Mittwoch, 14. August 2024

Lebensphasenbewusstsein: Mit Angeboten für unterschiedliche zeitliche Entwicklungsabschnitte der Beschäftigten Vereinbarkeit und Vielfalt fördern

Jede Lebensphase stellt ihre eigenen Anforderungen – beruflich und privat (Quelle: John Diez on Unsplash)

Wie zeigen sich Lebensphasen eigentlich im beruflichen Kontext? Und inwiefern verbinden lebensphasenorientierte Angebote von Arbeitgebern die Themenwelten Vereinbarkeit und Vielfalt? Ein Einblick in Verständnis und Praxis der lebensphasenbewussten Personalpolitik.

Eine Lebensphase ist ein zeitlicher Abschnitt in der Entwicklung eines Individuums, der sich in der Regel von anderen Phasen des Lebens abgrenzen lässt – und zwar anhand von definierten Merkmalen. Je nach Kontext können die Merkmale durchaus unterschiedlich sein; es gibt biologische und andere wie beispielsweise Altersstufen. Als grobe Lebensphasen gelten etwa weithin Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter. Schon in der Antike gab es unterschiedliche Ansätze bzw. Zählweisen für Lebensphasen. Während z.B. der Philosoph Solon (* 640 v. Chr.) zehn Phasen auswies, die jeweils sieben Jahre dauerten, waren es bei Aristoteles (* 384 v. Chr.) nur noch drei Phasen.

Aus dem Blickwinkel der lebensphasenbewussten Personalpolitik heraus werden berufliche Entwicklungsstadien gemeinsam mit privaten Entwicklungsabschnitten betrachtet. Die ersten beiden Lebensdekaden sind zu großen Teilen durch Bildung geprägt. Bei manchen zieht sich dies bis weit in die 20er Jahre hinein. Darauf folgt i.d.R. die Phase des Berufseinstiegs, in der die eigenen Ressourcen stark in die Erwerbstätigkeit gesteckt werden. Tritt dann die Familiengründungsphase – mit Elternzeit – und anschließender Erziehungszeit ein, kann sich der Fokus wieder mehr ins Private verlagern. Möglich ist anschließend, weil die Kinder „aus dem Gröbsten raus sind“, dass eine Karrierephase eingeleitet wird. Oft geraten Beschäftigte karrieretechnisch irgendwann auf ein Plateau. Es ist nicht unüblich, dass dieses dann erreicht ist, wenn wieder eigene private Aufgaben dauerhaft mehr Aufmerksamkeit benötigen – wie etwa die Pflege eines Angehörigen. Letztendlich kommt die Phase des Übergangs in den Ruhestand.

Die Phasen und deren Dauer sind allerdings nicht fest vorgezeichnet. Die Ausprägung der Lebensphasen ist somit bereits in sich divers. Und auch die individuelle Gestaltung der jeweiligen Phase – also im Sinn der Frage „Wie nehmen sich die einzelnen Beschäftigten den Herausforderungen (beruflich oder privat) an?“ – ist ein Ausdruck von Vielfalt.

Entscheidend für Arbeitgeber ist: Erwerbstätigkeit und Privatleben müssen zusammenhängend betrachtet werden, denn die endlichen Ressourcen von Beschäftigten sind zwischen beruflichem und privatem Bereich aufzuteilen. Und das passiert je nach Individuum ganz unterschiedlich. Es bedarf daher eines lebensphasenbewussten Portfolios an Angeboten, dass der Individualität der*des Mitarbeitenden Rechnung trägt – sowohl bzgl. Zeitpunkt, Dauer und Ausprägung der Lebensphase als auch dem jeweiligen Vereinbarkeitswunsch entsprechend.

