Vereinbarkeit meets Klinikalltag: Beispiele aus der Praxis

Praxisbeispiele beweisen: Strategische Vereinbarkeitspolitik zahlt sich auch für Kliniken und Krankenhäuser aus (©pixabay.com)

Kliniken und Krankenhäuser haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen: Personalmangel, Schichtarbeit, Coronapandemie. All das scheinen Hürden für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben zu sein. Wie diese mithilfe einer strategisch angelegten familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik überwunden werden können, zeigen Ihnen unsere Beispiele aus der Praxis zertifizierter Kliniken und Krankenhäuser.

In einer aktuellen Stichprobenbefragung durch die berufundfamilie unter 13 auditierten Krankenhäusern und Kliniken gaben 100 % der Teilnehmenden an, dass die größte derzeitige und zukünftige Herausforderung die Personalgewinnung- und Bindung ist bzw. sein wird. Grund genug, mit einer systematischen Vereinbarkeitspolitik entgegenzuwirken. Welche Maßnahmen sich dabei umsetzen lassen, zeigen die Praxisbeispiele, die wir entlang der acht personalpolitischen Handlungsfelder im audit berufundfamilie beschreiben: Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Information und Kommunikation, Führung, Personalentwicklung, Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen sowie Service für Familien.

Es ist hierbei wichtig, festzuhalten, dass es nicht ausreicht, Leistungsangebote losgelöst voneinander zu schaffen, sondern durch eine fortlaufende Analyse der Bedarfe der Beschäftigten und der betriebsindividuellen Rahmenbedingungen ein tatsächlich benötigtes und tragfähiges Maßnahmenportfolio – also Angebote, die idealerweise aufeinander abgestimmt sind – zu etablieren und auch fortlaufend weiterzuentwickeln. Die im Folgenden genannten Praxisbeispiele bilden daher nur einen Ausschnitt aus dem Maßnahmenspektrum des jeweiligen Krankenhauses bzw. der jeweiligen Klinik.

Arbeitszeit

 

Insbesondere die Arbeitszeit stellt in Kliniken und Krankenhäusern eine Challenge dar. Die Schichtgestaltung unter Personalknappheit und für eine garantierte Rundum-Versorgung der Patient*innen muss gut organisiert sein. Auch die Beschäftigten in der Verwaltung sind mitzdenken. Dennoch gibt es auch unter diesen Bedingungen Möglichkeiten, Schichten unter Beachtung von Vereinbarkeitsbelangen zu planen.

Auditierte Arbeitgeber bieten ihren Beschäftigten die Möglichkeit zur lebensphasenbedingten Arbeitsbefreiung, Sabbaticals oder bieten Ausbildungen in Pflegeberufen auch in Teilzeit an. Einige Kliniken und Krankenhäuser schafften mithilfe des audit Arbeitszeitmodelle speziell für Mitarbeitende mit Kindern und Alleinerziehende oder führten Gleitzeit in ihren Verwaltungsbereichen ein. So gibt es etwa familienfreundliche Vormittagsschichten oder die Möglichkeit einer abgestuften Teilzeit nach einer Erziehungsfreistellung bei Kliniken und Krankenhäusern. Auch für leitende Angestellte gibt es bei einigen Arbeitgeber eine flexible Dienstplangestaltung, die die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglicht, sodass auch Ober*ärztinnen in Teilzeit arbeiten können. Unter anderem setzen Kliniken und Krankenhäuser auf die Einführung von Einspringregelungen und individuell wählbare Schichtmodelle. Des Weiteren werden Arbeitszeiten und die Stärke der Besetzungen in manchen Organisationen unter der Beteilung der Beschäftigten gestaltet. So gibt es auch Kliniken, die sich extern beraten lassen, um geeignete Schichtmodelle zu finden. Beispielhaft wurde ein Schichtmodell eingeführt, bei dem der Arbeitstag in sechs Abschnitte eingeteilt wird. Diese Einteilung ermöglicht es, sowohl die Zuordnung von Tätigkeiten als auch die dazugehörige Arbeitszeit je nach Verfügbarkeit der personellen Ressourcen zu steuern. Auch Jobsharing oder Altersteilzeit ist eine beliebte Methode in zertifizierten Kliniken und Krankenhäusern. Zertifizierte Kliniken bieten u.a. auch eine Fünf-Tage-Woche auch für Pflegekräfte oder eine verbindliche Jahresurlaubsplanung an.

