Mittwoch, 27. Oktober 2021

Vereinbarkeit in Zahlen: Vor alten Problemen und neuen Erwartungen

Stichwörter zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (©berufundfamilie Service GmbH)

Aktive Vaterschaft wird immer präsenter in der Arbeitswelt, jeder fünfte Betrieb will Home-Office- Angebote nach Corona ausweiten und der Beruf als bedeutender Persönlichkeitsbestandteil. In der Oktober-Ausgabe der Blogreihe "Vereinbarkeit in Zahlen" finden Sie die neusten Studien rund um die Arbeits- und Vereinbarkeitswelt.

 

Bevorstehende Rückkehr ins Büro: 1/3 der Beschäftigten fürchtet negativen Einfluss auf Wok-Life-Balance

Die Coronapandemie sorgte dafür, dass zahlreiche Arbeitnehmende ins Home-Office geschickt wurden. Jetzt, da das Ende der Pandemie naht, steht in vielen Büros die Rückkehr an den Firmenarbeitsplatz an. Eine Umfrage des Onlineportals Glassdoor unter 1.000 Arbeitnehmenden in Deutschland offenbart: 1/3 der Beschäftigten befürchtet durch die Rückkehr ins Büro negative Auswirkungen auf die Work-Life-Balance. Ebenfalls 1/3 sorgten sich wegen des Arbeitsweges, der sie viel Zeit koste. Trotz dieser Befürchtungen gibt ¾ der Befragten an, sich wohl damit zu fühlen, wieder ins Büro zu gehen. Knapp 1/3 freut sich sogar auf die Rückkehr ins Büro. Hier zeigt sich ein Unterschied bei den Altersgruppen. Unter den jungen Beschäftigten freuten sich 44% auf die Rückkehr, unter den 45-54-Jährigen war es lediglich jede*r Fünfte (19%).
Im Hinblick auf effektives Arbeiten im Home-Office gab 23% der jungen Arbeitnehmenden an, dass sie weniger produktiv gewesen seien. Bei den älteren Befragten ab 55 Jahren äußerten dagegen lediglich 6%, dass sie Probleme hatten im Home-Office konzentriert zu arbeiten. 55% der Befragten empfand, dass die Coronapandemie Einfluss auf die eigene Karriere hatte. Sie gaben an, dass die Karriere seit Beginn der Pandemie stagniere oder sich verschlechtert habe.  

Onlineportal Glassdoor, Arbeitnehmerstudie, September 2021
https://www.businessinsider.de/gruenderszene/karriere-startup/work-life-balance-rueckkehr-aus-dem-home-office-jeder-dritte-besorgt/



Gewählter Beruf macht für viele einen Teil der Persönlichkeit aus

Die neue New-Work Befragung von Randstad und MenteFactum zeigt, dass für mehr als die Hälfte (56%) der Erwerbstätigen in Deutschland der Beruf ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeit ist. Beruf und Arbeitgeber werden dabei allerdings nicht synonym gesehen. So geben 52% der Befragten an, dass sie sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. Bei den unter- 30-Jährigen ist diese Gruppe wesentlich kleiner. In ihr können sich nur 32% mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. Hier zeigen sich die zunehmende Individualisierung und die klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben. So finden es 45% der 16- bis 29-Jährigen wichtig, Arbeit und Privatleben vollständig voneinander zu trennen. Bei der Altersgruppe 45+ äußern dies lediglich 34%.
Arbeitgeber müssen immer mehr bieten, um Arbeitnehmer*innen für sich zu gewinnen. Die Rolle der Arbeit ist zudem klar: 80% der Beschäftigten arbeiten, um Geld zu verdienen. 74% brauchen einen Sinn in ihrem Job und für 70% sind interessante Arbeitsinhalte von Bedeutung.

52% der Befragten möchten sich zudem zu einer*m Expert* in einem bestimmten Bereich weiterentwickeln, der Anteil bei den über 30-Jährigen liegt hier bei 62%. Führungskraft werden, verliert dagegen an Attraktivität. Dies können sich lediglich 32% der Erwerbstätigen vorstellen. Wesentlich wichtiger ist den Beschäftigten dagegen, dass ihr Beruf gesellschaftlich anerkannt ist. Dies gaben 43% der Befragten an. Es wurden insgesamt 1.059 Beschäftigte ab einem Alter von 16 Jahren  zum Thema „Zukunft der Arbeit“ befragt.

