Donnerstag, 30. Juni 2022

Vereinbarkeit in Zahlen: Care-Aufgaben im Blick

Stichwörter aus der Welt der Vereinbarkeit (©berufundfamilie Service GmbH)

Je mehr Home-Office, desto mehr Vereinbarkeit. Nachholbedarf in Sachen Mutterschutz bei deutschen Arbeitgebern. Und Großeltern unterstützen bei jedem zweiten Kind unter 6 Jahren in der Betreuung. Diese neuen Einblicke in die Studienwelt liefert unsere Juni-Ausgabe der Blogreihe Vereinbarkeit in Zahlen.
 


Vermehrtes Home-Office unterstützt Vereinbarkeit von Beruf und Familie


Die Coronapandemie hat der Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten, einen enormen Schub verpasst und ist für viele nicht mehr aus dem Arbeitsalltag wegzudenken. Ein internationales Forscherteam mit der Soziologin Dr. Leß des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hat untersucht, wie viel Zeit im Home-Office Beschäftigten dabei hilft, Konflikte zwischen Beruf und Familie zu reduzieren, und welche Faktoren dabei ausschlaggebend sind.

Anhand von australischen Daten für die Zeit vor der Pandemie konnte gezeigt werden, dass es entscheidend ist, wie viel Arbeitszeit pro Woche im Home-Office gearbeitet werden. Home-Office entpuppt sich vor allem dann als vereinbarkeitsförderlich, wenn der Großteil der Arbeitszeit von zu Hause aus geleistet wird. Laut Studie haben Beschäftigte mit großzügiger Home-Office-Nutzung eine bessere Kontrolle über ihre Arbeitszeit, durch den Wegfall des Arbeitswegs werde zudem mehr Familienzeit gewonnen. Jedoch verleitet Home-Office viele Beschäftigte dazu, die Arbeitszeit auf Randzeiten oder das Wochenende zu legen.

Im Hinblick auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie profitieren Mütter* mehr vom Home-Office als Väter*. Mütter* nutzen die eingesparte Zeit im Home-Office häufiger für familiäre Aufgaben. Insgesamt zeigt sicher aber sowohl für Mütter* als auch Väter*, dass vermehrtes Home-Office den Konflikt zwischen Beruf und Familie reduziert, was positive Effekte auf das eigene Wohlbefinden, die Erwerbsbeteiligung und das Familienleben haben kann.

Die Umfragedaten aus Deutschland vor der Pandemie belegen ebenfalls, dass Beschäftigte im Home-Office Arbeit und Privatleben besser unter einen Hut bekommen. Weitgehende Home-Office-Regelungen waren bis zu Beginn der Pandemie allerdings eher Mangelware in Deutschland und einem kleinen Teil der Beschäftigten vorbehalten. Ursache dafür war teilweise, dass Home-Office nicht bei allen Tätigkeiten möglich war, aber auch das Angebot der Arbeitgeber nicht vorhanden war. Einige Beschäftigte waren zudem schlichtweg nicht „gewöhnt“ an die Arbeit von zu Hause aus.

Laß, Inga; Wooden, Mark, Working from home and work-family conflict. Work, Employment and Society (online first), Juni 2022 https://idw-online.de/de/news795926



Regelungen zum Mutterschutz werden oft nicht eingehalten


Eine Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes offenbart ernüchterndes: Zahlreiche Unternehmen halten die Regelungen zum Mutterschutz nicht ein. Für die Umfrage wurden 1.193 Frauen* befragt. Mehr als die Hälfte der Befragten äußert, wiederholt mehr als die gesetzlich erlaubten 8,5 Stunden am Tag gearbeitet zu haben. Jede dritte Schwangere äußerte, dass ihr Arbeitgeber die gesetzlich verpflichtende Gefährdungsbeurteilung nicht durchgeführt habe. Alles in allem wurde eine Reihe von Schutzmaßnahmen nicht umgesetzt. Jede fünfte Schwangere gab an, dass Pausenzeiten nicht eingehalten werden. 50% der Schwangeren hatte zudem keinen Ruheraum zur Verfügung. Jeder dritten Frau* war es zudem nicht möglich sich in den Pausen hinzusetzen, hinzulegen oder sich auszuruhen.

