Montag, 28. Februar 2022

Vereinbarkeit in Zahlen: Der Arbeitswandel und die Folgen

Stichwörter rund um die Vereinbarkeit (©berufundfamilie Service GmbH)

Singles und Frauen leiden stärker im Home-Office, 1/3 aller Führungskräfte befürchten mehr Burnout-Erkrankungen bei ihren Beschäftigten. New Work braucht die klare Trennung von Arbeit und Privatleben und für 34% der Beschäftigten wäre es möglich, auch mobil im Ausland zu arbeiten. Mehr zu aktuellen Studien aus der Arbeitswelt in der neuen Ausgabe „Vereinbarkeit in Zahlen“.


Mehr als 1/3 der Arbeitgeber befürchten Burn-Out bei eigenen Beschäftigten

Die Arbeitsmarktstudie von Robert Half offenbart ernüchterndes: 39% der Führungskräfte halten es für wahrscheinlich, dass es bei ihren Beschäftigten in diesem Jahr zu einem Burnout kommen könnte. Für die Studie wurden 300 Personen mit Personalverantwortung in Deutschland befragt. Die Führungskräfte nannten als mögliche Risikofaktoren die Angst vor Kündigung (28%), dicht gefolgt von der erschwerten Vereinbarkeit von der Arbeit im Home-Office mit gleichzeitiger Kinderbetreuung (23%). 22% sehen die Verkleinerung von Teams, gewachsenen subjektiven Leistungsdruck und 19% Perspektivlosigkeit in Bezug auf die eigene Rolle als Gründe für eine mögliche Erschöpfung. Auch nicht genommener Urlaub (18%), Mobbing (17%), fehlende Anerkennung (17%) und eine fehlende Work-Life-Balance (15%) können laut den Führungskräften mögliche Auslöser sein.

Besonders die Herausforderungen berufstätigten Eltern werden bereits erkannt. So bieten 44% der Organisationen bereits mehr Unterstützung an, 37% erlauben eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. 27% erweiterten ihr Gesundheits- und Wellnessangebote.

Robert Half, Arbeitsmarktstudie, Juni 2021
https://www.vdi-nachrichten.com/karriere/arbeitsmarkt/fuehrungskraefte-befuerchten-burn-out-bei-mitarbeitenden/



Digitalisierung: Klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben wichtig

Flexibles Arbeiten und der digitale Wandel haben keine negativen Effekte, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte dabei die strikte Trennung von Arbeit und Privatleben aufrechterhalten. Die Beschäftigten werden dann sogar leistungsfähiger, das ergibt eine Langzeitstudie der Krankenkasse Barmer zusammen mit der Universität St.Gallen. Für die Studie wurden 8.000 Erwerbstätige in Deutschland in 8 Wellen über 3 ½ Jahre befragt. Die aktuellen Ergebnisse stammen aus der 3. Befragung im Juli 2021. Die Studie befasst sich mit den Auswirkungen von Flexibilisierung und Digitalisierung auf die Arbeitswelt und betrachtet dabei das soziale Wohlbefinden der Beschäftigten.

Seit Beginn der Coronapandemie fühlen sich 32% der erwerbstätigten Frauen* und knapp 26% der Männer* erschöpft. Auch die Unsicherheit im Hinblick auf den eigenen Arbeitsplatz bleibt unverändert, bei Frauen* liegt sie bei 18%, bei Männern bei* 15%. Die Gründe dafür sehen die Autor*innen der Studie in einer bewussten Trennung von Arbeit- und Privatleben – auch im Home-Office. Hier scheinen Männer* einen Vorteil zu haben: 64% der männlichen Befragten haben einen abgetrennten Arbeitsraum, bei den Frauen* sind es 54%.

Leistungsfördernd beim mobilen Arbeiten ist zudem ein gutes Teamgefüge. Besonders wichtig: Faire Bedingungen und gleiche Chancen. Dies sehen allerdings lediglich 42% der Befragten bei sich als gegeben an, z.B. im Hinblick auf Karrieremöglichkeiten oder die Bezahlung. Auch hier zeigen sich Unterschiede zwischen Frauen* und Männern*. 45% der männlichen Beschäftigten nehmen eine Chancengleichheit wahr, bei den Frauen* sind es dagegen weniger als 40%.

Für erfolgreiches mobiles Arbeiten ist zudem auch der Digitalisierungsgrad einer Organisation entscheidend. So steigt mit Einführung digitaler Arbeitsmethoden zunächst das Stresslevel, nach erfolgreicher Einführung liegt es allerdings niedriger als davor. Mittelfristig machen Home-Office und flexiblere Arbeitszeitmodelle die Beschäftigten gesünder und leistungsfähiger.

