Mittwoch, 25. Oktober 2023

Vereinbarkeit in Zahlen: Arbeiten — Wie, wo und mit wem?

Wortwolke zu Stichtwörtern aus der Arbeitswelt (berufundfamilie Service GmbH)

Mehr Kindebetreuungsplätze erhöhen nicht unbedingt die Karrierechancen von Müttern*. Trotz Personalmangels rekrutiert nur knapp 1/3 der Arbeitgeber Beschäftigte Ü50 und deutsche CEOs erwarten eine Abkehr vom Home-Office in den nächsten drei Jahren. Mehr aktuelle Studien in der November-Ausgabe unserer Blogreihe „Vereinbarkeit in Zahlen“.



Höhere Anzahl an Kitaplätzen ungleich höhere Karrierechancen für Mütter*


Forschungsergebnisse offenbaren, dass mehr öffentliche Kitaplätze nicht unbedingt bedeuten, dass Mütter* Karriere machen können. Die Forscherinnen der Universität Passau und der Universität Potsdam fanden heraus, dass bei einem größeren Kinderbetreuungsangebot Mütter* zwar schneller wieder zur Arbeit gehen, allerdings in Teilzeit. Damit geht einher, dass jene Mütter* eher keine verantwortungsvollen Tätigkeiten oder Führungspositionen innehaben. In den Regionen, in denen mehr Kitaplätze vorhanden sind, fangen Mütter* zwei Jahre nach der Geburt zu einer 5,5 % höheren Wahrscheinlichkeit wieder an zu arbeiten als in Regionen mit geringeren Angeboten zur Kinderbetreuung. Dort, wo eine hohe Anzahl an Kinderbetreuungsplätzen vorhanden ist, sind Mütter* zu einer 4,6 % höheren Wahrscheinlichkeit in Teilzeit tätig.

Auf die Anzahl der Mütter*, die in Vollzeit arbeiten, hat das Angebot an Kinderbetreuung keine Auswirkungen. Mütter* müssen zudem in den ersten 10 Jahren nach der Geburt Einkommenseinbußen hinnehmen, auch da spielt das Angebot an Kitaplätzen keine Rolle. Ebenfalls hat das Angebot einer Kinderbetreuung keinen Einfluss darauf, ob Mütter* ihren Arbeitgeber oder den Beruf wechseln. Die Verfügbarkeit der Kitaplätze hat auch keinen Einfluss auf die Karriereentwicklung der Mütter*.

Universität Passau/Universität Potsdam, Mehr Kitaplätze erhöhen Karrierechancen von Müttern* nicht, Oktober 2023
https://www.personalwirtschaft.de/news/hr-organisation/mehr-kitaplaetze-erhoehen-karrierechancen-von-muettern-nicht-164686/?utm_source=linkedin&utm_medium=post&utm_campaign=pwt





Gesetzliche Brückenteilzeit wird wenig genutzt



In Deutschland arbeiten 40 % aller Beschäftigten in Teilzeit. Insbesondere Frauen* arbeiten nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit und erhöhen die Arbeitszeit in der Regel auch dann nicht, wenn die Kinder älter sind. Die dauerhafte Reduzierung der Arbeitszeit geht oftmals mit mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf einher. Gleichzeitig passen immer mehr Beschäftigte ihre Arbeitszeit an veränderte Lebensumstände an. Menschen sind in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedlich stark belastet. Um dieser Realität gerecht zu werden, wurde 2019 die „Brückenteilzeit“ eingeführt. Damit haben Beschäftigte mittlerer und größerer Organisationen einen gesetzlichen Anspruch darauf, die Arbeitszeit für den Zeitraum zwischen 1 und 5 Jahren zu reduzieren.
So sollte der berühmten Teilzeitfalle entgegengewirkt werden.

Das neue IAB-Betriebspanel zeigt: das Gesetz zur Brückenteilzeit wirkt nur begrenzt. Es wurde gefragt, ob Beschäftigte auf eigenen Wunsch für einen begrenzten Zeitraum auch auf Basis der Brückenteilzeit ihre Arbeitszeit reduzierten. Laut IAB- Betriebspanel haben 170.000 und damit gerade einmal 0,2 % der Beschäftigten (Stand Mitte 2022) einen Anspruch auf eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit nach dem Brückenteilzeitgesetz geltend gemacht. Mit der Organisationsgröße nimmt auch die Nutzung der Brückenteilzeit zu. Des Weiteren wird die Brückenteilzeit auch da eher genutzt, wo es Betriebs- oder Personalrat und/ oder eine Tarifbindung gibt. Die Brückenteilzeit ist zudem häufiger im öffentlichen Dienst oder in gemeinnützigen Einrichtungen als in der Privatwirtschaft zu finden. Allerdings konnten durch die Brückenteilzeit 10.000 Stellen zusätzlich besetzt werden.

