ein breites Portfolio an Angeboten dahintersteht, die auch selbstverständlich genutzt werden können. Das Gelingen der Vereinbarkeit von Beruf, und Privatleben ist in hohem Maße abhängig von Flexibilisierungsmöglichkeiten. Beides braucht eine Vertrauenskultur in den Organisationen. Daher empfehlen wir immer, an Vereinbarkeits- und Flexibilisierungsthemen strategisch und systematisch zu arbeiten, diese schrittweise anzugehen und auszubauen.

Altersdiverse Belegschaft


Die Zusammensetzung altersdiverser Teams ist ein Trend, der sich verfestigt. Unterfüttert wird er durch den weiter um sich greifenden Personalmangel und dem Ansporn, das Wissensmanagement in der Organisation in den operativen Arbeitsalltag zu überführen. Der Wettbewerb um Mitarbeitende nimmt weiter deutlich an Fahrt auf – und das sowohl im Recruiting als auch im Retention-Management. Während in beiden Bereichen bislang der Fokus eher auf den jüngeren Zielgruppen lag, weitet sich der Blick jetzt auf alle Altersgruppen. Lebensältere Beschäftigte zu gewinnen und zu binden ist mittlerweile ein wichtiger personalpolitischer Baustein. Dabei geht es nicht nur um die Arbeitskraft an sich, sondern auch um den Transfer von Erfahrungswissen an lebensjüngere Mitarbeitende. Und auch junge Kolleg*innen können Knowledges weitergeben und Impulse setzen, die dem gesamten Team dienen.

Altersdivers aufgestellte Teams werden daher auch als wichtige Maßnahme im Vielfaltsmanagement verstanden. Beobachtet wird, dass die Zusammenarbeit von Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Alterskohorten bzw. Generationen nicht nur den Wissenspool erweitern kann, sondern die Innovationskraft und die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen fördert.

Unsere Einschätzung:

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen sind Organisationen stärker auf lebensältere Mitarbeitende angewiesen. Aktuell sind bereits jetzt dadurch mehr Generationen parallel in den Betrieben unterwegs als je zuvor. Das bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich: unterschiedliche altersbezogene und andere individuelle Sichtweisen, Bedarfe, Wünsche und Erwartungen wollen gesehen und bedient werden. Dabei sollten sich Arbeitgeber vor Verallgemeinerungen und stereotypen Zuschreibungen von Einstellungen und Fähigkeiten der jeweiligen Generationen hüten. Die Generation Z ist nicht grundsätzlich „arbeitsscheu und fordernd“ und kennt sich automatisch in Social-Media- oder KI-Fragen gut aus. Demgegenüber sind die Generation X und die Baby-Boomer nicht durchweg fleißiger oder haben weniger Interesse an Vereinbarkeitsangeboten. Das Spannungsfeld ist: Die Altersdiversität muss einerseits anerkannt werden, gleichzeitig sollte jedes Individuum für sich betrachtet werden. Enorm wichtig ist dabei: Beschäftigte jeden Alters sollten sich gesehen und wertgeschätzt fühlen. Eine adäquate Kommunikation in die Belegschaft, ein Angebotsportfolio – ob bzgl. Gesundheitsmanagement, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder auch Weiterbildung –, das möglichst alle Mitarbeitende anspricht, sind hier wichtige Bausteine.

Arbeitszeitfragmentierung


So positiv der grundlegende Gedanke der Flexibilisierung der Arbeitszeit ist, so hoch ist die Gefahr, dass sich Beschäftigte darin verlieren. Die Option, auf Basis von Vertrauensarbeitszeit, die Arbeitszeit in mehrere, ggf. nicht zusammenhängende Abschnitte zu unterteilen, wird vor allem dazu genutzt, privaten Aufgaben besser nachgehen zu können. Eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigt jedoch, dass die Arbeitszeitfragmentierung auch negative Effekte hat.[6] So seinen „gerade Frauen mit fragmentierten Arbeitszeiten keineswegs zufriedener mit der Balance zwischen Beruflichem und Privatem sind als andere“. Weiter heißt es: „Je häufiger Beschäftigte mit fragmentierten Zeiten arbeiten, desto schlechter bewerten sie ihre Work-Life-Balance.“ Ein Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Pausen zwischen Arbeitsblöcken nicht etwa zur Erholung genutzt werden, sondern, um private Termine wahrzunehmen, sich um Kinder zu kümmern, Hausarbeit zu verrichten usw. Dadurch entsteht das Gefühl, „durchgearbeitet“ zu haben. Automatisch steigen das Stressempfinden und letztendlich die Unzufriedenheit mit der Situation. Die Studienherausgebenden schließen daraus: Arbeitszeitfragmentierung und Zeit- oder Leistungsdruck hängen zusammen.

Die Zerstückelung der Arbeit hat oftmals auch zur Folge, dass sich die Betroffenen nach den Unterbrechungen immer wieder erst in die Aufgaben einfinden müssen. Dadurch kann sich die Gesamtarbeitszeit verlängern. Und überhaupt, die Studie untermauert, dass die Fragmentierung der Arbeitszeit „oft mit langen – und nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gesundheitlich oft problematischen – Wochenarbeitszeiten einhergeht“.

Ein weiteres Ergebnis: Ruhezeiten kommen bei der Fragmentierung der Arbeitszeit zu kurz. Da Beschäftigte dann oft bis in die späten Abendstunden an Jobaufgaben arbeiten und am nächsten Morgen wieder anfangen, lassen sich die gesetzlich vorgeschriebenen 11 Stunden am Stück oft nicht einhalten. Nicht unüblich sei zudem, dass fragmentierte Arbeit den Schlaf, die Konzentration und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflusse. Neben dem erlebten Stress, dem Zeit- und Leistungsdruck (berufliche und andere Aufgaben schaffen zu wollen) führt auch dies zu unerwünschten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Gesundheit.

Unsere Einschätzung:

Flexibel die Arbeitszeit gestalten zu können, schafft wichtige Freiheiten. Wird mit der Möglichkeit nicht vorsichtig und ganz bewusst umgegangen, kann sie sich schnell als Falle erweisen. Darum empfiehlt es sich, den Beschäftigten im Umgang mit der Arbeitszeitflexibilisierung zum „empowern“. Schulungen und auch die wiederholende Thematisierung in Mitarbeitendengesprächen sind hier Wege. Arbeitgeber müssen auch in diesem Zusammenhang ihrer Fürsorgepflicht nachkommen. Dazu gehört, die Beschäftigten über verpflichtende Pausen- und Ruhezeiten aufzuklären. Wirksam können auch zeitliche Obergrenzen für einzelne Arbeit

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen