Mittwoch, 17. Januar 2024

Programmierte Zunahme des IT-Personalmangels?: Zahlen, Daten und (Vereinbarkeits-) Chancen

Vereinbarkeitsfördernde Personalpolitik eröffnet IT-Branche bessere Aussichten (Quelle: deathtothestockphoto.com)

Die IT-Branche zählt zu den Sektoren mit dem stärksten Fachkräfteengpass. Wo und wie sehr der personelle Schuh in der Informationstechnik/ -technologie drückt und warum die Gestaltung eines vereinbarkeitsfördernden Arbeitsumfelds in mehrfacher Hinsicht für Entlastung sorgen kann, erkunden wir in diesem Beitrag.

96.675 (steuerpflichtige) IT-Unternehmen zählte das Statistische Bundesamt 2021. 86,4% davon waren Kleinunternehmen, 13,2% mittelständische und 0,4% Großunternehmen. Vor allem der Bereich Software und IT-Services, der mit 91.251 Organisationen vertreten war, prägt diese Unternehmensbranche. 1.364 Firmen waren dem Bereich IT-Hardware zugeordnet, weitere in der Telekommunikationshardware, in Consumer Electronics und in TK-Diensten. Zusammen erwirtschafteten sie 118,9 Milliarden EUR.[1] Daran maßgeblich beteiligt sind die über 1 Mio. Beschäftigten.

Zwar hat mit der Coronapandemie der Bedarf an IT-Lösungen und damit der Fachkräfte, die diese umsetzen, besonders stark zugenommen – So stieg allein zwischen 2021 und 2022 der Anteil von Angestellten in der IT-Branche an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 2,1 auf 2,8 %.[2] –, doch der Wachstumstrend zeigt sich schon seit vielen Jahren. Die Gruppe der in der IT Arbeitenden hat sich über die vergangenen 10 Jahren um 40% vergrößert.

Und es werden heute und morgen noch mehr ITler*innen benötigt. Laut Bericht des Branchenverbands Bitkom wird allein bis zum Jahresende 2024 ein Zuwachs von 30.000 Stellen im IT-Sektor erwartet, womit die Zahl der IT-Erwerbstätigen auf 1,37 Mio. steigen wird.[3] Nach IW-Studie wird es 2026 mit rund 84.500 Softwareentwickler*innen fast doppelt so viele geben wie fünf Jahre zuvor (2021).[4]

Wer sich als Arbeitnehmende*r im IT-Sektor umschaut, hat also beste Chancen auf einen Job. Doch die hohe Nachfrage an IT-Fachkräften erweist sich jetzt schon als ausgewachsener Personalmangel, der nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für die bereits Mitarbeitenden negative Auswirkungen hat bzw. haben kann.

Doch schauen wir zunächst auf die Zahlen, die das Defizit an ITler*innen umreißen[5]:

Schon jetzt sind 149.000 IT-Jobs unbesetzt. Durchschnittlich 7,7 Monate braucht es, bis eine Position adäquat (neu) ausgefüllt wird. Die Berufsfelder, in denen sich auf dem IT-Arbeitsmarkt der Personalmangel am deutlichsten zeigt, sind[6]:
  • IT-Security-Fachkräfte, wie Pen Tester, IT-Security-Analyst*innen oder IT-Sicherheitsbeauftragte
  • Softwareentwickler*innen und Softwarearchitekten - insbesondere mit Skills in Java, nodeJS, C, C++, C#, PHP, SQL oder iOS bzw. Android
  • IT-Architekt*innen
  • Administrator*innen und IT-Anwendungsbetreuer*innen
  • Data Scientists und Big Data-Expert*innen
  • KI-Entwickler*innen

Die Belastung der vorhandenen Mitarbeitenden in IT-Unternehmen droht mit dem sich ausweitenden Defizit an Kolleg*innen zu steigen. Waren immer schon z.T. ungünstige Arbeitszeiten ein Attraktivitätshindernis, könnten die Anforderungen an Beschäftigte aufgrund der unzureichenden Personaldecke noch größer werden. Eine Aussicht, die Fachkräfte mehr denn je abschrecken könnte.

Negativ dürfte sich zusätzlich das Image auswirken, eine männerdominierte Branche zu sein. Tatsächlich machen weibliche Beschäftigte nur 15% der Belegschaft aus.[7] Vor allem in Führungspositionen sind wenig Frauen zu finden.[8]

Was tun angesichts dieser prekären Lage?


Bitkom stellte Anfang 2023 dazu die Ergebnisse einer Befragung unter den eigenen Mitgliedsunternehmen vor.[9] 48% aller IT-Unternehmen meinten demnach, dass KI im eigenen Unternehmen beim Abbau des Fachkräftemangels helfen kann. Doch grundsätzlich müsse schon vor Eintritt in die Unternehmen mehr passieren. So wünschten sich die IT-Arbeitgeber, dass die Ausbildung in MINT-Fächern intensiviert würde – auch für weibliche zukünftige Erwerbstätige.

Mit Blick auf Frauen – aber nicht nur auf Frauen – liegt ein enormes Potenzial in einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik.
 

