Donnerstag, 12. April 2018

Interview: „Vereinbarkeit ist aus der Hochschullandschaft nicht mehr wegzudenken. Dazu hat das audit wesentlich beigetragen“

Die Christian-Albrechts-Universität trägt seit 2002 das Zertifikat zum audit familiengerechte hochschule
(Foto: Jürgen Haacks / Uni Kiel)

2002 wurden erstmals Universitäten und Hochschulen durch das Zertifikat zum audit familiengerechte hochschule ausgezeichnet. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist mit heute rund 26.500 Studierenden und 3.800 Beschäftigten Zertifikatsträgerin der ersten Stunde. Bettina Bolterauer, Leiterin des Familien- und Welcome Services in der Stabsstelle Gleichstellung, Diversität und Familie, berichtet über die Gründe der Zertifizierung, die Stellung der Vereinbarkeit in der Hochschullandschaft und die Highlights von 134 vereinbarten Maßnahmen in 16 Jahren Zertifikatsträgerschaft. 


1. Seit wann begleiten Sie die berufundfamilie?


Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist seit Bestehen des audit familiengerechte hochschule durch dieses zertifiziert. Der Prozess dazu startete 2001 als wissenschaftliches Projekt an der Universität Trier mit dem Titel „Weiterentwicklung des Audits Beruf & Familie zum audit familiengerechte hochschule“. Die CAU bewarb sich für die Pilotphase und durchlief diese zusammen mit drei anderen Hochschulen erfolgreich, so dass wir 2002 unser erstes Zertifikat erhielten. Zuletzt haben wir uns 2016 als Pilothochschule für die berufundfamilie zur Verfügung gestellt, als es darum ging, das neue Dialogverfahren zur Erlangung des Dauerzertifikats für das audit familiengerechte hochschule zu entwickeln.


2. Erinnern Sie sich noch, aus welchen Gründen Sie die Zusammenarbeit mit der berufundfamilie gestartet haben?


Das audit wurde auf Betreiben der damaligen Frauenbeauftragten der CAU, Dr. Lesley Drewing, in Angriff genommen, die das Thema Vereinbarkeit von Familie mit Beruf sehr wichtig fand und hier einen Schwerpunkt ihrer Arbeit setzte. Besonders die unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Sensibilisierung der Führungsebenen und die Verbesserung der Studienorganisation sollten mit dem audit bewegt werden.


3. In welcher Funktion begleiten Sie die berufundfamilie und welche (spannenden) Projekte habe Sie gemeinsam umgesetzt? 

 

Für das audit familiengerechte hochschule liegt die Projektverantwortung derzeit bei mir als Leiterin des Familien- und Welcome Service in der Stabsstelle Gleichstellung, Diversität und Familie. Die Einrichtung dieser Servicestelle, und damit festen Ansprechpersonen für das Thema Vereinbarkeit von Familie mit Beruf und Studium für alle Mitglieder der Hochschule, ist eine der wichtigsten Errungenschaften, die das audit hervorgebracht hat. Die Servicestelle ist auch zuständig für die Verankerung des Themas in allen relevanten Dokumenten, Prozessen und Bereichen der Hochschule. Weitere wichtige geschaffene Strukturen sind Familienbeauftragte in den einzelnen Fakultäten und eine feste Ansprechperson in der Leitungsebene, die das Thema mit befördert.

Wir tragen das Zertifikat jetzt im 16. Jahr und haben einmal gezählt: 134 Maßnahmen sind in der Zeit vereinbart und zum großen Teil auch umgesetzt worden. Viele sind fest verankert und heute Standard, z.B. ein informativer Internetauftritt, flexible Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuung. An einer familienfreundlichen Führungskultur, die für den Erfolg des Themas extrem wichtig ist, muss hingegen fortwährend gearbeitet werden, da es an Hochschulen immer neues Personal betrifft.


4. Wie hat sich das Thema Vereinbarkeit aus Ihrer Sicht weiterentwickelt?


Das anfangs drängende Vereinbarkeitsthema „Kinderbetreuung sicherstellen“ hat sich, analog zum Diskurs in der Gesellschaft, durch innovative Modellbeispiele und durch verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen zu einer großen gelebten Vielfalt an Themen in diesem Bereich weiterentwickelt. Vereinbarkeit ist aus der heutigen Gesellschaft und auch aus der Hochschullandschaft nicht mehr weg zu denken. Dazu hat das audit wesentlich beigetragen, damit ließen und lassen sich bedarfsgerecht entwickelte und von der eigenen Leitungsebene getragene Maßnahmen umsetzen.

Aber auch wenn inzwischen vieles erreicht worden ist, gibt es immer noch Bereiche, in denen wir besser werden können. Beispielsweise werden Hochschulen immer internationaler und rekrutieren Personal und Studierende aus der ganzen Welt. Daher müssen in Folge auch Audit Zertifikate und begleitende Dokumente auf Englisch verfügbar werden, damit Hochschulen damit kommunizieren und für sich werben können.

Die jahrelange Auseinandersetzung mit Vereinbarkeitsthemen zeigt aber auch deutlich, dass es Grenzen gibt. Man kann Familienaufgaben mit Beruf und Studium vereinbaren, aber es bleibt immer ein Kompromiss. Dies zu akzeptieren und Prioritäten zu setzen fällt manchmal und manchem schwer. Vieles lässt sich gar nicht von Arbeitgeberseite lösen, da spielen private Entscheidungen, Lebensstile und der gesellschaftliche Kontext eine große Rolle.


5. Was wünschen Sie der berufundfamilie für die Zukunft?


Hinsichtlich der sich wandelnden Herausforderungen, die von den diversen Arbeitgeber*innen herangetragen werden, wünschen wir der berufundfamilie die Fähigkeit immer flexibel und innovativ darauf eingehen zu können. Besonders den Auditor*innen wünschen wir genug Zeit für die einzelne Einrichtung, damit der wichtige Austausch an der Basis weiterhin eine gute Zusammenarbeit ermöglicht.


Über die Autorin:
Frau Bettina Bolterauer ist Leiterin des Familien- und Welcome Service in der Stabsstelle Gleichstellung, Diversität und Familie und audit-Projektleitung für das audit familiengerechte hochschule.

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