Mittwoch, 11. August 2021

#VereinbarkeitsVibes: Die Waage

Vereinbarkeit heißt auch, stets berufliche und private Belastungen auf die Waage zu legen (©pixabay.com)

Können Beschäftigte auf Dauer Berufliches und Privates nicht in Balance bringen, ist Gesundheit und dann auch der Job gefährdet. Inwiefern Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben daher etwas mit einer Waage zu tun hat, überdenkt Silke Güttler, Leitung unseres Bereichs Corporate Communications, in der heutigen Ausgabe der Blog-Reihe #VereinbarkeitsVibes.

Die Begrifflichkeit „Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben“ hat Synonyme, über die sich durchaus länger nachdenken lässt: Wir sprechen oftmals auch davon, Berufliches und Privates in Einklang zu bringen. Ein besonders gängiger Terminus ist zudem „Work-Life-Balance“.

Offen gestanden hat mich an „Work-Life-Balance“ immer gestört, dass hier „Work“ (also „Arbeit“) und Life (also „Leben“) gegenübergestellt werden. Gehört nicht Leben zur Arbeit dazu bzw. ist Arbeit nicht immer ein Teil des Lebens? Vielleicht zeigt sich in diesem Begriff die konzeptionelle Abgrenzung von Arbeit zu dem, was man als eigentliches Leben verstehen möchte: Nix BlendingSeparation soll es sein. Vielleicht ist „Life“ aber auch nur eine Abkürzung für „Private Life“, was für mich wieder mehr Sinn machen würde.

Viel interessanter finde ich aber noch den Begriffsbestandteil „Balance“. Berufliche und private Aufgaben in Balance bringen, heißt es ja auch im Deutschen. Es geht also darum, den Ausgleich zwischen Herausforderungen der Erwerbstätigkeit und familiären, privaten Aspekten herzustellen. Ein anderes Bild: Wir sollen die Mitte finden… – vielleicht auch unsere eigene Mitte zwischen Job und Privatleben?

Unterschiedliche Lebensphasen – unterschiedlicher Energiefluss


Wie das Leben nun mal so ist, gibt es keine konstante Mitte und keinen konstanten Ausgleich. Wie auf einer Waage schlägt der Pegel nach oben oder unten bzw. nach irgendeiner Seite aus. Spannend dabei: Es gibt die üblichen kleineren, täglichen Ausschläge, die situations- und manchmal auch stimmungsabhängig sind. Und dann sind da die größeren Pegelausschläge, die meist mit einzelnen Lebensphasen einhergehen. So investieren Beschäftigte je nach Lebensphase Energien und Ressourcen mal mehr ins Berufliche, mal mehr ins Private.

So ist i.d.R. in der Phase des beruflichen Einstiegs der Fokus auf den Job gerichtet, während in der Phase der Familiengründung Privates Vorrang gewinnt. In der Berufseinstiegsphase ist der Bedarf an Vereinbarkeitslösungen hinsichtlich Kinderbetreuung oft noch nicht gegeben. Das ändert sich schlagartig, sobald Nachwuchs ansteht. Vielfach ist der Wunsch groß, mehr Zeit mit Kind bzw. Familie zu verbringen und eine – zumindest zeitweise – Reduktion der Arbeitszeit kommt in Frage.

Energien und Ressourcen fließen in den verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark ins Privatleben und ins Berufsleben. Abbildung: berufundfamilie Service GmbH

Doch nicht alle Lebenswege verlaufen gleich. Damit ist auch nicht fest einzementiert, wann wo – im Arbeits- oder im Privatleben – der Schwerpunkt liegt. Das Lebensphasenmodell gibt aber eine Orientierung. Vor allem sensibilisiert es dafür, dass sich die Vereinbarkeitsbedarfe und auch -wünsche ganz selbstverständlich im Laufe des Lebens ändern.

Mit Vereinbarkeitsangeboten Belastungen ausbalancieren


Interessant ist, zu beachten, wann sich Erwerbstätige besonders belastet fühlen. Ein erhöhtes Arbeitsvolumen, Misserfolge, Disharmonien im Team oder mit Führungskräften, aber auch Unterforderung – all das kann Beschäftigte stressen; die*den einen mehr, die*den anderen weniger. Berufliche Belastungen können aber oft durch ein zufriedenstellendes Privatleben ausgeglichen oder zumindest abgemildert werden. Werden die privaten Herausforderungen jedoch zusätzlich als schwierig empfunden, fehlt eben jenes ausbalancierende Moment. Beschäftigte, die auf Dauer erhöhte Belastungen im beruflichen wie auch im privaten Bereich wahrnehmen, drohen ihr Gleichgewicht völlig zu verlieren. Die psychische wie auch physische Gesundheit ist gefährdet.

Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben des Arbeitgebers, können zu einem Ausgleich des Energie- und Ressourcenhaushalts beitragen. So sind Unterstützungsmaßnahmen hinsichtlich der Kinderbetreuung oder auch anderer Care-Arbeiten dazu gedacht, Peaks von Stresssituationen aufzufangen – z.B., wenn die Kita ausfällt. Doch nicht nur in so genannten Notsituationen sollen Vereinbarkeitslösungen greifen können. Auch längerfristige Arrangements – beispielsweise Arbeitszeit- oder Arbeitsortreduzierung bzw. deren Flexibilisierung – geben Beschäftigten die Möglichkeit einer besseren Regulierung zwischen Beruflichem und Privatem.

Proaktives Handeln von Beschäftigten notwendig


Doch die Verantwortung, Berufliches und Privates immer wieder auf die Waage zu legen, ist nicht alleinig beim Arbeitgeber zu sehen. Mitarbeitende müssen stets eruieren, wo sich Belastungen aufbauen und auch wie sie sich gegebenenfalls abbauen lassen. Soll heißen: Ich muss Belastungs- bzw. Stressfaktoren gewichten – seien sie beruflicher oder privater Natur – und schauen, ob ich mit ihnen klarkomme, ob ich sie also ausbalancieren kann. Wenn nicht, sollte ich mir als Beschäftigte*r darüber Gedanken machen, durch welche Maßnahmen ein Ausgleich erlangt werden kann. Sind Lösungen im Job greifbar, sind diese als Vorschlag zu formulieren und mit Vorgesetzten und/ oder Team zu besprechen.

Denn: Arbeitgeber können noch so viele familien- und lebensphasenbewusste Angebote machen und sie auch deutlich kommunizieren – sie besitzen aber keine Glaskugel, mit der sie die Belastungen – insbesondere die privaten – jeder*jedes einzelnen Beschäftigten einsehen können, um dann mit individuellen Vereinbarkeitslösungen auf diese*n zuzukommen. Mitarbeitende müssen das Gespräch von sich aus suchen, um dann gemeinsam mit dem Arbeitgeber die Herausforderungen auf die Waage legen und passende kurz- bis langfristige Maßnahmen finden zu können.

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