Hybrides
Arbeiten – ohne Vertrauen und Vorgaben geht nichts (©deathtothestockphoto.com) |
Wie lässt sich hybrides Arbeiten umsetzen bzw. was sind die Trends bei Home-Office & Co.? Antworten lieferte die Befragung von Personaler*innen und Geschäftsführenden, die der Campus M21 (Nürnberg) in Zusammenarbeit mit uns durchführte. Die wesentlichen Fragen und Erkenntnisse nennen wir in diesem Blog.
Hybrides Arbeiten wird sich in Zukunft manifestieren: Nicht nur darin sind sich Personalverantwortliche einig. Wie die von uns initiierte Forschungsarbeit der Studiengruppe Wirtschafts- und Werbepsychologie am Campus M21 (Standort Nürnberg)[1] zeigt, setzen Personaler*innen und Geschäftsführende dabei auf ein hohes Maß an Vertrauen und nicht zuletzt verlässliche Regelungen. Was das heißt verraten wir im Folgenden.Vor Corona wurde bei über 30 % der befragten Unternehmen kein Home-Office angeboten. Der Anteil an Betrieben, bei denen Home-Office möglich ist, ist seit Corona deutlich gewachsen. Und das soll in Zukunft Bestand haben: So planen über 80 % der Unternehmen, Home-Office auch nach Corona anzubieten.
Vor Corona wurde das vorhandene Home-Office-Angebot von jeder*jedem zehnten Mitarbeitenden genutzt. Angetrieben durch die Home-Office-Pflicht nutzen zum Befragungszeitpunkt im Mai 2021 51 % der Beschäftigten das nunmehr vergrößerte Home-Office-Angebot.
Welche Arbeitszeitregelungen gelten derzeit im Home-Office?
In knapp der Hälfte der Unternehmen – nämlich 47 % – gelten klare Regelungen bezüglich der Arbeitszeit. Diese ist identisch zu der Büroarbeitszeit. Das gilt ebenso für die Pausenzeiten.
Ebenfalls 47 % der Arbeitgeber setzt auf flexible Arbeitszeiten, wie etwa Vertrauensarbeitszeit.
6 % der befragten Unternehmen realisieren eine leistungsorientierte Arbeitszeitlösung, da sie den höchsten Grad an Flexibilität bietet. Dabei merken die Personalverantwortlichen allerdings an: Beschäftigte arbeiten bei diesem Modell in der Praxis meist zu viel.
Welche Rollenverteilung ist laut Personalverantwortliche bzgl. hybrid arbeitender Teams sinnvoll?
Laut Personaler*innen und Geschäftsführende braucht gelingende Führung die Festsetzung gemeinsamer Regeln, Strukturen und Ziele. Dabei sollte auf die jeweiligen Stärken des Individuums eingegangen werden und entsprechend eine klare Rollenverteilung von Team- und Individualaufgaben festgelegt werden. Führungskräfte sollten regelmäßige Meetings (als Feedbackraum) ansetzen bzw. einfordern sowie grundsätzlich eine transparente offene und vertrauensvolle Kommunikation fördern.
Die Personalverantwortlichen sehen es als wichtig an, dass Teammitglieder unter gleichen Voraussetzungen agieren können – also auch gleiche Wahlfreiheiten bzgl. Präsenz- und Remote Work oder auch beispielsweise die entsprechende Ausstattung im Home-Office haben. Es ist wichtig, dass alle Probleme offen angesprochen werden – etwa in regelmäßigen Meetings. Der Teamzusammenhalt wird gefördert durch virtuelle Events wie beispielsweise Feiern und Spiele. Beispiele hierfür wären das virtuelle Feierabendbier, die virtuelle Weihnachtsfeier, das gemeinsame Wahrnehmen von Online-Fitnessprogrammen, etc..
Wie gelingt nach Einschätzung der Personalverantwortlichen die Leistungsbewertung?