Randstad & MenteFactum, New-Work Befragung, Oktober 2021 


Umgang der Deutschen mit Stress verschlechtert sich

Laut gemeinsamem Report der Krankenversicherung DKV und der Sporthochschule Köln leben die Deutschen immer ungesünder. Lediglich jede*r 9 Bürger*in hat einen rundum gesunden Lebensstil in Bezug auf Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchen, Alkoholkonsum und Stresslevel. Besonders das viele Sitzen stelle ein Problem dar. So sitzen Deutsche durchschnittlich pro Werktag 8,5 Stunden. Junge Erwachsene (18 bis 29 Jahre) sitzen sogar rund 10, 5 Stunden. Dies ist meist der Arbeit am Computer geschuldet. Gestiegen ist laut Report auch das Stresslevel der Befragten. 60% fühlen sich gestresst oder finden keine wirksamen Ausgleichsstrategien. Lediglich 40% geben an, dass sie es schaffen, Stress abzubauen. 2018 lag dieser Anteil noch bei 57%. Dies stelle das bisher höchst gemessene Stressniveau dar, laut Report. Auch in Sachen Bewegung zeigt sich ein Trend nach unten: 11% sind laut Studie Minimalist*innen in Sachen Bewegung mit 150 bis 300 Minuten. Nahezu jede*r fünfte Deutsche liegt sogar unter diesen 150 Minuten körperliche Aktivität.
Es wurden insgesamt 2.800 Personen ab 18 Jahren befragt.

DKV & Sporthochschule Köln, DKV-Report 2021, Oktober 2021 


Väter möchten mehr Familienaufgaben übernehmen

Aktive Vaterschaft wird immer beliebter unter Vätern*. Dies zeigt die neue Ausgabe des Väterreports des Bundesfamilienministeriums. 55% der befragten Väter* würden gerne die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Dieser Wunsch nach mehr Erziehungsbeteiligung zeigt sich auch bei der Inanspruchnahme von Elterngeld. Hier gab es eine Verdopplung von 2008 auf 2018 auf 42, 1%. Trotz dieser Entwicklungen haben viele Väter* immer noch mit dem Rollenkonflikt aus Hauptverdiener und Vater* zu kämpfen. So äußern 45% der Väter*, dass sie nicht genug Zeit für den eigenen Nachwuchs haben. Lediglich 17% der Väter*mit ältestem Kind unter 10 Jahren äußerten, dass sie ihren Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung umsetzen können. 

Eins zeigt sich dennoch deutlich: Der Mann* als Alleinverdiener ist auf dem Rückzug. Allein 2006-2019 stieg der Anteil jener Familien, bei denen der Vater* eine Vollzeitstelle hatte und die Mütter* 20- 36 Stunden arbeiteten von 19% auf 36%. Die große Mehrzahl der Väter* ist aber weiterhin in Vollzeit tätig. Hier liegen Wunsch und Realität noch deutlich auseinander. Die Hälfte der Väter, deren ältestes Kind unter 10 Jahren ist, würde gerne die Arbeitszeit reduzieren, 42% der Mütter* würden dagegen ihre Arbeitszeit erhöhen oder wieder anfangen zu arbeiten.

Die Coronapandemie und die dazugehörigen Lockdowns führten dazu, dass Väter* mehr Aufgaben bei der Familienarbeit übernommen haben. So bestätigten dies 2/5 der Väter* mit Kindern unter 15 Jahren bei einer Befragung im Februar 2021. Ca. jede fünfte Paarfamilie äußerte, dass sich die Familienarbeit partnerschaftlicher aufteile. Dies wollen auch die Hälfte der Familien nach der Pandemie so beibehalten. Die Frauen* übernahmen den Großteil der Familienarbeit mit 9,6 Stunden, allerdings war der relative Anstieg bei den Vätern* höher. So gab es hier eine Veränderung um 89% und die Anzahl der Stunden stieg von 2,8 auf 5,3 Stunden. Bei den Vätern* war der Anteil der Familienarbeit abhängig vom Arbeitsort: So war die Familienarbeitszeit im Vergleich bei jenen Vätern* höher, die im Home-Office arbeiteten. Bei Paarfamilien, in denen beide Eltern remote arbeiten konnten, war die Verteilung der Familienarbeit auf beide Elternteile gleichmäßiger.

Es zeigt sich zudem: Immer mehr Organisationen nehmen das Schaffen von familienbewussten Maßnahmen und speziell die Väterforderung in den Fokus. So gab es in nahezu doppelt so vielen Unternehmen die Möglichkeit zu vollzeitnaher Teilzeit (35,8%). Immer mehr männliche Führungskräfte nehmen zudem Elternzeit in Anspruch. Dieser Anteil lag bei ca. 1/3.

Bundesfamilienministerium, Väterreport 2021, Oktober 2021                                                                                   




Jede fünfte Organisation plant Home-Office-Angebote nach Corona auszuweiten

Die monatliche repräsentative Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid.19- Krise“ des IAB liefert neue Erkenntnisse zur Bedeutung von Home-Office in den Betrieben. An der Befragung nehmen 1.500 -2.000 Betriebe teil. Im Juli 2021 lag der Anteil der Betriebe, die ihren Beschäftigten Home-Office ermöglichten, bei 50%. Allerdings hatten nur 40% der dort Beschäftigten eine Tätigkeit inne, die sich tatsächlich für Home-Office eignete. 76% der Beschäftigten arbeiten bei Betrieben mit Home-Office-Möglichkeiten. Fast alle Betriebe, in denen kein Home-Office für die Beschäftigten möglich ist, gaben an, dass sich bestimmte Arbeiten nicht von Zuhause aus erledigen ließen. 1/3 von ihnen nannte die fehlende technische Ausstattung als Grund, 20% den Datenschutz.