28% erleben zudem langfristige berufliche Nachteile aufgrund ihrer Schwangerschaft. 2/3 davon äußern, dass ihre Schwangerschaft die berufliche Weiterentwicklung verzögert oder blockiert habe. Nahezu die Hälfte der Befragten beklagte, dass sich anstehende Karriereschritte verzögert oder vollständig blockiert worden seien.

DGB-Studie, Mutterschutz, Juni 2022
https://www.zeit.de/arbeit/2022-06/studie-mutterschutz-regelung-unternehmen-gewerkschaftsbund?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
https://www.dgb.de/themen/++co++5d65518c-e662-11ec-bf84-001a4a160123




Großeltern unterstützen bei jedem zweiten Kind unter 6 in der Kinderbetreuung


Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Bib) in Kooperation mit der Stiftung Ravensburger Verlag zeigt, dass gut die Hälfte aller Kinder unter 6 von den Großeltern mitbetreut wird und das, obwohl Betreuungsangebote wie Kitas oder Ganztagsschulen in den vergangenen Jahren gewachsen sind. Im Durchschnitt wenden Großeltern für die Enkelbetreuung 8 Stunden die Woche auf. 60% aller Großmütter* und 40% aller Großväter sind im Notfall für die Betreuung ihrer Enkel da. Bei Kindern unter 3 Jahren liegt der Anteil der Kinder, die regelmäßig von ihren Großeltern betreut werden, bei ca. 30%.

Großeltern stellen daher eine große Stütze bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar. Insbesondere Mütter* werden durch die Betreuung der Großeltern entlastet und sind in der Befragung deutlich zufriedener. Besonders relevant sind die Großeltern in der Nachmittagsbetreuung der Kinder. 2/3 der befragten Eltern, die bisher keine Hilfe von den Großeltern erhalten, wünschen sich die Einbeziehung dieser in die Kinderbetreuung. Die häufigsten Gründe dafür, dass Oma* und Opa nicht bei der Kinderbetreuung unterstützen können, sind die eigene Erwerbstätigkeit und eine zu große Entfernung.

Bib/DIW & Stiftung Ravensburger Verlag, Oma und Opa gefragt? Veränderungen in der Enkelbetreuung und der Beitrag von Großeltern zur kindlichen Entwicklung, Juni 2022
https://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2022-06/kinderbetreuung-grosseltern-hilfe




Pflegende Angehörige während der Pandemie stärker belastet


Mit Beginn der Coronapandemie stieg vorrübergehend der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter, die Unterstützung und Pflege für andere übernommen haben. Besonders Frauen* waren hier belastet, sie wendeten mehr Zeit für die Unterstützung und Pflege auf als Männer*. Dies zeigen Daten des Deutschen Alterssurvey (DEAS). In der zweiten Pandemiewelle pendelte sich die Beteiligung an Unterstützungs- und Pflegeaufgaben auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Pandemie ein. Der Zeitaufwand blieb ebenfalls gleich. Der Großteil der Unterstützung und Pflege übernehmen nicht-erwerbstätigen Frauen*. Dies könnte mit größeren zeitlichen Kapazitäten zusammenhängen oder eben auf die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Pflege hindeuten. Die Erwerbstätigkeit von Pflegenden bleibt in der Pandemie stabil. Besonders hoch ist das Vereinbarkeitsdilemma bei Personen, die mit hoher zeitlicher Intensität pflegen, hier ist die Erwerbsbeteiligung deutlich geringer. Auch hier sind Frauen* besonders betroffen.
 
Gesetzliche Maßnahmen, die bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege eigentlich helfen sollten, werden kaum genutzt. Lediglich 1% der Pflegenden und Unterstützungsleistenden nutzen die Möglichkeit einer kurzfristigen Freistellung zur Pflege von Angehörigen oder die Pflegezeit. Die Coronapandemie trug im Schnitt nicht zu einem höheren Belastungsempfinden der Pflegenden bzw. Unterstützenden dabei. Am stärksten belastet fühlten sich im Corona-Winter 2020/21 nicht-erwerbstätige Frauen*, die mit hohem zeitlichem Aufwand pflegen. Dann folgen Frauen*, die Beruf und Pflege mit hohem zeitlichen Pflegeaufwand vereinbaren müssen. Der DEAS (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Seit Beginn der Corona-Pandemie gab es zwei Erhebungen.

