Mittwoch, 23. Februar 2022

Mentale Gesundheit – mehr als ein Buzzword im BGM

In der betrieblichen Gesundheitsförderung werden Angebote für die mentale Gesundheit der Beschäftigten immer wichtiger (©Mitch Gaff on Unsplash)

Coronapandemie, gestiegene Arbeitsbelastung und Aufbruch im New Normal – all das hinterlässt Spuren, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Im zweiten Teil unserer Blogreihe zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement legen wir daher den Fokus darauf, was Arbeitgeber im Rahmen ihrer strategischen Vereinbarkeitspolitik tun können, um ihre Beschäftigten in ihrer mentalen Gesundheit zu unterstützen.

Psychische Erkrankungen werden in Berufs- und Privatleben immer präsenter. So erkranken allein in Deutschland jährlich 28 % der Erwachsenen psychisch.[1] Die Gründe sind vielfältig: Stress und Hektik im Alltag, die Arbeitsanforderungen, zu hohe eigene Ansprüche, sowie die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie[2]. Vermehrtes Home-Office und die Flexibilisierung von Arbeitszeiten im New Normal, die oft auch die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen lässt, tun ihr Übriges.

 


Die Psyche – belastet wie nie



Laut DAK-Psychreport 2021 gab es im Coronajahr 2020 mit 265 Fehltagen je 100 Versicherte den Höchststand an Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen. Außerdem dauerte ein psychischer Krankheitsfall im Durchschnitt 39 Tage und damit ebenfalls so lange wie noch nie. Am häufigsten litten die Erkrankten an Depressionen, dennoch thematisieren die meisten Betroffenen ihre Erkrankung im beruflichen Kontext nicht.[3] Die gestiegene Zahl der Krankentage und auch die Dauer der Erkrankungen machen deutlich: Arbeitgeber tun gut daran, in die mentale Gesundheit ihrer Beschäftigten zu investieren, um sie nicht langfristig oder ganz zu verlieren. Zudem steigt die Erwartungshaltung der Beschäftigten an Arbeitgeber im Rahmen des BGM, nicht nur Angebote in Sachen körperliche Fitness und Ernährung zu machen, sondern auch Angebote zur Förderung der mentalen Gesundheit. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird also immer bewusster thematisiert. Dies zeigt sich auch in einer Studie zu Erwartungen der Generation Y an Arbeitgeber, die wir in Zusammenarbeit mit dem Campus M University unter Leitung von Dr. Brigitte Waffenschmidt durchgeführt haben. So sehen Angehörige der Gen Y Angebote zum Stressmanagement und zur Resilienzförderung in der Verantwortung des Arbeitgebers, der diese somit idealerweise proaktiv anbieten sollte (besonders in Anbetracht neuer Arbeitssituationen wie verstärktes Home-Office).[4]

Wer Fachkräfte gewinnen und Beschäftigte halten will, sollte im Rahmen seiner betrieblichen Vereinbarkeitspolitik also auch in der psychischen Gesundheitsförderung ein Maßnahmenportfolio etablieren. Niemand wundert sich über Arbeitsschutzmaßnahmen wie z.B. Schutzkleidungen, die die physische Gesundheit gewährleisten sollen. Doch auch die Seele kann erkranken und der Beruf kann Einfluss darauf haben. Nicht zuletzt deshalb gehört die psychische Gefährdungsbeurteilung zu den arbeitsschutzgesetzlichen Pflichten eines Arbeitgebers. Mit ihrer Hilfe sollen Arbeitgeber Ursachen für psychische Belastungen am Arbeitsplatz wie Leistungsdruck, Konflikte im Team, häufige Arbeitsunterbrechung etc. erkennen. Hierbei geht es um eine objektive Betrachtung der Arbeitsbedingungen und damit einhergehenden Risiken für die psychische Gesundheit der Beschäftigten. Arbeitgeber sind dann verpflichtet aus der Gefährdungsbeurteilung heraus Maßnahmen abzuleiten, die die psychische Gesundheit der Beschäftigten schützen soll. Doch schon bevor die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zu Handlungen mahnen, sollten Maßnahmen zur mentalen Gesundheitsförderung umgesetzt werden. Wird dies nicht getan, können am Ende der psychischen Belastungskette Stress, Burnout, Depressionen oder Schlafstörungen stehen. Im schlimmsten Fall verliert man den Mitarbeitenden dann durch Kündigung oder Arbeitsunfähigkeit.


