Mittwoch, 1. März 2023

#VereinbarkeitsVibes: Die Non-Equality

Alles in Balance? – In der privaten Sorgearbeit muss noch einiges für eine gerechte Verteilung getan werden
(Quelle: Mahrael Boutros on pexels.com)

Es ist Equal Care Day – der „Aktionstag, der auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Fürsorgearbeit aufmerksam macht“ (siehe https://equalcareday.de/). Silke Güttler, Leitung Corporate Communications der berufundfamilie, nennt in dieser Ausgabe der Blogreihe #VereinbarkeitsVibes Zahlen zur aktuellen Lage und reißt an, welche Chancen durch Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben darin bestehen, diese „more equal“ zu gestalten.

„Der Tag symbolisiert außerdem das Verhältnis von 4:1 bei der Verteilung von Care-Arbeit und ruft in Erinnerung, dass Männer rechnerisch etwa vier Jahre bräuchten, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.“, heißt es auf der Wikipedia-Seite zum Equal Care Day.[1]

Und das ist ganz unabhängig von Krisenzeiten, wie sie uns die Coronapandemie beschert hat. In einer Umfrage aus Mai 2020 meinte jede zweite weibliche Befragte, dass Hausarbeit und Kinderbetreuung bereits vor Ausbruch der Coronakrise ungleichmäßig zwischen ihr und dem Partner aufgeteilt gewesen seien. Unter den befragten Männern waren rund 39% derselben Ansicht.[2]

Allein die Kinderbetreuung nimmt deutlichen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit von Frauen. Anders gesagt: Frauen stecken beruflich zurück, weil sie sich um die Kinder kümmern. 2010 betrug die Teilzeitquote von Müttern bei 64,2%, während sie sich bei Vätern auf lediglich 5,4% belief. Zehn Jahre später – nämlich 2020 – hatte sich nicht viel daran geändert: Zwei Drittel (65,5%) aller erwerbstätigen Mütter waren in Teilzeit tätig, während es bei den Vätern nur 7,1% waren.[3]

Immerhin: Mütter waren hierzulande 2020 häufiger erwerbstätig (74,9%) als noch vor zehn Jahren (69,3%). Aber der Wehrmutstropfen kommt auch hier direkt: Der Anteil der erwerbstätigen Väter veränderte sich in dieser Zeit nicht merklich und lag 2020 bei 90,2%. Frauen mit Kindern gehen also weiterhin deutlich seltener einer Erwerbstätigkeit nach als Männer mit Kindern.[4]

Noch ein kurzer Blick auf das Thema Pflege.

72% der Pflegenden sind weiblich.[5] Ein nicht zu unterschätzender Teil von ihnen dürfte gleichzeitig eigene Kinder betreuen.

28% aller pflegenden Beschäftigten schränk(t)en ihre Berufstätigkeit ein. 9% gaben ihre Berufstätigkeit sogar komplett für die Pflege auf. Entsprechend trifft dies auf Frauen zu, die privat pflegen.[6]

Pflegaufgaben haben einen zusätzlichen negativen Impact: 59% der pflegenden Angehörigen vernachlässigt laut VdK-Bericht durch die Pflege die eigene Gesundheit. 80% sagen, dass sie neben der Pflege auch noch durch Sorgen um die eigene Gesundheit, um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege und um weitere Familienmitglieder belastet sind.[7]

Der DAK-Pflegereport erläutert die Rolle von Frauen, die privaten Pflegeaufgaben nachgehen, und wirft auch eine Entwicklung auf die Beteiligung von Männern:

„Pflegeerwartungen richten sich auch in Deutschland heute noch ganz wesentlich an Frauen. Die Übernahme von Pflegeaufgaben ist und bleibt für sie häufig alternativlos und dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines weiterwirkenden Gendernormativs. Care-Aufgaben werden in Deutschland nicht in einer geschlechtergerechten Weise verteilt, sondern einseitig zulasten von Frauen, die ihre Rolle als Care Givers nichts selten internalisiert haben. Sie sind finanziellen Einbußen ausgesetzt, Lohnersatzleistungen entfalten für sie nicht die Wirkung, wie es unter familienpolitischen Gesichtspunkten wünschenswert wäre. Auch der Umstand, dass die Gestaltung und Bewältigung von Pflegeaufgaben als Privatsache verstanden wird, in den häuslichen Bereich verlagert ist oder dort verortet wird, stabilisiert die Rolle von Frauen als pflegende Angehörige. Dabei finden sich in den Interviews auch eine Reihe von Männern, die auf der einen Seite ihre Pflegeerfahrung politisch wenden und Forderungen formulieren oder aber sich etwa in Mutter-Sohn-Dyaden vollständig in die Rolle des pflegenden Angehörigen, des pflegenden Sohns hineinbegeben. Die Beteiligung von Männern an Pflegeaufgaben nimmt zwar zu – dominant ist und bleibt allerdings das Bild der pflegenden Ehefrau oder der pflegenden (Schwieger-)Tochter.“[8]

Vereinbarkeit: Chancen für Equality


Equal Care, Equal PayEqual Lifetime Earnings, Equal Pension – all das hängt zusammen. Hier nimmt die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik von Arbeitgebern zwar nicht direkten Einfluss. Sie ist aber eine Stellschraube mit großer Wirkung. Und die soll nicht etwa „nur“ darin bestehen, dass es Frauen besser „hinbekommen“, ihre privaten Care-Aufgaben mit den beruflichen Aufgaben in Einklang zu bringen. Sie soll auch Anreize für Männer bieten, ihre Beteiligung an der Sorgearbeit zu erhöhen bzw. zu intensivieren. Wenn es gelingt, das Kümmern um Kinder und die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen, aber auch die Hausarbeit, die Gänge zu Behörden und alles, was sonst so im privaten Umfeld an Notwendigkeiten auftaucht, gleichmäßiger auf mehrere Schultern zu verteilen – und zwar über das primär weiblich definierte Geschlecht hinaus –, dann eröffnet sich eine Vielzahl von Chancen. Hier ein paar davon:

  • Frauen werden entlastet – unmittelbar in ihren privaten Care-Tätigkeiten und damit auch in der mentalen Sorge und den körperlichen Anstrengungen, die sich gesundheitlich negativ auswirken können
  • Frauen können ihre Erwerbsanteile erhöhen, so direkt das familiäre Budget aufstocken, etwas für ihre Rente tun und in Teilen der Altersarmut vorbeugen
  • Männer erhalten die Chance, ihrer innerfamiliären und sonstigen privaten Rolle als Sorgender auf neue Weise nachzukommen – durch Präsenz, durch das direkte Kümmern
  • Partnerschaften werden in der gleichberechtigten Aufgabenteilung unterstützt 
  • Arbeitgeber können das Erwerbspotenzial von Frauen besser nutzen und dem Personalmangel entgegenwirken. Gleichzeitig steigern sie die Motivation und die Bindung von männlichen Beschäftigten, die sich mehr Zeit für Familie und Privatleben wünschen

Die große Chance für unsere Gesellschaft muss nicht ausgesprochen werden, oder? ;-)


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