Freitag, 28. Februar 2025

Equal Care: Zeit für Zuversicht

Die gleichberechtigte Aufteilung von Sorgearbeit bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
(Foto: pixabay.com)

Morgen ist Equal Care Day. Wir blicken daher in diesem Blogbeitrag auf einige Zahlen, die eine Bestandsaufnahme zu „Equal Care“ in Deutschland zeigen und stellen eine Auswahl an beispielhaften Maßnahmen vor, die Zertifikatsträger ins Leben gerufen haben, um für mehr Equal Care zu sorgen.


Der Equal Care Day steht am morgigen Samstag, den 01.03.2025 an. Der Aktionstag wurde 2016 ins Leben gerufen, um auf die fehlende Wertschätzung und unfaire Verteilung von Sorgearbeit aufmerksam zu machen, die immer noch zum Großteil von Frauen* erledigt wird. Der Aktionstag liegt eigentlich auf dem 29. Februar. Mit der Datierung auf den 29. Februar, der nur alle 4 Jahre als Schalttag existiert und sonst übergangen wird, soll darauf hingewiesen werden, dass Care-Arbeit weitgehend als unsichtbare Arbeit gilt und oft weder wahrgenommen noch bezahlt wird (mehr Infos: https://equalcareday.de/).
Das Thema „Equal Care“ hat seit der Einführung des Equal Care Days an Aufmerksamkeit gewonnen und wird auch von immer mehr Arbeitgebern thematisiert.

Der Aktionstag bietet Anlass genug, um auf aktuelle Daten zu blicken, die Zuversicht geben und weiteren Handlungsbedarf signalisieren. Zudem stellen wir beispielhafte Maßnahmen zertifizierter Organisationen vor, die zu einer gerechteren Verteilung von Sorgearbeit beitragen können.

Her folgt nun ein kurzer numerischer Blick in den Themen Rollenverteilung, Kinderbetreuung und Pflege. Bevor dann einige Praxisbeispiele von nach dem audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule zertifizierten Organisationen vorgestellt werden, die zum mehr Gleichberechtigung in der Sorgearbeit beitragen.


Rollenverteilung:

  • Die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit in deutschen Familien bleibt nach wie vor stark geschlechtsspezifisch geprägt.[1] Während sich viele eine gleichmäßigere Verteilung wünschen, sieht die Realität aus: Weitaus mehr Mütter* und Väter* würden ein Erwerbs- und Sorgemodell bevorzugen, bei dem beide Elternteile etwa 30 Stunden wöchentlich arbeiten, umsetzen tun das aber die wenigsten.
  • 89% der Frauen und 84% der Männer halten es für die beste Arbeitsteilung, wenn beide Partner*innen bei Job, Haushalt und Kinder jeweils gleich viel übernehmen.[2] Trotz dieser Ansichten sagten 68% der Mütter und lediglich 4% der Väter, dass sie den gen Großteil der Care-Arbeit leisten. [3]
  • Auch die Einschätzungen von Vätern und Müttern, wer daheim wie viel Care-Arbeit leistet, weichen stark voneinander ab. 54% der Väter meinten, dass die Mütter sich überwiegend die Kinder betreuen, bei den Müttern waren es 68%. Eine weitgehend gleichberechtigte Aufteilung sehen 42% der Väter, aber nur 30% der Mütter.[4]
  • Eltern mit einer partnerschaftlichen Aufgabenverteilung sind überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Familienleben und berichten außerdem häufiger von einer gelungenen Vereinbarkeit.[5]
  • Lediglich 1/3 der Befragten denkt heute, dass Mütter den Hauptteil von Haus- und Sorgearbeit übernehmen sollten. [6]
  • Bei Paaren mit gemeinsamer Sorgeverantwortung, wenden Männer nach eigener Einschätzung durchschnittlich pro Woche 17,5 Stunden auf, bei den Frauen sind es 27,5.[7]
  • Die Zufriedenheit von Frauen steigt signifikant auf 7,6 Punkte auf einer 11-Punkte-Skala, wenn Haushaltsaufgaben gemeinsam erledigt werden, im Vergleich zu 5,9 Punkten bei alleiniger Verantwortung.


