Dienstag, 26. Juli 2022

Faire Arbeitswelt – Großer Wunsch, wenig Wirklichkeit?

In Entscheidungen eingebunden werden, respektvolle Kommunikation auf Teamebene: Fairnessaspekte, die Beschäftigten besonders wichtig sind, scheinbar oftmals aber nicht ausreichend realisiert sind (Quelle: Josh Calabrese on Unsplash)

Welche Fairness-Aspekte sind Beschäftigten im beruflichen Kontext besonders wichtig? Und wie ist es um diese ihrer Einschätzung nach in ihrer Organisation bestellt? Die ersten Ergebnisse unserer Beschäftigtenbefragung geben spannende Hinweise.

Geleitet von diesen zentralen Fragen führte die iba – Internationale Berufsakademie (Nürnberg) im Mai/ Juni 2022 in Kooperation mit uns die Online-Befragung „Faire Arbeitswelt“ bei Mitarbeitenden von Institutionen und Unternehmen durch, die aktuell das Zertifikat zum audit berufundfamilie tragen. Rund 1.500 Beschäftigte nahmen an der Forschungsstudie teil, die unter dem Dach unseres Jahresmottos „miteinander vereinbaren – gesund, fair, zusammen“ entstand. Jetzt macht sich die iba unter Leitung von Dr. Brigitte Waffenschmidt daran, die Antworten intensiv zu sichten und dabei u.a. Korrelationen auszuwerten. Bevor die Erkenntnisse im Frühherbst dieses Jahres vorlegen werden, möchten wir über bereits ableitbare Indikatoren berichten. Denn schon ein erster Blick verrät: Zwischen den von Beschäftigten als wichtig erachteten Fairnessaspekten und deren Umsetzung im betrieblichen Alltag klaffen in zahlreichen personalpolitischen Handlungsfeldern Lücken.

Auffällige Gaps zeigen sich u.a. teilweise, wenn nach fairen Arbeitsbedingungen gefragt wird. 62 % der Teilnehmenden finden es beispielsweise wichtig, dass Teilzeitkräfte nicht nachteilig behandelt werden. Allerdings sagen nur 33 %, dass dies auch in ihrer Organisation der Fall ist. Ähnlich groß zeigt sich der Unterschied beim Blick auf die Arbeitsumgebung. Während 86 % der Beschäftigten es wichtig finden, dass diese modern und technisch auf dem neusten Stand ist, geben nur 45 % an, dass sie diesen Zustand in ihrer Organisation vorfinden. Hingegen scheint es bezüglich der personellen Abdeckung von Kernarbeitszeiten ein stimmiges Bild zwischen Erwartungen und Umsetzung zu geben: 76 % der Beschäftigten legen Wert darauf, dass die Kernarbeitszeiten personell – auch im Wechsel der Kolleg*innen – abgedeckt werden. Dies trifft laut Teilnehmende auf 72 % der Organisationen zu.

Faires Zusammenspiel: Transparente Informationen und Klarheit durch Führungskräfte


Dass der Fairnessanspruch an Führungskräfte hoch ist, machen die Ergebnisse ebenfalls deutlich. Gleichzeitig wird klar, dass die Mitarbeitenden diesen nicht angemessen erfüllt sehen. So ist es 95 % der Arbeitnehmenden wichtig, von Führungskräften in Entscheidungen, die ihr Aufgabengebiet betreffen, eingebunden zu werden. Allerdings geben nur 57 % an, dass dies in ihrer Organisation auch so stattfindet. Für weitere 95 % der Beschäftigten ist es essenziell, dass die Ziele für ihr Aufgabengebiet klar formuliert sind. Auch hier sind es lediglich 57 %, die meinen, dass diese Klarheit in ihrem Betrieb vorzufinden ist. Fair geht es in den Augen der großen Mehrheit der Beschäftigten – nämlich 93 % – zudem zu, wenn die Arbeit gerecht bewertet wird. Jedoch meinen nur 55 % eine gerechte Bewertung zu bekommen.

52 % der Beschäftigten legen besonderen Wert auf transparente, vollständige und regelmäßige Information zu Organisationsentwicklungen. Aber gerade mal 13 % haben das Gefühl, diese in ihrer Organisation zu erhalten. Und während es 70 % der Arbeitnehmenden sehr wichtig ist, auf Augenhöhe mit den Vorgesetzten kommunizieren zu können, sehen nur 35 % das in ihrem Betrieb realisiert. Acht von zehn Beschäftigten (81 %) bewerten außerdem eine wertschätzende und respektvolle Kommunikation auf Teamebene bzw. mit Kolleg*innen als sehr wichtig. Doch nur 45 % meinen, dass diese in ihrer Organisation praktiziert wird.



Zur Forschungsstudie

Die Forschungsstudie „Faire Arbeitswelt“ ist ein Kooperationsprojekt der iba – Internationale Berufsakademie und der berufundfamilie Service GmbH. Für die Studie wurden die vier Fairnessdimensionen – informationale Fairness, interpersonale Fairness, prozedurale Fairness und distributive Fairness – mit fünf personalpolitischen Handlungsfeldern verknüpft: Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Information und Kommunikation sowie Führung. Diese Handlungsfelder zählen zu den acht Bereichen, entlang derer im audit berufundfamilie – dem strategischen Managementinstrument zur Gestaltung einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik – individuelle Ziele und passgenaue Maßnahmen der Organisationen zur besseren Work-Life-Balance entwickelt werden. Aus dem Zusammenspiel der Fairnessdimensionen und der fünf ausgewählten Handlungsfelder wurde ein Fragebogen abgeleitet, mit dessen Hilfe erfasst werden sollte, welchen Fairnessdimensionen besondere Bedeutungen zukommen, in welchen Handlungsfeldern eine Fairnessdebatte gehäuft auftritt, welchen Teilbereichen innerhalb der Handlungsfelder besondere Bedeutungen zukommen und wo Erwartungshaltungen und tatsächliche Gegebenheiten innerhalb der Organisationen besonders weit auseinander liegen. Die Befragung erfolgte online zwischen dem 24.05. und 08.06.2022 und richtete sich an Beschäftigte von Institutionen und Unternehmen, die nach dem audit berufundfamilie zertifiziert sind. Nahezu 1.500 Beschäftigte nahmen teil. 30 % der Teilnehmenden sind in Führungspositionen tätig. 78 % der Befragten arbeiten in einer Institution, 22 % in einem Unternehmen. 74 % gehen einer Vollzeittätigkeit nach. Aus den Erkenntnissen möchten die berufundfamilie Service GmbH und die iba – Internationale Berufsakademie Handlungsempfehlungen für die Gestaltung fairer Arbeitsbedingungen ableiten.




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