Montag, 13. November 2023

Otto Heinemann Preis 2023: Zwei von drei Preisträgern zählen zu unseren Zertifikatsträgern

Nach vielschichtigen, konstruktiven Statements zum aktuellen Stand der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sowie einem Blick in die Zukunft wurden im Rahmen der diesjährigen Berliner Pflegekonferenz die Sieger des Otto Heinemann Preises verkündet
(Quelle: berliner-pflegekonferenz.de)

Die Gewinner des diesjährigen Otto Heinemann Preises, mit dem vorbildliche Projekte von Organisationen zu Unterstützung ihrer pflegenden Beschäftigten prämiert werden, sind gekürt! An der hybriden Preisverleihung nahm auch unser Geschäftsführer Oliver Schmitz teil und gab vorab Einblicke in die Praxis pflegebewusster Arbeitgeber. Mehr dazu und den Preisträgern hier im Blog.

Unter dem Titel „Chancen für die Arbeitswelt von morgen: Beschäftigte bei familiären Betreuungsaufgaben unterstützen“ stand das Panel 1 der Berliner Pflegekonferenz am vergangenen Donnerstag (9. November 2023). Mit auf dem Panel war unser Geschäftsführer Oliver Schmitz, der sich u.a. für eine erhöhte Sensibilisierung in der Belegschaft für das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ einsetzte.

In der Diskussion wurde konstatiert, dass Pflege immer noch ein Tabuthema sei, mit dem sich Menschen i.d.R. erst beschäftigen, wenn der Pflegefall eintritt. Doch Vorbereitung ist gerade mit Blick auf die Herausforderungen von Beschäftigten sehr wichtig. Die Frage ist

jedoch, wie Mitarbeitende mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege früh(er) erreicht werden können – sowohl um Verständnis für betroffene Kolleg*innen aufzubauen, bei eigener Betroffenheit direkt wissen, wo sie Hilfe erhalten können, als auch aktiv an der Erarbeitung bedarfsgerechter betrieblicher Unterstützungsangebote mitwirken zu können.

Unsere Erfahrung in der Begleitung von Organisationen bei der Gestaltung einer pflegebewussten Personalpolitik zeigt, dass das Tabu weitestgehend gebrochen sei. Tatsächlich ist Pflege mehr eine How-to-Frage in den Organisationen – und zwar bzgl. der Etablierung sinnvoller Angebote. Oliver Schmitz betonnte im Panel-Gespräch, dass ein wichtiger erster Schritt hier die Sensibilisierung der gesamten Belegschaft und damit die möglichst breite Information zum Thema Pflege innerhalb der Betriebe ist, die verstetigt werden muss. Konkrete kommunikative Maßnahmen können dabei der Aufbau einer Pflege-Rubrik im Intranet mit zur Verfügung gestellten Materialien wie u.a. einer Notfallmappe sein. Seminare für Mitarbeitende zum Thema Pflege bieten sich an – allgemeine oder auch gesonderte Informationsveranstaltungen zu Aspekten wie Patientenverfügung.

Viele Arbeitgeber haben mittlerweile Erstansprechpartner*innen zum Thema Pflege innerhalb ihrer Belegschaft qualifizieren lassen. Diese nennen sich Pflegelotsen oder Pflege-Guides. Vielerorts ist diese Qualifizierung kostenlos möglich, z.B. in Hessen über die Initiative „Beruf und Pflege vereinbaren“ oder über das Landesprogramm NRW „Vereinbarkeit Beruf & Pflege“. In beiden ist die berufundfamilie als Partner engagiert.

Denkbar ist auch Pflegesprechstunden bei externen Anbietern sozusagen einzubuchen. Ggf. können diese sogar in einer festgelegten Frequenz in die Organisation bestellt werden.

Sinnvoll kann es auch sein, bereits vorhandene Aktionstage zu nutzen, um die Pflegethematik dort sichtbar zu machen, z.B. Gesundheitstage oder auch das allgemeine Firmenfest. Wer es ganz explizit machen möchte, ruft direkt einen Pflegetag aus, an dem informiert und diskutiert wird. Hier ließe sich auch eine Ausstellung integrieren, die Zahlen aus der Pflegestatistik aufgreift, Anlaufstellen zeigt und ggf. bereits vorhandene Angebote der Organisation zu Unterstützung der Beschäftigten präsentiert.

