Mittwoch, 14. Juli 2021

Schicht machen?!: Herausforderungen für die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben

Schichtarbeit kann familien- und lebensphasenbewusst gestaltet werden (©Ashad Pooloo on Unsplash)

“Vereinbarkeit von Schichtarbeit, Familie und Privatleben geht nicht wirklich,“ hieß es lange Zeit. Doch das hat sich geändert. In unserer heute startenden dreiteiligen Miniserie rund um eine familien- und lebensphasenbewusste Schichtgestaltung möchten wir Rahmenbedingungen und Möglichkeiten aufzeigen.

Schichtarbeit ist in einigen Branchenzweigen zum Aufrechterhalten der Arbeitsabläufe und Services unabdingbar geworden. Man denke nur an die Rund-um-die-Uhr-Versorgung von Patient*innen im Krankenhaus, den Personennahverkehr oder die Produktion von Lebensmitteln. Der Großteil der dabei involvierten Arbeitsplätze ließ sich auch während der Coronapandemie nicht einfach oder seltener ins Home-Office verlagern. Laut Eurostat arbeiteten 2019 rund 15,6 Prozent der 15-64-jährigen Arbeitnehmenden in Deutschland in Schichtarbeit. Generell ergeben sich für Arbeitnehmende, die in Schicht arbeiten, besondere Herausforderungen im Alltag und damit auch in Bezug auf die Work-Life-Balance. 

Kein Wunder: Arbeitnehmende in Schichtarbeit müssen die drei „Taktgeber“ eines Lebens innere Uhr, Arbeitszeit und die soziale Zeit (Familie und Privatleben) unter besonderen Herausforderungen unter einen Hut bringen. Sie arbeiten z.B. wenn andere schlafen oder frei haben. Arbeitnehmende im Schichtdienst, in denen Nachtschichten oder Wochenendschichten üblich sind, brauchen besonders Organisationsgeschick, um Beruf, Familie und Privatleben zu vereinbaren. So muss die Kinderbetreuung oder die Betreuung von zu pflegenden Angehörigen zu Randzeiten sichergestellt werden. Schichtarbeit kann auch Auswirkungen auf die Gesundheit haben: So schätzen Arbeitnehmende in Schichtarbeit ihren Gesundheitszustand seltener als gut ein als Arbeitnehmende mit normalen Arbeitszeiten, insbesondere Beschäftigte mit Nachtschichten leiden unter Schlafstörungen und Erschöpfungs- bzw. Müdigkeitszuständen.[1] Solche Einschätzungen zum Gesundheitszustand können in Fehlzeiten münden, Krankheitsquote und Kündigungsquote können steigen. Arbeitgeber stehen dann vor dem Dilemma, Fehl- und Ausfallzeiten zu managen oder Schichten zu unbeliebten Zeiten voll besetzen zu können.

Den vielfältigen Begleiterscheinungen, mit denen Beschäftigte in Schichtarbeit konfrontiert sind, tragen Arbeitgeber zunehmend mit der Umgestaltung von Schichtmodellen oder betrieblichen Gesundheitsmanagement Rechnung. Dennoch muss klar sein: Gerade da, wo ein 24- Stundenbetrieb herrscht, werden sich nicht alle individuellen Vereinbarkeitsbelange ohne Weiteres erfüllen lassen.

Vereinbarkeit stellt für Schichtarbeitende eine besondere Herausforderung dar – insbesondere in den Präsenzberufen. Sie gewinnt allerdings mit Blick auf die zunehmende Forderung nach Gleichbehandlung aller Beschäftigten und als Faktor der Beschäftigtenbindung in diesem Bereich an Bedeutung. Der Wunsch nach mehr Flexibilität auch durch Schichtarbeitende stellt Arbeitgeber vor Herausforderungen. Wie werden alle Schichten belegt? Wie viel Personal wird pro Schicht benötigt, wenn auf individuelle Vereinbarkeitsbelange eingegangen werden soll? Ist eine Flexibilisierung im Produktions- oder Organisationsablauf überhaupt möglich? Dies sind nur einige der Fragen.

Angesichts dieser Herausforderungen sind Arbeitgeber gefragt, die besondere Situation der betroffenen Beschäftigten bei ihren Vereinbarkeitsmaßnahmen mitzudenken. Eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik kann nur dann nachhaltig wirken, wenn die Arbeitgeber ausnahmslos alle Beschäftigten im Dreiklang Leistung, Dialog und Kommunikation mitdenken und mitansprechen. Den Fokus auf eine Flexibilisierung von Schichtarbeit zu legen, eröffnet Arbeitgebern die Chance, betroffene Mitarbeitende zu entlasten und gleichzeitig ihr berufliches Engagement zu unterstützen. Wie alle familien- und lebensphasenbewussten Maßnahmen, hat auch die strategische Gestaltung lebensphasenbewusster Schichtarbeit ihren betriebswirtschaftlichen Nutzen. Die Arbeitgeberattraktivität kann gesteigert werden, Kündigungs- und Krankheitsquoten können reduziert werden, wenn die Vereinbarkeitsbelange von Schichtarbeitenden in den Blick genommen werden. Die Verbesserungen, die zunächst nach innen wirken, haben dann auch direkte Effekte nach außen.

Damit haben wir die grundlegenden Fragestellungen rund um eine familien- und lebensphasenbewusste Schichtgestaltung erörtert. Und selbstverständlich soll es mit einigen Antworten, aber auch mit der so wichtigen Sensibilisierung für die Belastungen von Schichtarbeitenden weitergehen. Hier eine Vorschau, was Sie in den kommenden zwei Teilen unserer Blogserie erwartet: 


23.07.2021

  • Was ist Schichtarbeit?
  •  In welchen Branchen/ Bereichen findet sich Schichtarbeit?
  •  Welche Herausforderungen entstehen durch Schichtarbeit?
  •  Welche Belastungen ergeben sich durch Schichtarbeit?

04.08.2021

  • Warum braucht es mehr Flexibilisierung für Beschäftigte im Schichtbetrieb?
  •  Wie können Arbeitgeber Beschäftigte in Schichtarbeit unterstützen?
  • Maßnahmen für lebensphasenbewusste Schichtarbeit (eine Auswahl)



[1] Bundesanstalt für Arbeitsschutz: Arbeitszeitreport 2016, S. 49 abrufbar unter https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/F2398.pdf?__blob=publicationFile