IAB, IAB Betriebspanel 2022, Oktober 2023
https://www.iab-forum.de/die-gesetzliche-bruckenteilzeit-wird-eher-zuruckhaltend-genutzt/




Silver Worker im Kampf gegen den Personalmangel?



Der anhaltende Personalmangel führt dazu, dass Mitarbeitende Ü50 (sog. Silver Worker) mehr in den Fokus rücken. Laut der Trendstudie "Silver Workforce 2023" der ManpowerGroup schätzen Organisationen vor allem das große Fachwissen ihrer Silver Worker. 89,9 % der Befragten gaben diese Antwort. 60 % der befragten Geschäftsführer und Personalverantwortlichen betonen zudem das Verantwortungsbewusstsein und die Verlässlichkeit von Beschäftigten dieser Altersgruppe. Zielgerichtet Silver Worker rekrutieren tun allerdings nur 34, 5 %, obwohl dies den Personalmangel abmildern könnte. Besonders wichtig sei hier, laut Studie, das gezielte Re- und Upskilling. Unter den 13, 2 % der befragten Organisationen, die über spezielle Maßnahmen für ältere Beschäftigte verfügen, setzt nur 1/3 auf Fort- und Weiterbildungen. Zum Wissenstransfer zwischen jüngeren und lebensälteren Beschäftigten werden auch immer mehr Mentoringprogramme eingesetzt. 14, 5 % der Organisationen verfügen z.B. über Programme, in denen jüngere Beschäftigte Silver Worker im Digitalbereich schulen. Der Anteil der Organisationen, die Programme anbieten, in denen Silver Worker jüngeren Beschäftigten Wissen und Erfahrung vermitteln, ist nur halb so groß.

Manpower Group, Silver Workforce 2023, Oktober 2023
https://www.presseportal.de/pm/56465/5628698




Fehlzeiten wegen psychischen Erkrankungen auf Hoch

Laut AOK- Fehlzeitenreport 2023 sind berufliche Fehlzeiten auf einen neuen Höchststand geklettert. Im vergangenen Jahr registrierte die AOK 216, 6 Krankmeldungsfälle auf 100 erwerbstätige Versicherten. Zum Vergleich: von 2012 bis 2021 lag der Durchschnitt bei 159, 7 Fällen. Verantwortlich für diesen Anstieg um mehr als 30 % sind insbesondere Atemwegserkrankungen – auch als Folge der Corona-Pandemie.

Ebenfalls auf einem Hoch ist die Anzahl von Fehltagen aufgrund von psychischen Erkrankungen, sie stieg seit 2012 um 48 %. Psychische Erkrankungen verursachen besonders lange Fehlzeiten. Viele Beschäftigte leiden unter psychische Belastungen im Zusammenhang mit der Arbeit. So nannten 78 % der Befragten Erschöpfung, 75 % Wut und Verärgerung und 66 % Lustlosigkeit als Beschwerden. Auch Veränderungen und Verunsicherungen am Arbeitsplatz bedingen psychische Belastungen. So äußerten 47 % der Beschäftigten, dass sie bei ihrem Arbeitgeber starke bis sehr starke Veränderungen wahrnehmen – als Folge der Pandemie und technologischer Entwicklungen. 35 % gaben an, aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Situation ausgeprägte Zukunftsängste zu haben, 8 % in Bezug auf ihren Arbeitgeber. Organisationen, die von ihren Mitarbeitenden als zukunftsfähig wahrgenommen werden, haben weniger Fehlzeiten. Besonders betroffen von psychischen Erkrankungen sind Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen, 14 % aller Arbeitsunfähigkeitstage sind hier zu verorten.