Was Arbeitgeber tun können – Ein Blick in die Praxis



Arbeitgeber sollten daher auf ein betriebsindividuelles Maßnahmenportfolio setzen, dass Beschäftigten dabei hilft, akut mit psychischen Belastungen umzugehen oder ihnen vorzubeugen. Und dies lässt sich in eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik einbetten. Doch wie begegnet man dem vermeintlichen Tabu-Thema mentale Gesundheit am besten? Was können Arbeitgeber im Rahmen ihrer strategischen Vereinbarkeitspolitik tun, um die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten zu fördern oder in Krisensituationen zu unterstützen?

Mit ausgewählten Praxisbeispielen von nach dem audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule zertifizierten Organisationen wollen wir im zweiten Teil dieses Blogs nun mögliche Maßnahmen aufzeigen, die Arbeitgeber nutzen können, um auch die Seele der Beschäftigten gesund zu erhalten. Gleichzeitig setzen diese damit auch ein Signal als attraktiver Arbeitgeber nach außen. Hierbei ist anzumerken, dass die folgenden Beispiele lediglich einen Teil möglicher Maßnahmen darstellen und kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.

Niederschwellige Angebote mit Kursen und Seminare zur Stressbewältigung, Ärger, Wut oder Resilienzförderung sind erste Wege, das Thema mentale Gesundheit aufzunehmen. Auch Aufklärungsseminare, bei denen über Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout und deren Ursachen informiert wird, sind bereits eine gute Möglichkeit, um Beschäftigte und Studierende an Themen rund um die mentale Gesundheit heranzuführen. Auditierte Arbeitgeber stellen vielfach zudem Informationen und Umsetzungstipps zur Prävention, Intervention oder Erholung in organisationseigenen Portalen zur Verfügung oder informieren regelmäßig in Newslettern über Angebote. Dies hat den Vorteil, dass die Beschäftigten und Hochschulangehörigen sich selbstständig mit den Themen vertraut machen können. So können Selbstkompetenzen aktiv gefördert werden.

Außerdem sind bei den Zertifikatsträgern auch spezielle zielgruppenspezifische Angebote wie etwa Seminare zum „Gesunden Führen“ etabliert. Gerade Führungskräfte sollten im Themenfeld mentale Gesundheit besonders geschult werden. Ohne die Sensibilisierung von Führungskräften und entsprechende Angebote kann eine Akzeptanz für psychische Erkrankungen und deren Heilungsprozess in einer Organisation nicht nachhaltig verankert werden. Beispielhaft ist hier eine sog. Toolbox von einigen auditierten Organisationen, die individuell für jede Abteilung erarbeitet wurde, um bei Überforderung von Beschäftigten zu reagieren und den Führungskräften Leitfäden im Umgang damit an die Hand zu geben. Auch Beratungen und Sensibilisierung von Führungskräften im kommunikativen Umgang mit Beschäftigen in Ausnahmesituationen, bei denen etwa Rückzugstendenzen, schwere Erkrankungen, häufiges Fehlen, Suchtverhalten oder psychische Schwierigkeiten im Raum stehen, sind beispielhaft zu nennen.

Auch Vereinbarkeitsaspekte und der Umgang mit familiären Herausforderungen spielen bei Angeboten zur psychischen Gesundheitsförderung eine erhebliche Rolle. So bieten Zertifikatsträger u.a. spezielle Elternkurse an, in denen auf die psychischen Belastungen des Elternseins eingegangen wird. Hilfreich sind zudem z.B. Unterstützungsangebote beim Umgang mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie bei Konflikten in der Familie oder ein Lebenslagen-Coaching, bei dem eine telefonische oder persönliche Beratung bei beruflichen und privaten Problemen erfolgt. Viele auditierte Hochschulen setzen hierbei extra auch auf studentische Beratungsangebote, die die Arbeitsbelastung und den Leistungsdruck im Studium aufgreifen und Lösungsmöglichkeiten für Studierende aufzeigen.

Besondere Ausnahmesituationen erfordern auch besondere Maßnahmen. Gerade der plötzliche Verlust von Kolleg*innen oder Angehörigen kann Beschäftigte in tiefe mentale Krisen stürzen. Einige auditierte Arbeitgeber reagieren darauf mit einer internen Trauerbegleitung, die Informationen zum Umgang mit der eigenen Trauer oder trauenden Beschäftigten zur Verfügung stellt. Wenn es sich bei den Verstorbenen um einen Beschäftigten handelt, werden innerhalb des Teams Abschiedsprozesse begleitet, sodass sowohl Führungskräfte als auch die übrigen Teammitglieder Raum für ihre Trauer haben. Dies stärkt den Zusammenhalt im Team und hilft bei der Etablierung einer wertschätzenden Führungskultur.