Leistung wird im „herkömmlichen Büroalltag“, der mit Präsenz einhergeht, meist in erster Linie im Rahmen der Anwesenheit (durch Gespräche, Sichtung von Dokumenten etc.) und die regelmäßige Kontrolle der Ergebnisse beurteilt. Durch den ständigen persönlichen Kontakt kann so auch ein schneller Eingriff bzw. ein sofortiges Entgegenwirken bei auftretenden Fehlern gewährleistet werden.
Im Home-Office gestaltet sich die Leistungskontrolle bzw. -bewertung für die Führungskräfte momentan noch schwieriger. Hier setzen Personalverantwortliche auf die naheliegende Möglichkeit, die Leistung anhand von Ergebnissen und Deadline bzw. Zieleinhaltungen zu bewerten.
Die Personalverantwortlichen weisen darauf hin, dass bei der Leistungsbewertung bei hybrider Arbeit (und auch Home-Office) die offene Kommunikation – mit aller Transparenz – wichtiger denn je geworden ist. Es bedarf von Seiten der Teammitglieder/ Mitarbeitenden einer proaktiven Kommunikation von Projektstatus und -ergebnis – untereinander und mit Führungskräften. Denn nur so können die Führungskräfte die Arbeit verfolgen und fair bewerten.
Welchen Einfluss des Home-Office auf die Produktivität beobachten Personalverantwortliche?
Während 27 % der befragten Personalverantwortlichen eine Produktivitätsminderung im Home-Office bemerken, bestätigten 30 % der Interviewpartner*innen, dass sie eine Produktivitätssteigerung erkennen. Ein Anteil von 43 % gibt an, dass sie bislang keine Veränderung wahrgenommen haben.
Als mögliche Gründe für die Produktivitätsminderung werden genannt:
- Längere Entscheidungsprozesse (Mitarbeitende sind nicht vor Ort, digitale Kommunikation, man ist im Home-Office angeblich nicht immer gut erreichbar, geht über mehrere Telefonate, etc.)
- Ablenkung (Kinder im Home-Schooling, Alltagsdinge, große Versuchung, kurz mal etwas anderes im Haushalt zu erledigen, etc.)
- Störfaktoren (Telefon, Alltagsdinge z.B. Klingeln vom Postboten …)
- Fehlende Abwechslung (man sitzt den ganzen Tag nur vor dem Laptop in gewohnter Umgebung, keine Trennung zwischen Privatleben und Arbeit, „Es fühlt sich jeder Tag gleich an.“, kein Raum für Kreativität angesichts fehlenden Tapetenwechsels)
Auf der anderen Seite geben 30 % der Befragten an, dass sie das Gefühl haben, dass sich die Mitarbeitenden im Home-Office besser konzentrieren können, da sie nicht von Kolleg*innen abgelenkt werden.
Außerdem empfinden Personalverantwortliche Online-Meetings als effizienter als Präsenzmeetings. Zwar werden von der Anzahl mehr Meetings angesetzt, um die ständige Kommunikation aufrechtzuerhalten – sodass jede*r Mitarbeitende immer auf dem gleichen und neusten Stand ist –, dennoch sind die Meetings zielführender und kürzer. Es werden i.d.R. nur die wichtigsten Punkte besprochen und nicht so leicht von den zu besprechenden Themen abgewichen.
Ein wesentlicher Punkt, der die Produktivitätssteigerung nach Ansicht der Personalverantwortlichen fördert, ist das Wegfallen der Anreise. Dadurch dass sich viele Mitarbeitende den Arbeitsweg sparen, können sie die dafür sonst notwendige Zeit bereits produktiv nutzen. Hinzukommt, dass es im Home-Office zu weniger Unterbrechungen durch Kolleg*innen kommt.
Wie lässt sich nach Ansicht der Personalverantwortlichen die Motivation hybrid arbeitender Teams aufrechterhalten?
Zur Aufrechterhaltung der Motivation versuchen Führungskräfte, den Mitarbeitenden gemeinsame private Events anzubieten, wie z.B. virtuelle Spieleabende oder Firmenfeiern, um vor allem außerhalb von der Arbeit mal aus dem Alltag, der sich durch das Home-Office ergibt, herauszukommen und die sozialen Kontakte unter den Kolleg*innen zu stärken.