BARMER & Universität St. Gallen, social health@work, Januar 2022
https://www.barmer.de/presse/presseinformationen/2022-presse-archiv/social-health-work-367494



Unzufriedenheit mit der eigenen beruflichen Situation bei 28% der Frauen* nach Pandemiejahren gestiegen

Eine Forsa-Umfrage in Zusammenarbeit mit XING Recruiting zur Wechselbereitschaft von Erwerbstätigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt: Insbesondere Frauen* ziehen nach zwei Jahren Arbeitswelt unter Corona-Bedingungen eine ernüchternde Bilanz. 28% der weiblichen Erwerbstätigen sind aktuell unzufriedener mit der eigenen beruflichen Situation als vor Corona. Dabei ist Arbeitsunzufriedenheit wesentlich höher als bei den Männern*, von ihnen sagen 18%, dass Corona sich negativ auf die eigene Arbeitszufriedenheit ausgewirkt hat. Auch der Anteil an weiblichen Befragten, die sich einen Jobwechsel vorstellen können, hat sich erhöht. Im Jahr 2021 konnten sich 32% vorstellen, ihren Arbeitgeber zu wechseln, aktuell sind es 38%.

Gesundheitliche Aspekte sind bei Frauen* ebenfalls bedeutender als bei Männern*. Jede zweite Befragte (49%) äußert, dass es ihr wichtig sei, dass der Arbeitgeber auf das psychische Wohlergehen seiner Beschäftigten achte. Bei Männern* sind es dagegen lediglich 36%. 42% der befragten Frauen* wünschen sich zudem von ihrem Arbeitgeber Maßnahmen zur Unterstützung der Gesundheitsvorsorge, bei den Männern* sind es 36%.

Für die befragten Frauen sind flexible Arbeitszeiten tendenziell wichtiger als eine höhere Vergütung. So wünschen sich 59% der Frauen flexible Arbeitszeiten, aber nur 52% ein höheres Gehalt. Der Anteil der Männer* liegt bei beiden Wünschen jeweils bei 54%.
Ein besonders deutlicher Unterschied zwischen Männern* und Frauen* zeigt sich im Wunsch ortsflexibel arbeiten zu können. Für 48 % der Frauen* ist dies ein wichtiger Aspekt, bei den Männern* sagen dies lediglich 38%.

Auch nach der Coronapandemie möchte rund die Hälfte der befragten Deutschen teilweise im Home-Office arbeiten. So sind 49% dafür, dass mindestens die Hälfte der Arbeitszeit außerhalb der Arbeitsstätte erbracht werden kann. Insbesondere bei Frauen* und in der Altersgruppe der 30- 49-Jährigen ist der Wunsch nach Arbeitsortflexibilisierung besonders ausgeprägt. Hier plädieren 55% der Befragten für die Möglichkeit, mindestens die Hälfte der Arbeitszeit im Home-Office zu verbringen. Als Vorteile eines solchen Modells werden das Wegfallen des Arbeitswegs, geringere Kosten und die freie Zeiteinteilung genannt. Auch der Schutz vor einer Corona-Erkrankung spielt eine Rolle.

Es zeigt sich: Die Beschäftigten ziehen die Wahlfreiheit des Arbeitsorts finanziellen Zusatzleistungen vor. So würden sich 61% der Frauen*, bei der Wahl freie Arbeitsplatzwahl oder mehr Geld bei gleichzeitiger Präsenzpflicht, für die Möglichkeit auf ortsflexibles Arbeiten entscheiden. Auch bei Männern* überwiegt der Wunsch nach der freien Arbeitsplatzwahl. Hier wählen 53% die Entscheidungsfreiheit.

Forsa & XING E-Recruiting, XING Wechselbereitschaftsstudie, Januar 2022
https://www.e-commerce-magazin.de/arbeitswelt-waehrend-corona-wie-zufrieden-sind-erwerbstaetige-nach-2-jahren-pandemie/


Work-Life-Balance im New Normal immer wichtiger

Corona verschiebt den Fokus bei Beschäftigten. So ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance für viele Beschäftigten weltweit wichtiger geworden, gleichzeitig ist ein hohes Gehalt nicht mehr unbedingt ausschlaggebend dafür, ob Beschäftigte sich für einen Job entscheiden. Dies zeigt die Bain-Studie zur Arbeitswelt von morgen. Für sie wurden insgesamt 20.000 Beschäftigte in Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Nigeria sowie den USA befragt. Darüber hinaus gab es mehr als 100 Experteninterviews.

So möchten 58% der Erwerbstätigten sich wegen der Pandemie mehr Gedanken über ihre Work-Life-Balance machen. Lediglich 20% der Befragten äußern, dass eine gute Bezahlung ein entscheidendes Jobkriterium sei. Eine interessante Tätigkeit und flexible Arbeitszeiten gewinnen dagegen an Bedeutung. Dies geben insbesondere Befragte aus Deutschland an. Sie erachten diese Faktoren fast als genauso wichtig wie ein Top-Gehalt. Laut Studie legen insbesondere jüngere Beschäftigte Wert auf eine sinnstiftende und erfüllende Tätigkeit. Die Pandemie und das häufige Home-Office hinterlassen Spuren. So möchten 35% der Befragten in Deutschland gar nicht oder nur selten im Home-Office arbeiten. Dieser Schnitt ist höher als weltweit. 20% möchten dauerhaft von zu zuhause arbeiten, 45% bevorzugen hybride Arbeitsmodelle.