Bei der systematischen Weiterentwicklung lohnt es sich, Arbeitskreise zu etablieren, in denen Mitarbeitende aktiv Maßnahmen ausgestalten können. In diesen können Programme zur Kontakthaltung mit Beschäftigten aufsetzen, die sich in Pflegezeit oder Familienpflegezeit befinden – ein wichtiges Angebot, damit betroffene Kolleg*innen nicht den Anschluss verlieren.

berufundfamilie-Geschäftsführer Oliver Schmitz über die Notwendigkeit verstetigter Kommunikation zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege und die Etablierung einer pflegebewussten Führung (Quelle: berliner-pflegekonferenz.de)

Ein weiterer Schwerpunkt in der Diskussion bildete die Rolle der Führungskräfte. Denn: Führungskräfte sind Vorbilder und erste Ansprechpersonen für ihre Mitarbeitenden. Dass sie die gewünschte Unternehmenskultur auch mittragen, ist aber kein Selbstläufer und auch sie brauchen Unterstützung bei dem komplexen Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“. Doch was braucht es zu einer gelingenden pflegebewussten Führung?

Auch hier gewährte unser Geschäftsführer Oliver Schmitz einen Blick in die Praxis von Arbeitgebern. Maßgeblich ist es, das Thema Pflege in Führungskräftemeeting zu integrieren. Nach Möglichkeit lassen sich gesonderte Führungskräftetrainings etablieren – ggf. als feststehender Bestandteil der Führungskräfteentwicklung. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Role-Model-Funktion von Vorgesetzten. Führungskräfte, die selbst pflegen, und diese Aufgabe in der Organisation präsent machen und selbst entsprechende Vereinbarkeitsangebote nutzen, sind besonders glaubwürdig und regen zur Nachahmung an. Gute Erfahrungen gibt es auch mit Programmen, in denen Führungskräfte als Pat*innen Beschäftigten, die privat pflegen, zur Seite stehen.

And the winners are …

Im Anschluss an das Panel-Gespräch wurden die diesjährigen Preisträger*innen des Otto Heinemann Preises zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege verkündet. Der Otto Heinemann Preis honoriert seit 2015 vorbildhafte Maßnahmen von Arbeitgebern und steht unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck. Initiiert wurde er von der spectrumK GmbH, dem BKK Dachverband und dem IKK e.V.. Die Auswahl der diesjährigen Preisträger traf eine 13-köpfige Jury, zu der auch unser Geschäftsführer Oliver Schmitz zählt. Sie betrachteten die Bewerbungen von Organisationen in drei Kategorien, die sich nach den Größen der Arbeitgeber richtet. Zwei der drei Preisträger sind mehrfach dem audit berufundfamilie zertifiziert, mit dem sie ihre vereinbarkeitsfördernde Personalpolitik systematisch ausbauen.

Bei den zahlreichen Bewerbungen zeigten sich einige Tendenzen im Umgang mit den Bedarfen pflegender Mitarbeitender: So wird vielfach auch nach der Pandemie die Möglichkeit genutzt, ins Home-Office zu gehen oder remote zu arbeiten. In diesem Zusammenhang sind digitale Unterstützungsmaßnahmen weiter etabliert oder ausgebaut worden. Entsprechend der oben benannten Rolle von Führungskräften zeigt sich, dass sich das Bewusstsein über deren Bedeutung für die Unternehmenskultur stärker durchsetzt und vermehrt Maßnahmen zu ihrer Einbindung getroffen werden. Gleichzeitig wird von Arbeitgeberseite ein Fokus auf die Förderung der Selbsthilfe und des Austauschs der Betroffenen untereinander gelegt. Als Dauerbrenner sind die Fragen, wie beschäftigte mit bzw. zu dem Thema Pflege erreicht werden, deren Sensibilisierung und deren aktive Einbindung in die Entwicklung von vereinbarkeitsfördernden Angeboten auf der Agenda.

Viele dieser Aspekte werden von den diesjährigen Siegern des Otto Heinemann Preises gezielt bearbeitet. Die Preisträger sind:


Kategorie 1 – kleine Arbeitgebende (bis 200 Beschäftigte)

Diakonie ambulant Gesundheitsdienste oberes Murtal e.V.