Deutscher Alterssurvey, Juni 2022
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/einsatz-pflegender-angehoeriger-in-der-pandemie-stark-gestiegen-vor-allem-bei-frauen--199360
https://www.dza.de/fileadmin/dza/Dokumente/DZA_Aktuell/DZA-Aktuell_02_2022_Pflege-und-Erwerbsarbeit_final.pdf




79% der Beschäftigten denken beruflicher Erfolg geht ohne Führungsverantwortung 

 
Ergebnisse einer Studie der Initiative Chefsache zeigen,dass die Zeiten der klassischen Karriere vorbei sind. In Sachen Gleichberechtigung ist zudem noch viel zu tun. So finden lediglich 18% der Beschäftigten, dass Frauen* und Männer* die gleichen Chancen auf Karriere im Berufsleben haben. Neben dieser fehlenden Gleichberechtigung lässt sich eine Karrieremüdigkeit erkennen. So sind lediglich 33% der Männer* und 23% der Befragten insgesamt dazu bereit, mehr Verantwortung im Beruf zu übernehmen.

79% denken, dass man beruflich Erfolg haben kann, ohne eine Führungsposition inne zu haben. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist zu viel Stress der Hauptgrund gegen eine Karriere. Besonders wichtig ist den Befragten zudem Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort und die Arbeitszeit. So möchten insbesondere junge Beschäftigte die gewonnene Flexibilität aus der Pandemie behalten. Stichwort hybrides Arbeiten: 60% der Befragten unter 40 möchten zukünftig mindestens einige Tage im Home-Office arbeiten. 80% aller der Befragten geben an, dass sie im Home-Office Beruf und Privatleben besser vereinbaren können. 45% beklagen allerdings, dass sie im Home-Office Privat- und Berufsleben schlechter abgrenzen können und sie gefühlt mehr arbeiten.
In Bezug auf die Produktivität halten sich 84% der Beschäftigten im Home-Office für genauso produktiv wie im Büro, 53% schätzt sich sogar als produktiver ein. 25% der Führungskräfte misstrauen dennoch der Produktivität ihrer Beschäftigten im Home-Office. 39% der Führungskräfte äußern zudem, dass Präsenz am Arbeitsort für den beruflichen Erfolg und die Beförderung wichtig sei.

Im Hinblick auf die Arbeitszeit wünschen sich 85% der Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexible einteilen zu können. Flexible Arbeitszeiten folgen auf das Gehalt bei den wichtigsten Kriterien zur Arbeitgeberwahl. 61% der Befragten möchten ihre Arbeitszeit reduzieren, um mehr Zeit für sich und die Familie zu haben. 71% der Frauen* und 57% der Männer* schätzen sogar, dass sie mit einer 4-Tage-Woche produktiver wären. Flexible Arbeitsmodelle sind vor allem in Sachen bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefragt. So nennen 70% der befragten Mütter* und Väter* flexible Arbeitszeitmodelle als wichtigsten Faktor für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

58% der Männer* und 44% der Frauen* wären allerdings auch bereit mehr als 40 Studen zu arbeiten, um berufliche Ziele zu erreichen. In Sachen Feedbackkultur wünschen sich 72% mehr und regelmäßiger Feedback. Auch bei der Führungskultur sehen die befragten Beschäftigten Nachholbedarf. Lediglich 37% der Befragten sind mit der Führungskultur in ihrer Organisation zufrieden. Unter den befragten Führungskräften äußern 46%, dass sie gerne einen anderen Führungsstil prägen würden, die Rahmenbedingungen dies aber nicht zulassen würden.

Initiative Chefsache, Neue Karriere und vielfältige Führung, Juni 2022
https://www.zfk.de/karriere/studie-es-zeichnet-sich-eine-karrieremuedigkeit-ab









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