Donnerstag, 17. Juni 2021

Familienbewusst: Das Plus betrieblicher Vereinbarkeitspolitik

Systematischen Umgang mit Vereinbarkeitsfragen auf Kulturebene etablieren (©pixaby.com)

Arbeitgeber, die sich strategisch und damit systematisch mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auseinandersetzen, sind die eigentlich familienfreundlich oder familienorientiert? Im Grunde sind sie beides – und noch mehr: familienbewusst. In unserem Blog beleuchten wir den Begriff "familienbewusst" und das dahinter stehenden Konzept.

Kommen wir gleich zum Punkt: Der berufundfamilie geht es seit jeher um die Gestaltung einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik. Mit dem Blick auf die Lebensphasen verdeutlichen wir, dass die Vereinbarkeitsbedarfe und -wünsche stark von dem Lebensabschnitt abhängen, in dem sich ein*e Beschäftigte*r gerade befindet. Anders gesagt: Unterschiedliche Lebensphasen können unterschiedliche Notwendigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit hervorrufen und damit andere Lösungen erfordern.

Wenden wir uns jetzt aber dem Wortbestandteil „bewusst“ zu – dass sich sowohl in „lebensphasenbewusst“ als auch in „familienbewusst“ findet. „Bewusst“ hat laut Duden folgende Bedeutungen:

a) absichtlich, gewollt, willentlich (z.B. etwas bewusst tun)
b) klar erkennend, geistig wach (z.B. sich einer Sache bewusst sein)
c) ins klare, wache Bewusstsein gedrungen, im klaren, wachen Bewusstsein vorhanden (z.B. etwas ist jemandem bewusst)
d) bereits erwähnt, [den Eingeweihten] bekannt. Diese Bedeutung ist im Zusammenhang mit „familienbewusst“ nicht relevant.

Im Kern geht es bei „Familienbewusstsein“ um eine intensive und methodisch gesteuerte Auseinandersetzung mit den Bedarfen, die für Beschäftigte aus dem Familienleben erwachsen. Ermöglicht wird dies durch eine strategische Herangehensweise – wie sie das audit berufundfamilie mit seiner Systematik vorgibt. Die strategische Gestaltung der Vereinbarkeitspolitik zahlt zusätzlich auf das Bewusstsein für familiäre Herausforderungen ein. Ziel ist es dabei, das Vereinbarkeitspolitik auf der Ebene der Unternehmens-/ Organisationskultur zu verankern – also sozusagen in der DNA der Organisation als selbstverständliche Größe festzusetzen und auch betriebswirtschaftliche Effekte daraus nutzbar zu machen.

Das Verständnis von „familienbewusst“ hat aber noch eine weitere Komponente. Die beschrieb Alexandra Krohn-Petersen treffend in ihrer Dissertation „Familienfreundliche Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung“ (2018), S. 4-6:

„In der jüngeren Vergangenheit wurde in wissenschaftlichen Fachkreisen – insbesondere durch das Forscherteam des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP) um Schneider, Gerlach et al. – der Begriff „Familienbewusstsein“ eingeführt, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Das FFP wendet sich von dem Ausdruck „Familienfreundlichkeit“ ab, um dem Wesen der speziellen arbeitgeberbezogenen Familienfreundlichkeit in seinen Besonderheiten einen treffenderen Namen zu geben:

„Während der Begriff Familienfreundlichkeit den Ausgleich zwischen den mitunter konfligierenden Rollenanforderungen der Lebensbereiche Beruf und Familie in den Kontext einer nicht zweckgerichteten unternehmerischen, quasi anthroposophischen Verhaltensweise rückt, adressiert der Begriff Familienbewusstsein treffender den Charakter einer Investition, d. h. einer bewussten unternehmerischen Entscheidung in der Vermutung einer mit dieser Investition verbundenen Rendite, beispielsweise in Form geringerer Fehlzeiten.“

„Bewusst“ meint nach Schneider et al. also nicht lediglich die Kenntnisnahme dieser unterschiedlichen Bedarfslage, sondern auch den Willen und das Handeln, den besonderen Umständen jener Mitarbeiter, die Eltern sind, in Bezug auf die Anforderung, simultan zu ihrer Berufstätigkeit die Betreuung, Erziehung und Fürsorge für ihre Kinder zu übernehmen, Rechnung zu tragen.6 Zudem beinhaltet Familienbewusstsein auch die betriebswirtschaftliche Perspektive des Unternehmens, aus der heraus jedes Handeln zweckgerichtet sein muss. Mithin dient auch ein Familienbewusstsein dazu, dem Arbeitgeber Nutzen zu bringen. …“


„Familienbewusst“ wird übrigens bislang weniger häufig genutzt wie „familienorientiert“ und auch „familiengerecht“ genutzt. Am meisten Verwendung findet eindeutig „familienfreundlich“. Starten Sie einfach mal eine Suche bei Google. „Familienbewusst“ findet also eine exklusivere Verwendung, was wohl auch an der oben erläuterten Tiefe des dahinterstehenden Konzepts liegen dürfte.

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