Außerdem initiieren sie informelle Treffen als Maßnahmen, um den Firmenalltag so motivierend wie möglich zu gestalten. Mit gemeinsam vereinbarten Kaffee-Treffen oder gemeinsamen Mittagessen über Zoom soll dafür gesorgt werden, dass sich die Mitarbeitenden im Home-Office nicht alleine bzw. abgehängt fühlen und das gewohnte „Feeling, mit den Kolleg*innen in die Mittagspause zu gehen“ bewahrt wird. Zusätzlich werden vielfach tägliche Meetings angesetzt, um die einzelnen Situationen und Zustände der Mitarbeitenden abzufragen. Das soll v.a. dazu dienen, dass sich Beschäftigte im Home-Office nicht zu sehr „auf sich allein gestellt“ fühlen, sondern der Gruppenzusammenhalt gestärkt wird und individuelle Probleme fortlaufend angesprochen und gelöst werden können.
Zudem gaben die befragten Personalverantwortlichen an, dass Lob und Vertrauen als Grundvoraussetzung für Motivation gelten. Auch wenn Mitarbeitende nicht vor Ort sind, müsse ihnen regelmäßiges Feedback gegeben werden und sie müssten Zuspruch bzw. Lob erhalten. Darüber hinaus sei es wichtig, den Beschäftigten Vertrauen entgegenzubringen und dies auch deutlich zu machen, statt sie mit ständigen Abfragen/Anrufen etc. kontrollieren zu wollen.
Wie haben sich die Krankheitstage mit der verstärken Home-Office-Nutzung entwickelt?
66 % der Personalverantwortlichen geben an, dass die Krankheitstage während der Coronapandemie – und damit bei verstärkter Tätigkeit im Home-Office – zurückgegangen sind. 45 % nennen einen leichten Rückgang, 22 % einen starken Rückgang der Krankheitstage. Etwa 33 % der Interviewpartner*innen wiederum beobachten, dass sich die Anzahl der Krankheitstage vor und während Corona nicht verändert hat. Keine*r der Befragten hat einen Anstieg der Krankheitstage registriert.
Als Begründung für den Rückgang der Krankheitstage nennen die Personalverantwortlichen das aufgrund des Social Distancing geringere Ansteckungsrisiko. Dies gilt über das Coronavirus hinaus. Zudem wird davon ausgegangen, dass sich bei den im Home-Office tätigen Mitarbeitenden ein höheres Schlafpensum positiv auf die Gesundheit auswirkt, ebenso wie geringere mit der Präsenzarbeit zusammenhängende Stressfaktoren.
Aber: Personalverantwortliche nehmen Auffälligkeiten bzgl. der Gesundheit der Mitarbeitenden wahr
Die Personalverantwortlichen gaben allerdings zu bedenken, dass durch Home-Office die Mitarbeitenden schnell zu Überarbeitung, Überanstrengung und Überforderung neigen. So werde Beobachtungen zufolge oft durchgängig im Home-Office gearbeitet ohne ausreichend Pausen zu machen. On top kämen nach der offiziellen Arbeitszeit noch Einfälle, die angegangen werden.
Das dennoch in Teilen die Anzahl der Krankheitstage stark zurückgegangen ist, führen die Personalverantwortlichen darauf zurück, dass Beschäftigte im Home-Office auch mit Krankheitssymptomen arbeiten. Konzentration und Produktivität sind dann allerdings meist in Mitleidenschaft gezogen.
Als Grund für das Arbeiten im Home-Office trotz Krankheitssymptomen wird vor allem spekulativ genannt, dass die Mitarbeitenden Angst davor haben, während der Pandemie ihren Job zu verlieren, wenn sie sich (häufig) krankmelden.
Welche Potenziale hat Home-Office in den Augen der Personalverantwortlichen?
Bei der Frage, welche Potenziale sie dem Home-Office zuschreiben, nennen die Personalverantwortlichen besonders häufig das Stichwort Zeiteffizienz. Schließlich ließen sich z.B. auch Fernmeetings von überall aus abhalten. Zeit, die sonst ggf. im Auto und Stau verbracht wird, kann für andere Tätigkeiten genutzt werden.