Suchterkrankungen können ebenfalls jeden treffen. Um dafür zu sorgen, dass man den Beschäftigten nicht an die Sucht verliert, bieten einige lebensphasenbewusste Arbeitgeber anonyme Suchtberatungen an. Dies erfolgt teilweise mit einer internen Beratung, teilweise über externe Dienstleister. Auch die Vermittlung an Selbsthilfegruppen stellt hier ein gern genutztes Angebot dar.

Der wachsende Anteil an psychischen Erkrankungen führt zwangsläufig auch zu einem höheren Beratungsbedarf. Therapie- und Beratungsplätze sind jedoch rares Gut – auch hier steuern Arbeitgeber im Rahmen ihrer strategischen Vereinbarkeitspolitik oft aktiv dagegen. So bieten einige Organisationen in Kooperation mit externen Dienstleistern, ihren Beschäftigten an, Hilfe im Gespräch mit geschulten Ratgebern zu finden. So können die Mitarbeitenden anonym, professionell und mit Abstand zum beruflichen Alltag z.B. über private Sorgen, Arbeitsplatzanpassungen oder andere berufliche Stresssituationen reden.

Einige Organisationen bieten Beratungen durch hauseigene Psycholog*innen an, die sich auf den Umgang mit kritischen Situationen im betrieblichen Umfeld spezialisiert haben. Im ersten Schritt kann so konkret Hilfe geleistet werden und dann bei Bedarf eine Vermittlung an Spezialist*innen erfolgen. Diese Kontakte sind dabei stets anonym und die Kosten dafür trägt der Arbeitgeber. Besonders hervorzuheben sind ebenfalls eigens eingerichtete Krisen-Hotlines, bei denen sich Beschäftigte rund um die Uhr in Krisensituationen melden und beraten lassen können.

Auf organisationaler Ebene hilft es, transparente Prozesse z.B. zur psychischen Gefährdungsbeurteilung zu etablieren. Zahlreiche auditierte Unternehmen, Hochschulen und Institutionen setzen dabei auf Handlungshilfen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung, die Fragebögen und Arbeitssituationsanalysen und Einzelinterviews beinhalten. Einige Organisationen nutzen die Gefährdungsbeurteilung direkt im Workshop-Format, sodass sich alle Beschäftigten einer Abteilung beteiligen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation entwickeln werden können.

Diese exemplarische Auswahl zeigt bereits: Arbeitgeber können viel tun, um die mentale Gesundheit ihrer Beschäftigten zu unterstützen. Dabei reicht die Maßnahmenpalette von niederschwelligen Angeboten bis hin zu organisationalen Commitments, die sich in Handlungshilfen oder Leitlinien wiederfinden.


Psychische Erkrankungen aus dem Abseits holen


Last but not least möchten wir für einen offenen Dialog plädieren. Für viele Beschäftigte und Studierende sind psychische Schwierigkeiten und Erkrankungen immer noch ein absolutes Tabu-Thema. Neben der Herausforderung im ersten Schritt für sich selbst anzuerkennen, dass mentale Schwierigkeiten vorliegen, kommt bei vielen noch die Furcht vor Stigmatisierung oder Arbeitsplatzverlust dazu, wenn man offen dazu steht. Schließlich wird man als nicht mehr leistungsfähig abgestempelt, so die Wahrnehmung. Doch Gesundheit geht uns alle an – ganz gleich ob in physischer oder psychischer Form. Arbeitgeber sollten daher im Rahmen ihres BGM – als Teil einer strategischen Vereinbarkeitspolitik – mithilfe von betriebsindividuellen Maßnahmen, beständiger Kommunikation und der Etablierung einer verständnisvollen Organisationskultur dafür sorgen, dass der Umgang mit psychischen Erkrankungen normalisiert wird. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass psychische Erkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden und Beschäftigte die Hilfe bekommen, die sie benötigen, um wieder voll bei sich selbst zu sein – ob auf der Arbeit oder im Privatleben. Ein Arbeitgeber, der offensiv mit dem Thema mentale Gesundheit umgeht und sich somit als Vorreiter etabliert, hält nicht nur Beschäftigte, sondern gewinnt als attraktiver Arbeitgeber auch garantiert neue dazu. 
 
[1] ZAVA, Mental Health Report, Dezember 2021, https://www.personalwirtschaft.de/hr-organisation/bgm/artikel/psychische-erkrankungen-zava-studie-2021.html  
[2] ZAVA, Mental Health Report, Dezember 2021 https://www.personalwirtschaft.de/hr-organisation/bgm/artikel/psychische-erkrankungen-zava-studie-2021.html
[3] ebd.
[4] Generation Y „Warum Vereinbarkeit die neue Währung für soziale Nachhaltigkeit ist, 2021, S.6

1 Kommentar:

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