AOK, AOK-Fehlzeitenreport 2023, Oktober 2023
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/fehlzeiten-beschaeftigte-aok-100.html



Betrieblicher Gesundheitsschutz mit Fortschritten


Um Beschäftigte gesund zu erhalten, müssen Organisationen gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen schaffen. Inwieweit sie das tun, haben Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung mithilfe von Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021 untersucht. Insgesamt nahmen an ihr mehr als 3.700 Beschäftigtenvertretungen teil. So verfügten 2021 bereits ¾ der Organisationen über eine betriebliche Gesundheitsförderung, 2015 waren es nur rund 50 %. Dabei handelt es sich um freiwillige betriebliche Angebote wie z.B. Kurse zur Stressbewältigung, Bewegung oder Ernährung.

Auch das betriebliche Eingliederungsmanagement, ein gesetzlich vorgeschriebenes Instrument, das Beschäftigte nach langer krankheitsbedingter Auszeit bei der Jobrückkehr unterstützen soll, gibt es bei 89,7 % der Organisationen. Weniger gut sieht es in Sachen psychischer Gefährdungsbeurteilungen aus. 63,4 % berücksichtigen diese Belastungen vollständig, 20,1 % teilweise. Das Bewusstsein sei aber auch hier deutlich gestiegen: 2015 lag der Anteil der Organisationen, die eine psychische Gefährdungsbeurteilung vollständig durchführten bei 31,3 % und 11,1 % sagten, es geschehe teilweise. Dennoch sei die Erfassung von psychischen Belastungen immer noch nicht selbstverständlich. Nicht einmal jede dritte Organisation hat infolge der Gefährdungsbeurteilungen tatsächlich Maßnahmen ergriffen. Bei 41, 5 % wurden teilweise Maßnahmen umgesetzt.

Hans Böckler Stiftung, Betriebliche Gesundheitsschutz: Spürbare Fortschritte, aber oft Defizite bei der Beteiligung von Beschäftigten, Oktober 2023
https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-betrieblicher-gesundheitsschutz-52997.htm




CEOs rechnen mit Rückkehr ins Büro


Wie geht es weiter mit dem Arbeiten im Home-Office? Wenn es nach den CEOs der größten Unternehmen der Welt geht, möchten diese ihre Beschäftigten wieder häufiger im Büro sehen. Das zeigt der KPMG CEO Outlook 2023, der weltweit rund 1.300 CEOs großer Unternehmen weltweit befragt hat, darunter 125 aus Deutschland. So gehen 68 % der deutschen Studienteilnehmenden davon aus, dass ihre Beschäftigten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkommen werden (international 64 %). Lediglich jede*r Vierte glaubt an hybride Arbeitsmodelle und 3 % sind der Meinung, dass dauerhaft im Home-Office gearbeitet wird.
Um mehr Präsenz im Büro zu erzielen, können sich 77 % der deutschen Befragten vorstellen, Mitarbeitende zu befördern oder ihnen mehr Gehalt zu bezahlen, wenn sie häufiger ins Büro kommen. Auf internationaler Ebene sagen das 87 %.

KPMG CEO Outlook 2023, Oktober 2023
https://kpmg.com/de/de/home/media/press-releases/2023/10/ceos-erwarten-rueckkehr-ins-buero-in-kommenden-3-jahren.html




Home-Office hat keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität


Eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zeigt, dass das Gros der deutschen Firmen keine Produktivitätsverluste durch Home-Office oder hybrides Arbeiten wahrnimmt. So äußern 60 % der Befragten, dass sie bei einer kompletten Rückkehr ins Büro trotzdem mit gleichbleibender Produktivität rechnen. 8 % gehen von einer sinkenden Produktivität aus und 32 % von mehr Effizienz im Büro. Die 32 % begründen diese Erwartung mit einer besseren Abstimmung und Kommunikation sowie mehr Wissensaustausch im Büro. Weitere Gründe sind weniger Ablenkung und besseres Management von Teams vor Ort. Sie schätzen den Einfluss des Büros auf die Produktivität tendenziell hoch ein: 58 % sind der Ansicht, dass die Produktivität im Büro um mindestens 10 % höher sei. 9 % erwarten sogar eine Steigerung der Produktivität um 30 %. Jene Befragten, die davon ausgehen, dass ihre Mitarbeitenden im Home-Office oder hybrid arbeitend produktiver sind, nennen als Gründe die Flexibilisierung der Arbeitszeit, weniger Ablenkung, eine höhere Jobzufriedenheit und einer besseren Work-Life-Balance.

Ifo-Institut: Umfrage: Homeoffice so effektiv wie im Büro, Oktober 2023
https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/ifo-institut-umfrage-homeoffice-arbeit-buero-produktivitaet-100.html







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