Es zeigt sich, die Corona-Krise hat gerade bei jüngeren Beschäftigten das Stresslevel erhöht. So sorgen sich 61% der unter 35-Jährigen um ihre finanzielle Situation, Jobsicherheit und die eigenen Karriereziele, bei den Älteren sind es dagegen lediglich 40%.

Bain& Company, The Working Future: More Human, Not Less, Februar 2022  

https://www.presseportal.de/pm/19104/5152957



Home-Office oder doch schon Work from anywhere?

Die Konstanzer Home-Office-Studie zeigt: Home-Office in Deutschland hat viele Facetten. Dies ergibt die Analyse der vierzehnten Befragungswelle im November 2021, an der 668 Erwerbstätige teilgenommen haben. Hat Home-Office Auswirkungen auf den Immobilienmarkt? Werden Beschäftigte durch die Möglichkeit mobil zu arbeiten in weiter entfernte Wohnorte ziehen? Die Studie liefert hier Hinweise. So können sich 31% der Beschäftigten vorstellen aus der Stadt in Vororte oder ländliche Gebiete zu ziehen und mehr mobil zu arbeiten. In die Tat umgesetzt haben dies allerdings nur 6 % der Befragten. Fällt das Büro als täglicher Arbeitsort weg, können die Beschäftigten im Home-Office arbeiten oder an dritten Orten wie z.B. Coworking Spaces. 29% der Beschäftigten können sich laut Studienergebnis vorstellen zukünftig verstärkt auch Coworking Spaces zu nutzen.

Mit 94% arbeitet allerdings die Mehrheit der Befragten im Home-Office, wenn sie mobil arbeitet. Lediglich 3% nutzen Coworking Spaces, 3% arbeiten an öffentlichen Orten wie Cafés. Mobiles Arbeiten wäre auch im Ausland möglich, doch können das Beschäftigte in Deutschland überhaupt? 34% der Beschäftigten geben an, dass es bei ihrem Arbeitgeber möglich sei, auch mobil im Ausland zu arbeiten. Das deutet an, dass viele Arbeitgeber flexibel mit mobiler Arbeit im Ausland umgehen – und das obwohl hier steuerrechtliche Tücken lauern, wenn Beschäftigte über längere Zeit im Ausland mobil arbeiten.

Future of Work Lab an der Universität Konstanz, Konstanzer Homeoffice Studie, Februar 2022
https://www.haufe.de/personal/hr-management/mobiles-arbeiten-working-from-anywhere_80_561570.html




Home-Office  – nicht für alle ein Sehnsuchtsort

Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) unter rund 1.000 Beschäftigten mit Büroarbeitsplatz zeigt, dass ein Großteil der Beschäftigten die Arbeit von zuhause aus als positiv bewertet. Insbesondere Frauen* und Singles leiden allerdings unter dem ständigen Home-Office. 3 von 5 Arbeitnehmenden, die schon einmal im Home-Office gearbeitet haben, bewerten dies überwiegend positiv. Lediglich 1/5 der Befragten hat negative Erfahrungen mit der Arbeit im Home-Office gemacht. 70% geben an, dass sie im Home-Office Beruf und Familie besser vereinbaren können. 1/5 der Umfrageteilnehmenden gibt zudem an, dass sich das mobile Arbeiten durch weniger Stress positiv auf die eigene Gesundheit auswirke. Ebenso viele geben allerdings auch an, dass sich das Wohlbefinden verschlechtert hat.

Als negative Folgen werden insbesondere Rückenschmerzen und Muskelverspannungen genannt. Von allen, die negativen gesundheitliche Folgen schilderten, kämpft ein Drittel im Homeoffice mit verstärkten oder erstmaligen Rückenschmerzen und Muskelverspannungen. Dies zeigt sich auch in den Fehlzeiten der Beschäftigten. 24% aller Fehltage sind auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückzuführen.

Doch auch die Seele kann durch Home-Office in Mitleidenschaft gezogen werden. So gibt jede*r fünfte Befragte an, dass die Situation im Home-Office seelisch belastend sei. Depressionen und Niedergeschlagenheit haben demnach zugenommen. Besonders Singles leiden im Home-Office, da ihnen das Büro als sozialer Austauschort wegbricht. Auch Frauen* leiden besonders. So sind ca. 2/3 der von psychischen Erkrankungen betroffenen Berufstätigen im Home-Office weiblich. Dies hängt insbesondere mit der gleichzeitigen Belastung von Care-Aufgaben und Home-Office zusammen.

KKH Kaufmännische Krankenkasse & Forsa, Home Sweet Homeoffice: Was das mit Arbeitnehmern macht, Februar 2022
https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/homeoffice

 

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