Arbeitsorganisation 

 

Im Handlungsfeld Arbeitsorganisation geht es insbesondere um Rahmen und Instrumente der Zusammenarbeit, Evaluation und Weiterentwicklung und das betriebliche Gesundheitsmanagement. Auch hier bieten mit dem audit ausgezeichnete Kliniken ihren Beschäftigten lebensphasenbewusste Angebote. So bieten zahlreiche Kliniken und Krankenhäuser Kontakthalteprogramme für Beschäftigte in Eltern- oder Pflegezeit.

Auch im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements schaffen Organisationen besondere Angebote für ihre Beschäftigten: Es gibt Gesundheitsgutscheine, Maßnahmen zur Verhaltensprävention (Deeskalation, Resilienz, Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit) und Gesundheitstage bei denen Aktionen zu verschiedenen Gesundheitsbereichen angeboten werden. Hierbei beteiligen sich unter anderem auch Mitarbeitende der Kliniken und bieten eigene Kurse an. Viele auditierte Kliniken setzen auf die Unterstützung einer gesunden Lebensweise ihrer Mitarbeitenden und bieten Fitnesskurse und/ oder -zuschüsse.

Auditierte Arbeitgeber lassen ihre Beschäftigten auch selbst Projekte erarbeiten und praktisch umsetzen, die eine bessere Bewältigung der Arbeit und/ oder Qualitätsverbesserungen für Patient*innen ermöglichen. Dieses besondere Engagement wird monatlich durch eine Zulage vergütet und motiviert die Beschäftigten zugleich dadurch, dass sie durch eigenes Handeln Abläufe und Behandlungen nachhaltig mitgestalten können.

Arbeitsort 

 

Durch die Diversität der Beschäftigtengruppen in Kliniken und Krankenhäuser gibt es auch in diesem Handlungsfeld Maßnahmen, die bei einer besseren Vereinbarkeit helfen sollen. Für Mitarbeitende in den Verwaltungsbereichen werden bei den Zertifikatsträgern Home-Office-Möglichkeiten und Möglichkeiten zur alternierenden Telearbeit geschaffen. Besonders hervorzuheben sind innovative Lösungen einiger Zertifikatsträger, die es Ärzt*innen ermöglichen sollen von Zuhause aus zu arbeiten. So gibt es ein Projekt, bei der die Beurteilung radiologischer Befunde von Ärzt*innen in Rufbereitschaft oder Hintergrunddienst von zuhause erfolgen kann und diese werden dann telefonisch mit Kolleg*innen vor Ort besprochen. Eine Klinik bietet auch eine App-Lösung an, bei der Ärzt*innen ebenfalls klinische Anwendungen oder Dienste von zuhause aus erbringen können. Dies vereinfacht die Arbeit und es ist gleichzeitig eine Sicherheit gewährleistet.

Information und Kommunikation 

 

Hier bieten zertifizierte Kliniken und Krankenhäuser regelmäßig Mitarbeitendenzeitschriften mit relevanten inhaltlichen Themen an. Einige Zertifikatsträger besitzen Info-Flyer zu diversen Vereinbarkeitsthemen und nennen zusätzlich bereits feste Ansprechpartner*innen für die Vereinbarkeitsbelange. Zahlreiche Arbeitgeber informieren ihre Beschäftigten über E-Mail- Verteiler, schwarze Bretter und Apps über die Angebote und führen zur Evaluation der Angebote Mitarbeitendenbefragungen- und gespräche durch.