Kinderbetreuung:

  • Jede*r zweite Vater möchte die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen – tatsächlich tun dies 21% der Väter.[8]
  • 63 % der Väter* sprechen sich dafür aus, dass beide Elternteile die gleichen beruflichen Chancen haben und finanziell unabhängig sein sollten. Das spiegelt sich auch darin wider, dass immer mehr Väter eine positive Einstellung zur Berufstätigkeit von Müttern haben.[9]
  • 35 % der Mütter* sagen allerdings, dass sie die Doppelbelastung von Beruf und Familie besser stemmen könnten, wenn der Partner sich stärker an der Hausarbeit und der Kindererziehung beteiligen würde.[10]
  • Der Anteil an Väter*n, die denken, dass kleine Kinder genauso gut durch den Vater* betreut werden können, wächst. So lag er 2014 bei 50 % und ist auf 55 % im Jahr 2023 gestiegen.[11]
  • Die Väterbeteiligung beim Elterngeld ist so hoch wie noch nie: 46,2% nahmen Elternzeit und bezogen Elterngeld, 2007 waren es nur 3,5%.[12]
  • Rund 70% der Väter, die Elternzeit genommen haben, meinen, dass sie dadurch wichtige Entwicklungsschritte ihres Kindes miterlebt und so eine engere Bindung zu ihrem Kind bekommen hätten.[13]
  • ABER: Sobald das erste Kind geboren ist und die Elternzeit beginnt, entscheidet sich die Aufgabenteilung bei Familien- und Erwerbsarbeit. Oftmals sind vor der Geburt des ersten Kindes noch beide Elternteile in Vollzeit tätig, ändert sich das nach der Geburt. So waren 2023 73% der Mütter mit einem Kind unter 6 Jahren in Teilzeit tätig, bei den Vätern nur 8,6. [14


Pflege

  • Täglich und wöchentlich pflegen Frauen Angehörige und andere pflegebedürftige Menschen in Deutschland doppelt so häufig wie Männer.[15]
  • 52% der Teilzeitbeschäftigten gaben an, dass sie die Arbeitszeit im Beruf aufgrund der Übernahme von Pflege reduziert hätten und 28% der erwerbslosen Pflegenden waren vor der Übernahme der Pflege erwerbstätig.
  • Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist besonders für Frauen herausfordernd. Sie stellen mit 67% den Hauptanteil an den Pflegepersonen im erwerbsfähigen Alter.[16]
  • 48% der Beschäftigten, die privat pflegen, haben mindestens einer diskriminierenden Erfahrung am Arbeitsplatz gemacht.[17]


Mit gutem Beispiel voran – Blick auf auditierte Organisationen



Die Zahlen zeigen, dass der Wille zu einer gerechteren Aufteilung von Care-Aufgaben durchaus vorhanden ist. Arbeitgeber können dies mit folgenden beispielhaften Maßnahmen unterstützen. Wir beschreiben hier Auszüge aus dem Maßnahmenangebot von nach dem audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule zertifizierten Organisationen. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit



Bezahlte Freistellung nach der Geburt für Lebenspartner*innen


In Deutschland wird weiterhin auf die gesetzliche Umsetzung der „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige“ gewartet. Sie gibt europaweit verbindliche arbeitsrechtliche Standards vor, so auch die zweiwöchige bezahlte Freistellung nach der Geburt. Diese Maßnahme musste bis 2022 eigentlich in nationales Recht umgewandelt werden – doch Deutschland hat bisher hoch keine Grundlage geschaffen.

Einige Zertifikatsträger gehen hier mit gutem Beispiel voran und haben eigene Familienstartzeit-Modelle eingeführt, die bis zu 14 Tage bezahlte Freistellung für den Mitarbeitenden, der nicht vom Mutterschutz profitiert, umfassen, wenn ein Kind geboren wird/ in die Familie kommt. Bei einigen Arbeitgebern richtet sich dieses Angebot auch explizit an gleichgeschlechtliche Paare oder Adoptiveltern.


Topsharing-Modelle


Mit der Möglichkeit Führungspositionen durch zwei Personen in Teilzeit besetzen zu lassen, schaffen Organisationen, die Möglichkeit, dass auch mit Sorgeaufgaben Führungsverantwortung übernommen werden kann und Karriereschritte gegangen werden können.


Information und Kommunikation


Ein Großteil der zertifizierten Organisationen hat umfassende Kommunikationsmaßnahmen zu den Themen und Maßnahmen im Bereich Kinderbetreuung, gerechte Aufteilung von Sorgearbeit und Pflege etabliert. So gibt es u.a. Beschäftigtenberatungen, die sich explizit um die Themen Elternwerden oder Pflege kümmern.

Auch Workshops zu den Themen Mental Load und faire Verteilung von Sorgearbeit, können dabei helfen, Beschäftigte und Führungskräfte zu sensibilisieren. Auch eine explizite Ansprache von Vätern zur Nutzung von Vereinbarkeitsmaßnahmen wird hierbei immer wichtiger. So setzen einige Arbeitgeber auf Plakataktionen oder gründen Väternetzwerke, um aktive Vaterschaft mehr zu fördern.

