Mittwoch, 20. April 2022

Wiedersehen macht Freude: Betriebliches Eingliederungs-management in der Praxis

Ein gut strukturiertes BEM trägt zur Fachkräftebindung bei (©Piero Nigro on Unsplash)

Lebensphasen sind nicht immer nur durch Sorgeaufgaben für andere geprägt. Es kann passieren, dass Beschäftigte durch eigene Erkrankung ausfallen und nicht immer können sie zurückkommen. Teil einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik sollte daher auch immer ein strukturiertes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sein. Unser dritter Teil der Blogserie rund um das Thema Gesundheit liefert daher wichtige Praxisimpulse zum BEM. 

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)wird bei einer steigenden Krankheitsquote und den neuen Herausforderungen im Zuge des Wandels der Arbeitswelt immer wichtiger. Dies zeigen auch die jüngsten Ergebnisse des berufundfamilie Scout healt@work. Hier erwarten die befragten Organisationsvertreter*innen, dass in den kommenden fünf Jahren in allen Bereichen – mentale/ psychische Gesundheit, körperlichen/ physische Gesundheit, gesunde Ernährung – die Nachfrage nach Angeboten durch ihre Beschäftigten steigen wird.[1] Darüber hinaus geben 60% an, dass das BGM Teil einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik sei.[2] In unseren ersten beiden Teilen der Blogreihe haben wir uns daher sowohl betrieblichen Angeboten für die physische Gesundheit als auch für die mentale Gesundheit gewidmet. 
 
Doch wenn die Angebote zur Gesundheitsförderung oder Prävention nicht oder nicht mehr helfen können und Beschäftigte langfristig ausfallen, ist für Arbeitgeber das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eine weitere wichtige Säule im Gesundheitsmanagement. Das BEM ist ein systematischer Prozess, der zur Wiedereingliederung von Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres ohne Unterbrechung länger als 6 Wochen krank waren oder wiederholt erkranken, genutzt wird (vgl. §167 SGB IX). Diese gesetzliche Regelung gilt für alle Beschäftigten, eine Ausnahme bilden lediglich die ersten 6 Monate in einem Arbeitsverhältnis. Hier sind Organisationen nicht zur Durchführung verpflichtet. Im BEM geht es darum, den Beschäftigten dabei zu unterstützen, die Arbeitsunfähigkeit zu bewältigen, einer weiteren Erkrankung vorzubeugen und damit den Arbeitsplatz und die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten. Obwohl jährlich eine hohe Anzahl an Beschäftigten krankheitsbedingt längerfristig ausfällt und das BEM seit 2004 für alle Organisationen – unabhängig von der Größe- verpflichtend ist, bekommen laut Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin lediglich rund 40% der Beschäftigten ein BEM-Angebot. [3]

Die Initiative zur Durchführung eines BEM liegt beim Arbeitgeber und die stufenweise Wiedereingliederung ist dabei die häufigste Form ein BEM durchzuführen. Hierbei wird zunächst zwischen Ärzt*in und Patient* in ein Eingliederungsplan abgestimmt. Dieser beinhaltet die Stundenanzahl, den Zeitraum und Einschränkungen, die bei der Wiedereingliederung beachtet werden müssen. Auch eine Prognose darüber, wann die*der Beschäftigte wieder voll arbeitsfähig ist, sollte enthalten sein. Sowohl Arbeitgeber als auch Krankenkasse müssen dieser Wiedereingliederung zustimmen.

Da es kein Patent für den perfekten BEM-Prozess gibt, werfen wir auch hier einen Blick in die Praxis auditierter Arbeitgeber. Anhand von ausgewählten Maßnahmen wollen wir so dazu ermutigen, das BEM zu systematisieren und ebenfalls als Teil einer lebensphasenbewussten Personalpolitik anzuerkennen. Krankheit kann nämlich – wie Familie – alle betreffen. Diese Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Gelungenes BEM in der Praxis

 
Das BEM-Verfahren verspricht dann Erfolg, wenn in Organisationen regelmäßig darüber kommuniziert wird, denn mit genug Aufklärung und strukturierten Prozessen, sind die Sorgen der Beschäftigten vor Kündigung geringer und ein Anschluss in die Arbeitswelt erscheint machbarer.

Um den BEM- Prozess zu strukturieren, greifen nach dem audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule zertifizierte Arbeitgeber z.B. auf Dienstvereinbarungen zum BEM zurück. In ihnen ist dann ein strukturierter, fixierter und kommunizierter Prozess festgehalten. Dieser beinhaltet dann vereinbarte Maßnahmen zu den Themen Arbeitszeit, Arbeitsabläufe und konkreten Arbeitsplatzanpassungen wie z.B. Home-Office. Andere Organisationen haben verbindliche Konzepte als Grundlage zur Wiedereingliederung geschaffen, bei denen sich alle beteiligten Personen aauf getroffene Vereinbarungen (Dauer, angestrebtes Ziel des BEM) verlassen können. Ziel ist, dass der* die Mitarbeitende dann wieder einer qualifizierten Tätigkeit nachgehen kann. Zertifizierte Arbeitgeber setzten zudem auf Formulare, schriftliche Informationen und Arbeitssituationsanalysen. Einige Zertifikatsträger setzen auch auf BEM mit präventivem Ansatz, d.h. es gibt bereits interne oder externe Psycho- und Sozialberatungen, bevor es zur Erkrankung und einem damit verbundenen Ausfall kommt. So können private, familiäre und gesundheitliche Herausforderungen mit geschulten Berater*innen anonym und mit Abstand zum beruflichen Alltag besprochen werden. Dies können z.B. Themen wie der Wiedereinstieg, eine Arbeitsplatzanpassung oder berufliche und private Stresssituationen sein.

Auch hier zeigt sich abermals, dass Gesundheitsfragen wie das Betriebliche Eingliederungsmanagement (ähnlich wie alle Teile einer strategisch angelegten familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik) auf dem Dreiklang aus Leistung, Dialog und Kultur fußen. Die Dimension Leistung umfasst dabei das Angebot von betrieblichen Lösungen, die nutzbar für alle Betroffenen sind, der Dialog speist sich aus der fortlaufenden Kommunikation mit allen Beschäftigten unabhängig vom gesundheitlichen Status und die Organisationskultur, in der eine Erkrankung und Wiedereingliederung als Teil von Lebensphasen anerkannt und in der Mitarbeitenden Vertrauen in der Rückkehr geschenkt wird, rundet den Dreiklang ab. Ein strukturiertes BEM als Teil einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik hat dann direkte Effekte auf die Arbeitgeberattraktivität und die in den heutigen Zeiten so wichtige Fachkräftebindung. Denn der Arbeitgeber, der in Krankheit unterstützt, dem bleibt man auch in Gesundheit höchstwahrscheinlich treu.

Weitere nützliche Hinweise können Arbeitgeber zudem im Leitfaden zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) der Deutschen Rentenversicherung finden.


[2] Ebd.

[3] Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) - Es besteht noch immer Nachholbedarf. BIBB/BAuA-Faktenblatt 37 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2020, https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fakten/BIBB-BAuA-37.html

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