 

Führung 

 

Führungskräfte sind für die Durchdringung einer strategisch angelegten Vereinbarkeitspolitik von besonderer Bedeutung, denn sie sind gleichzeitig Adressat*innen und wichtige Multplikator*innen. Daher ist es besonders wichtig, wenn sie auch im Klinikkontext als Vorbilder agieren und Vereinbarkeitsangebote ihres Arbeitsgebers aktiv nutzen. Kliniken und Krankenhäuser schaffen im Rahmen des audit daher auch die Möglichkeit zum Topsharing bei Führungskräften und Oberärzt*innen. Solche Möglichkeiten haben den Effekt, dass auch männliche Oberärzte in Elternzeit gehen. Einige Arbeitgeber bieten spezielle Führungskräfteworkshops rund um das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an oder setzen den Fokus auf Angebote zu Gesunden Führen. Eine Klinik setzt zur stetigen Weiterentwicklung des Themas Vereinbarkeit auf regelmäßig stattfindende Leitungskonferenzen, bei denen Themenbereiche evaluiert oder neu angebracht werden. Zertifizierte Krankenhäuser setzen auch auf die Implementierung von berufsgruppenübergreifenden Leitungsstrukturen bei der organisationsverantwortliche Oberärzt*innen und die pflegerische Abteilungsleitung in gleichberechtigter Funktion stehen.

 

Personalbindung- und Gewinnung 

 

Dieses Handlungsfeld ist unter der herrschenden Personalknappheit in Kliniken und Krankenhäusern besonders wichtig. Hier schaffen zertifizierte Arbeitgeber alternative Karrierewege insbesondere für Pflegekräfte. So werden im Rahmen des Generationenmanagements Patenmodelle im Allgemeinen oder für Stationsleitungen im Speziellen entwickelt. In einigen Kliniken und Krankenhäusern werden darüber hinaus alters- und kompetenzgemischte Teams gebildet. Auch in diesem Bereich gibt es also vielfältige Möglichkeiten in Kliniken.  

Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen 

In Bezug auf Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen setzen Kliniken und Krankenhäuser mithilfe des audit auf verschiedene Maßnahmen. So bieten einige von ihnen Job-Tickets oder die Möglichkeit zum Fahrradleasing. Es gibt Zertifikatsträger, bei denen Angehörige der Beschäftigten ebenfalls vergünstigt in den Kantinen essen können. Das Personal erhält bei manchen zertifizierten Arbeitgebern Wertgutscheine für kurzfristiges Einspringen. Auch eine Kostenbeteiligung des Arbeitgebers bei Kindergarten, Krippe oder Ferienbetreuung wird von einigen Kliniken und Krankenhäusern angeboten.

Services für Familien

Das Angebot von auditieren Kliniken und Krankenhäusern in zur Unterstützung von Beschäftigten mit Sorgeaufgaben ist breitgefächert. In einigen Kliniken und Krankenhäuser gibt es Willkommensgeschenke für Mitarbeitendennachwuchs. Arbeitgeber haben im Rahmen des audit-Prozesses eigene Kitas und Ferienbetreuungsangebote für alle Beschäftigten etabliert. Es besteht bei einigen die Möglichkeit zur Nutzung von Familienservices (Kinderbetreuung, Elder Care) oder Lebenslagencoaching durch externe Dienstleister oder es wurden eigene Familienbüros geschaffen, die zur Thematik Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen niederschwellig informieren und bei Bedarf auch persönlich beraten.

Diese Auswahl an Praxisbeispielen zur Vereinbarkeit in Kliniken und Krankenhäusern zeigt: Vereinbarkeit und der Klinikalltag mit all seinen Herausforderungen können miteinander in Einklang gebracht werden, wenn Arbeitgeber sich systematisch mit einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik auseinandersetzen und unter den betrieblichen Rahmenbedingungen passgenaue Lösungen schaffen. 

Dann kann es heißen: Vereinbarkeit und Klinikalltag – it’s a match!