Auch im Hinblick auf das Thema Pflege sind zielgruppenspezifische Kommunikationsangebote wichtig. Hier sind z.B. Gesundheits- und Pflegewochen mit diversen Veranstaltungen, die zu den Themen informieren, zu nennen. Es können z.B. Pflege-Sprechstunden etabliert oder Infoveranstaltungen zu den Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht durchgeführt werden.


Finanzielle Zusatzleistungen und Serviceleistungen


Auch mit finanziellen Zusatzleistungen und Serviceleistungen können Arbeitgeber Beschäftigte mit Care-Aufgaben entlasten. Beispielhaft zu nennen sind hier Kinderbetreuungszuschüsse, Belegplätze oder eigene Kinderbetreuungsmöglichkeiten wie eine Betriebskita oder Eltern-Kind-Zimmer.
Für pflegende Beschäftigte können Kooperationen mit spezialisierten Pflegedienstleistern eingegangen werden, die dann eine Notfallbetreuung und Seniorenassistenzen vermitteln. Auch das Konzept des Pflegeguides oder Pflegelotsen hat sich bei zertifizierten Arbeitgebern bewährt. Hierbei werden Beschäftigte weitergebildet und können dann andere Beschäftigte gezielt über Unterstützungsmöglichkeiten beraten und Pflegedienstleistungen vermitteln.


Strategisch verankerte Vereinbarkeitspolitik denkt Equal Care mit 


Dies waren nur einige beispielhafte Maßnahmen. Sie zeigen die Förderung von „Equal Care“ bei den Beschäftigten kann als Thema von Arbeitgebern vorangetrieben werden, wenn dies im Rahmen einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik strategisch verankert wird. Wichtig bleibt für eine nachhaltige Wirkung dabei immer der Dreiklang der Dimensionen Leistung – also dem Angebot von Vereinbarkeitslösungen, Dialog – fortlaufende Kommunikation mit allen Beschäftigten – und Kultur – einem Selbstverständnis der Vereinbarkeit in der Organisation.




[1]https://www.diw.de/de/diw_01.c.908180.de/publikationen/wochenberichte/2024_29_1/aufteilung_von_erwerbs-_und_sorgearbeit_bei_eltern__wunsch_und_wirklichkeit_liegen_teils_weit_auseinander.html
[2] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-auch-erwerbstaetige-muetter-uebernehmen-meist-grossteil-der-kinderbetreuung-57852.htm
[3] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-auch-erwerbstaetige-muetter-uebernehmen-meist-grossteil-der-kinderbetreuung-57852.htm
[4] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-auch-erwerbstaetige-muetter-uebernehmen-meist-grossteil-der-kinderbetreuung-57852.htm
[5] Familienbarometer 2023, www.bmfsfj.de/resource/blob/222674/25e0f2ef258b6cc4192d0836f1c38b9d/familienbarometer-data.pdf
[6] IfD Allenbach, Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Familienpolitik. Befragungen im Rahmen der demoskopischen Begleitforschung des BMFSFJ, 2019.
[7] Bertelsmann Stiftung, Spannungsfeld Vereinbarkeit: Arbeitsaufteilung, Geschlechterrollen und Aushandlungen im Paarkontext, Januar 2025
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2025/januar/maenner-ueberschaetzen-ihren-beitrag-zur-hausarbeit-ungleiche-verteilung-hemmt-erwerbsarbeit-von-frauen
[8] BMFSJ, Väterreport 2023, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport-2023-230376,
[9] BMFSJ, Väterreport 2023, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport-2023-230376,
[10] BMFSJ, Väterreport 2023, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport-2023-230376,
[11] BMFSJ, Väterreport 2023, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport-2023-230376,
[12] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/vaeterbeteiligung-beim-elterngeld-erreicht-neuen-hoechstwert-241986
[13] IfD Allensbach, Weichenstellungen für die Aufgabenteilung von Elternpaaren in Familie und Beruf. Repräsentative Elternbefragung. IfD-Umfrage 9213, 2022.
[14] https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/eltern-teilzeitarbeit.html
[15]https://www.diw.de/de/diw_01.c.893160.de/informelle_pflege_wird_ueberwiegend_von_frauen_geleistet__au___ellen_pflege_in_deutschland_kann_gender_care_gap_verringern.html
[16] WIdOmonitor 1/2024: Häusliche Pflege im Fokus: Eigenleistungen, Belastungen und finanzielle Aufwände, Mai 2024; https://www.wido.de/news-presse/pressemitteilungen/2024/widomonitor-pflegende-angehoerige-wenden-im-schnitt-9-stunden-pro-woche-fuer-haeusliche-pflege-auf-mit-folgen-fuer-die-erwerbsarbeit/
[17] Prognos, Diskriminierung von Erwerbstätigen mit Fürsorgepflichten, 2022; https://www.prognos.com/de/projekt/diskriminierung-von-erwerbstaetigen-mit-fuersorgepflichten

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