Mit welchen Maßnahmen bzw. Aktionen können Arbeitgeber dieser Maßgabe entsprechen? Wir haben in die Lösungen geschaut, die wir anlässlich unserer vergangenen „Wochen der Vereinbarkeit“ sammelten. Die standen zwar unter unterschiedlichen Mottos, aber viele der Beispiele haben einen Nenner – nämlich lebensphasenbewusst zu sein. Die drei im Folgenden genannten Beispiele waren zum Zeitpunkt der jeweiligen Woche der Vereinbarkeit aktuell, können sich aber bis jetzt verändert haben. Im jedem Fall dienen sie der Veranschaulichung des Verständnisses von einer lebensphasenbewussten Personalpolitik und deren Umsetzung in konkreten Maßnahmen.

Lebensphasenbewusste Maßnahmen


Die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die seit 2006 ihre vereinbarkeitsfördernden Arbeitsbedingungen mit dem audit berufundfamilie gestaltet, führte zum 01.05.2023 das Angebotsportfolio „KPMG fleXwork – Eine Arbeitswelt, die zu dir passt“ ein. Dabei wurden die zahlreichen bereits vorhandenen Modelle und seither auch jüngere Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort unter der Dachmarke gebündelt. Hierzu gehören Angebote zum mobilen Arbeiten im In- und Ausland, verschiedene Optionen zur Variierung der Arbeitszeit, Zeitkontenmodelle (z.B. für Sabbaticals) und Wiedereinstiegsmodelle. Zudem umfasst fleXwork auch Arbeitszeitmodelle zur Familienpflegezeit und Pflegezeit. Das Gesamtpaket und seine Bausteine tragen in besonderem Maße dazu bei, flexibel auf Lebensphasen und -ereignisse zu reagieren.

Die seit 2013 nach dem audit berufundfamilie zertifizierte Transgourmet Deutschland GmbH & Co. OHG zeigt mit dem Konzept „Max und die Lebensphasen“ seit 2018, dass es in jeder Lebensphase offen und ehrlich, einfach fair miteinander umgehen möchte. Der im Mittelpunkt stehende fiktive Mitarbeitende Max ist 25, Single und hat keine Familienaufgaben im engeren Sinne. Dennoch profitiert Max von der lebensphasenbewussten Ausrichtung seines Arbeitgebers. Schließlich sind die Vereinbarkeitsaspekte vielfältig: Personalentwicklung, Arbeitszeitgestaltung, Führung, Gesundheitsmanagement, Ansprechpartner*innen in schwierigen Situationen, die Möglichkeit den Hund in Notfällen mit ins Büro zu nehmen, die Rücksichtnahme auf ein Hobby, eine Vereinstätigkeit oder ein Ehrenamt, Kontakthalteprogramme bei längerer Abwesenheit, das Nutzen des Concierge-Service, um z.B. Pakete ins Büro geschickt zu bekommen, etc. Alle diese Themen sind unabhängig von Kindern oder Pflege. Laut Transgourmet soll das Engagement des Unternehmens in Sachen Vereinbarkeit jeder*jedem Beschäftigten zugutekommen; also jede*r soll in jeder Lebensphase von den Umsetzungen der Maßnahmen im Rahmen des audit berufundfamilie profitieren – nicht nur, wer Kinder hat. Und: Lebensphasen ändern sich und auch für den Fall, dass es schwierig wird, hat Transgourmet den Anspruch, dass jemand da, die*der zuhört, vermittelt, hilft.

Die Zollverwaltung – Generaldirektion (GZD), die sich 2016 erstmals zertifizieren ließ, berichtetet uns von einem Ehepaar, das am Hauptzollamt beschäftigt war. Als klar war, dass das Paar Eltern wird – und zwar von Drillingen –, war ein lebensphasengerechter Dienstellenwechsel gefragt. Um bereits während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt größtmögliche Unterstützung zu leisten, wurde dem Vater ermöglicht, zweimal unkompliziert die Dienststelle zu wechseln – zunächst nahe dem Wohnort und dann nach einem Umzug der Familie wieder wohnortnah. Somit war ein Einsatz nahe dem Heimatort möglich und der Vater konnte in der Elternzeit bei Besuchen von Kinderärzt*innen und sonstigen logistisch schwierigen Terminen vor Ort sein.

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