An zweiter Stelle steht für die Personalverantwortlichen der Faktor Flexibilität, der sich vor allem für die Mitarbeitenden ergibt. Den Beschäftigten stehen mit der Home-Office-Tätigkeit neue Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Arbeit besser mit ihrem Privatleben in Einklang zu bringen.
Des Weiteren werden an dritter Stelle gleichauf die effiziente Büronutzung und der Aspekt Umweltschutz als Potenziale definiert. Unter Effizienz in der Büronutzung wird dabei vorrangig die Einsparung von Büroflächen genannt, die sich durch den geringeren Platzbedarf aufgrund der zahlreichen Home-Office-Tätigen ergibt. Allerdings könnte dies eine vorübergehende Feststellung sein, da Mitarbeitende auch zukünftig die Option der Präsenz wahren möchten und ggf. aufgrund anhaltender Hygienekonzepte Abstände zwischen Personen erhalten bleiben müssen, was wiederum einen gewissen Platzbedarf mit sich bringt. Der Faktor Umweltschutz ergibt sich aus der geminderten Mobilität der Beschäftigten, in Teilen auch vor dem Hintergrund der Einsparung von Druckerpapier, etc.
Zeiteffizienz und Flexibilität sind Faktoren, die auf die Work-Life-Balance einzahlen. Dass Work-Life-Balance nicht primär explizit als Potenzial benannt wird – sondern an vierter Stelle gleichauf internationalem Recruiting und Kosteneinsparung – bedeutet daher nicht, dass sie weniger stark als Potenzial des Home-Office erkannt wird. In der Gesamtbetrachtung wird das Thema Vereinbarkeit durch die primäre Nennung von Zeiteffizienz und Flexibilität sowie die Betrachtung von Work-Life-Balance deutlich gehoben.
Welche Formen der Arbeitsortflexibilisierung werden laut Personalverantwortliche zukünftig genutzt bzw. üblich sein?
Die befragten Personalverantwortlichen gehen übereinstimmend davon aus, dass die Flexibilisierung des Arbeitsorts auch in Zukunft essenziel – wenn nicht unabdingbar – sein wird.
Die am häufigsten benannten Formen der Arbeitsortflexibilisierung sind dabei mobiles und hybrides Arbeiten. Ein Arbeitsplatz, der ausschließlich zuhause zu finden ist – also vollständiges Home-Office –, konnten sich die Personaler*innen und Geschäftsführenden nur in wenigen Einzelfällen vorstellen.
Die individuelle Arbeitsortwahl (und damit implizit auch flexibler gestaltete Arbeitszeit) wird als Wunsch der Mitarbeitenden erkannt und zukünftig Berücksichtigung finden. Denkbar ist dabei eine Realisierung auch über ein Shared-Desk-Angebot.
Unumgänglich wird mit Blick auf die zunehmende Arbeitsortflexibilisierung, an einer Kultur des Vertrauens bzw. mehr Vertrauens zu arbeiten. Auch dessen sind sich die Personalverantwortlichen bewusst und sehen dies als Aufgabe.
[1] Zum Forschungsprojekt: Die Studiengruppe Wirtschafts- und Werbepsychologie, Standort Nürnberg, Campus M21, führte in Kooperation mit der berufundfamilie Service GmbH ein Forschungsprojekt mit Personalverantwortlichen zu Umsetzung und zukünftigen Trends des Home-Office und hybriden Arbeitens durch. Im Zeitraum vom 17.05.2021 – 30.05.2021 wurden Personaler*innen bzw. Geschäftsführende von 18 Unternehmen, die aktuell und zukünftig Home-Office anbieten, mittels induktiver und qualitativer Interviews befragt. Die Größenordnung der im deutschsprachigen Raum ansässigen Unternehmen reichte vom Mittelstand bis zum Großkonzern. Folgende Branchen waren vertreten: Automobil, EDV & IT, Energiegewinnung, Forschung & Entwicklung, Handel & Konsum, Immobilien, Industrie, Marketing & PR, Pharmazie, Telekommunikation, Verkehr/ Transport & Logistik, Versicherung.
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