Das nicht genutzte Home-Office-Potenzial stieg im Vergleich zum März/April 2021 um 3 Prozentpunkte von 9% auf 12%. Laut den Forscher*innen hänge dies mit dem Auslaufen der Home-Office-Pflicht und dem Infektionsgeschehen zusammen. Hinzu kommt zudem der Wille vieler Beschäftigter wieder ins Büro zu gehen. Die Betriebsbefragung zeigt außerdem, dass der Anteil von Beschäftigten, die vom Angebot auf Home-Office ganz oder teilweise Gebrauch machen, mittlerweile von 78 auf 70% gesunken ist.

Das Ende der Pandemie wirft seine Schatten voraus. 2/3 der Betriebe, die Home-Office grundsätzlich ermöglichen, wollen das Angebot wieder auf Vorkrisen-Niveau reduzieren. Jede fünfte Organisation möchte die Home-Office-Möglichkeiten nach Corona sogar erweitern. Dieser Anteil ist hier bei den Großbetrieben mit 64% wesentlich höher als bei kleineren und mittleren Betrieben. Überraschenderweise plant jeder zehnte Betrieb eine Reduktion der Home-Office-Möglichkeiten, die bereits vor Corona vorhanden waren.

Im Oktober 2020 wurden die Betriebe zu den Gründen für mehr oder weniger Home-Office nach der Krise befragt. Organisationen, die mehr Home-Office anbieten wollen, begründeten dies mit der Flexibilität für ihre Beschäftigten und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 2/3 jener Betriebe, die angaben, das Home-Office- Angebot nicht zu erweitern oder zurückzufahren, begründen diese mit Tätigkeiten, die für das Home-Office ungeeignet sind. Etwa die Hälfte gab an, dass die erschwerte Zusammenarbeit ein Grund sei und es Bedenken hinsichtlich einer Ungleichbehandlung von Beschäftigten gebe. 40% äußerten, dass die Unternehmenskultur eine Ausweitung des Home-Office nicht ermögliche.

IAB, IAB-Betriebsbefragung "Betriebe in der Krise", Oktober 2021  



Fachkräftemangel bleibt großes Problem für KMU


40% der kleinen und mittelständischen Unternehmen haben weiterhin das Problem, Fachkräfte für sich zu gewinnen bzw. diese an sich zu binden. Es zeigt sich hier ein Unterschied zwischen kleineren und größeren Unternehmen. Bei den Unternehmen mit 11- 20 Mitarbeitenden hatten 44% Probleme, Stellen zu besetzen, bei Unternehmen mit 1-10 Beschäftigten lag dieser Anteil bei 28%. Dies ergab eine Online-Befragung der Gothaer Versicherung unter KMUs von 22. Januar bis 3. Februar 2021. Dazu wurden insgesamt 1.005 Personen befragt, die in ihren Betrieben für Versicherungen mitverantwortlich sind.

Viele Unternehmen versuchen sich daher als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Dabei setzen 43% der befragten Arbeitgeber auf flexible Arbeitszeiten. So bieten 47% die Möglichkeit auf Teilzeit an und 39% ermöglichen ihren Beschäftigten Gleitzeit. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen, bieten 48% der KMUs die Möglichkeit zum Home-Office. Insbesondere die größeren Unternehmen unterstützen die Arbeit im Home-Office: Hier bietet mehr als die Hälfte die Möglichkeit zum Home-Office. Lediglich 28% der befragten Betriebe bieten ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge an. Hier zeigen sich wieder Unterschiede: Je größer der Betrieb ist, desto häufiger wird eine betriebliche Altersvorsorge angeboten. So bieten 47% der Großbetriebe ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge.

Gothaer Versicherung & HEUTE UND MORGEN GmbH, KMU-Studie 2021 Teil 3, September 2021
https://presse.gothaer.de/pressreleases/kmu-studie-2021-teil-3-wie-kmus-beim-kampf-um-fachkraefte-gewinnen-3127100


Fachkräftemangel als größtes Risiko für Unternehmen

Eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt: Der Fachkräftemangel wird zum größten Problem für deutsche Unternehmen. Dies ergab die Befragung von 158 Finanzvorständen deutscher Unternehmen. 2/3 sahen den Fachkräftemangel als größtes Unternehmensrisiko. Dieser Mangel zieht sich durch alle Bereiche. Besonders ausgeprägt ist er in der Bau- und Immobilienbranche. Hier seien ¾ der Unternehmen laut Befragung betroffen. Ebenfalls als wachsende Risikofaktoren wurden steigende Energiekosten und Rohstoffe genannt. Dies geben 42% der Befragten an. Bei den Befragten aus der Automobil- und der Chemieindustrie liegt der Anteil sogar bei rund 70%. Im Hinblick auf die Konjunkturaussichten sind Unternehmen aus dem Handel und der Konsumgüter am optimistischen, besonders pessimistisch sind dagegen Unternehmen aus der Automobilindustrie.

Deloitte, CFO Survey, September 2021                                                                                                                         https://www2.deloitte.com/de/de/blog/economic-trend-briefings/2021/risiken-fuer-den-aufschwung.html                




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