Die Einrichtung für ambulante Pflege und Therapie zählt 70 Beschäftigte. Als Grundlage nutzt sie das sogenannte BELEV-Konzept – ein Konzept zum BGM von Diakonie Baden, Diakonie Württemberg und pulsnetz, das auf einem salutogenetischem Ansatz basiert. Es handelt sich sowohl um ein Rahmenkonzept als auch um ein Tool für Evaluation und institutionalisierte Mitarbeitendenbeteiligung.

BELEV ist ein Wort, das aus dem Hebräischen stammt und bedeutet so viel wie: Aus dem Herz ins Herz. BELEV umfasst regelmäßige Beschäftigtenbefragungen und die intensive Arbeit zu Vereinbarkeitsthemen – inklusive pflegebewusster Aspekte – in einem zehnköpfigen Steuerungskreis, der paritätisch mit Vertreter*innen aus den Bereichen Pflege, Therapie und Verwaltung besetzt ist. BELEV führte zu einer hohen Beteiligung der Beschäftigten. In der Folge der Anwendung sank die Fluktuation deutlich und die Initiativbewerbungen stiegen auf 3 bis 4 monatlich.

Das wird von der Jury honoriert, denn laut ihrer Beobachtung ist das BELEV-Konzept keine Sammlung von Einzelmaßnahmen, sondern ein stringentes, regelhaftes Managementkonzept.


Kategorie 2 – mittlere Arbeitgebende (201 – 1.000 Beschäftigte)

Abrechnungszentrum Emmendingen


Ca. 600 Personen sind beim Abrechnungszentrum Emmendingen beschäftigt, das seit 2017 seine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik mit dem audit berufundfamilie gestaltet. Dem Abrechnungszentrum obliegt die Prüfung und Bearbeitung von Sozialdaten für gesetzliche Krankenkassen und Beteiligte im Gesundheitswesen. Im Rahmen des audit berufundfamilie baut das Abrechnungszentrum auch seine pflegerelevanten Angebote systematisch aus bzw. integrierte Fragstellungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Mit dem im audit vorgesehenen Zielvereinbarungen setzen die Emmendinger jährlich Schwerpunktthemen, die sie aus regelmäßigen Befragungen zur Überprüfung der Vereinbarkeitsangebote ableitet. Das aktuelle Schwerpunktthema dreht sich um die stärkere Sensibilisierung von Führungskräften.

Um pflegende Beschäftigte direkt Orientierung zu geben, hat das Abrechnungszentrum in unterschiedlichen Bereichen vier Pflegelotsen qualifizieren lassen. Ein wichtiger Support sind zudem 10 unbezahlte Tage, die zusätzlich zu den gesetzlichen (unbezahlten) Tagen gewährt werden.


Kategorie 3 – große Arbeitgebende (mehr als 1.000 Beschäftigte)

REWE Group


Etwa 161.000 Beschäftigte, die in den bundesweit verteilten Filialen der REWE- sowie u.a. auch Penny-Märkten tätig sind, können bei der REWE Group eine Vielzahl an familien- und lebensphasenbewussten Maßnahmen nutzen, die die verschiedenen Lebensphasen der Mitarbeitenden in den Blick nehmen. So gibt es bei der REWE Group über 200 so genannte LoS!-Multiplikator*innen, die zur Belegschaft gehören und entsprechend qualifiziert werden. LoS! steht dabei für „Lebensphasenorientierte Selbsthilfekompetenz“. Die Multiplikator*innen agieren als Ansprechpersonen, geben Orientierung und informieren über passende Unterstützungsangebote – so auch zum Thema Pflege. Zudem sind Kolleg*innen als

Pat*innen für Beruf & Familie im Einsatz und beraten zu Vereinbarkeitsfragen. Ergänzende Angebote sind weiterhin die Lebenslagenhotline und deutschlandweite Unterstützungsleistungen über die Kooperation mit z.B. awo-Lifebalance.

Darüber hinaus hat die REWE Group, deren Verwaltung seit 2012 das Zertifikat zum audit berufundfamilie trägt, ihre Kommunikationswege und -kanäle auf das Thema Pflege ausgeweitet. Es gibt z.B. eine Gesundheitsplattform mit Informationen zur Pflege, die unabhängig vom Arbeitsplatz auch privat über eine App erreichbar. Und auch in dem Mitarbeitendenradio in den Penny-Märkten ist von der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu hören.


Mehr zum Otto Heinemann Preis und der Berliner Pflegekonferenz finden Sie hier.

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