Betriebliche Vereinbarkeitspolitik: Nachhaltig Maßnahmen und Kultur gestalten

Insbesondere Angebote zu Remote Work eröffnen einen Umgang mit den Arbeitszeiten, der sich mit dem Privatleben besser vereinbaren lässt als Präsenzzeiten im Büro. Doch auch im Handlungsfeld Arbeitszeit gibt es zahlreiche Stellschrauben, durch die Stressoren verringert werden können: Sei es durch eine höhere Flexibilisierung der Arbeitseinsätze, die von den Beschäftigten eigenverantwortlich gesteuert wird, und/ oder (begleitend) durch klare Regelungen, die die Planbarkeit erhöhen und mit denen darauf geachtet werden kann, dass Mitarbeitende nicht in eine Mehrstundenspirale geraten. Ein bewährtes Tool ist hier z.B. das Ampelsystem.

Flexibilisierung und transparente Regelungen – gepaart sind sie einer der Erfolgsfaktoren einer gelingenden Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, aber bei weitem nicht der alleinige. Essenziell sind nicht nur Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsorganisation). Gerade von den kulturprägenden Aspekten ist es abhängig, ob das Engagement der Arbeitgeber für die Vereinbarkeit Früchte trägt. So sind Information und Kommunikation sowie Führung zentrale Handlungsfelder, die kombiniert mit einer durdachten Personalentwicklung nachhaltig wirken. Flankierende Maßnahmen aus den Bereichen finanzielle Zusatzleistungen und Serviceleistungen machen das Paket im Sinne einer holistischen betrieblichen Vereinbarkeitspolitik komplett.


Und dieses Paket wirkt sich positiv auf Betriebsklima und Arbeitgeberattraktivität aus. Bei den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen drückt sich dieser Nutzen u.a. in einer Reduzierung der Fehlzeiten- und Krankheitsquote und oftmals auch gesteigerten Produktivität der Mitarbeitenden aus. Das resultiert aus einer höheren Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten, die sie aus dem vereinbarkeitsfördernden Arbeitsumfeld ziehen. Entsprechend ist die Bindung von Arbeitnehmenden bei vereinbarkeitsbewussten Organisationen höher als bei denen, die sich nicht systematisch mit Work-Life-Themen auseinandersetzen.[10] Doch die Wirkung beschränkt sich nicht auf das Interne. Auch nach außen liefert eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik ein attraktives Bild, das im Wettbewerb um Talente mitentscheidet.


Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben, die sich passgenau ausgestalten lassen, sind ein überzeugendes Argument. Auch – bzw. laut Studien insbesondere – die jüngeren Generationen fühlen sich von einem Unternehmen angesprochen, das die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden fördert. Zunächst einmal gilt dies geschlechterunabhängig. Wohlwissend, dass (immer noch) Frauen den Großteil der Care- und Hausarbeit im privaten Bereich übernehmen, eröffnet eine vereinbarkeitsbewusste Arbeitsumfeld große Chancen, weibliche Bewerberinnen anzulocken. Profitieren davon könnten auch die kleinen IT-Unternehmen[11]: 57% von ihnen sehen in dem Mangel an Bewerberinnen eine Hürde für ihr Unternehmen, während es bei den großen Unternehmen – nur, aber immer noch – 24% sind. Bezahlt machen können sich u.a. beispielsweise Wiedereinstiegsprogramme, denn 48% der kleinen IT-Unternehmen haben Schwierigkeiten, Beschäftigte nach einer privat bedingten Auszeit wieder (voll) zurückzugewinnen. Und 14% der Großunternehmen nehmen Probleme beim Wiedereinstieg wahr. Dabei sehen große IT-Arbeitgeber die Hürden weniger einer mangelnden Infrastruktur für die Kinderbetreuung (8%) als in einer schlechteren „Selbstvermarktung“ der Frauen gegenüber der von Männern (57%). Bei den kleinen IT-Unternehmen sind es jeweils nahezu vier von zehn (36%), für die das Defizit an weiblichen Mitarbeitenden mitverursacht wird durch eine ungenügende Betreuungsinfrastruktur und einem vergleichswiese geringeren Eigenwahrnehmung und -darstellung der Frauen als kompetente und wertvolle IT-Fachkräfte.

[1] Vgl. https://www.bitkom.org/Themen/Marktdaten/ITK-Konjunktur/Anzahl-ITK-Unternehmen
[2] Vgl. https://www.iwd.de/artikel/die-it-branche-waechst-572379/
[3] https://www.bitkom.org/Themen/Marktdaten/ITK-Konjunktur/Anzahl-ITK-Unternehmen
[4] Vgl. https://www.get-in-it.de/magazin/arbeitswelt/it-arbeitsmarkt/so-sieht-der-it-arbeitsmarkt-aus
[5] Bitkom, Bitkom-Studie zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte, https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Rekord-Fachkraeftemangel-Deutschland-IT-Jobs-unbesetzt, 13.01.2023
[6] https://www.get-in-it.de/magazin/arbeitswelt/it-arbeitsmarkt/so-sieht-der-it-arbeitsmarkt-aus
[7] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Frauen-ITK-Tech-Branche
[8] https://www.personalwirtschaft.de/news/recruiting/mangelnde-work-life-balance-haelt-frauen-von-it-karriere-ab-100037/
[9] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Frauen-ITK-Tech-Branche
[10] Siehe https://www.ffp.de/files/dokumente/2013/ub2012_bericht.pdf
[11] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Frauen-ITK-Tech-Branche


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