Freitag, 26. November 2021

Wenn Steuerthemen sexy werden: Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen für mehr Vereinbarkeit

Mehr drin für die Vereinbarkeit mit Entgeltbestandteilen und geldwerten Leistungen (©pixabay.com)

Gestern (25.11.2021) fand unser remote café „Lust auf Entgeltleistungen und trockene Steuerthemen? Vereinbarkeit gestalten mit Serviceleistungen.“ statt. Das haben Sie verpasst? Nicht tragisch. Einiges Wissenswertes entlocken wir den Referent*innen nämlich auch hier im Interview.

Klassische Gehaltserhöhungen sind nicht das einzige Mittel, um gute Leistungen von Beschäftigten zu honorieren. Eine Alternative sind Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen. Und die erfreuen sich bei Mitarbeitenden großer Beliebtheit, weil sie ein Plus zum Gehalt darstellen, das häufig steuerbegünstigt oder sogar völlig steuerbefreit ist. Das ist auch für Arbeitgeber attraktiv. Schließlich können sie über Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen ihren Mitarbeitenden Zuwendungen zukommen lassen, ohne dabei große Steuerbeträge und Sozialabgaben zahlen zu müssen.

Doch diese Zusatzleistungen sind so viel mehr als ein indirekter finanzieller Zufluss für Beschäftigte. Was sie bedeuten, welche Form sie haben können, wann sie zur Anwendung kommen und worauf Arbeitgeber bei der Gewährung achten sollten – darüber reden wir im Interview mit Robert Thaller (RT) von der WNP DR. WASMER THALLER & PARTNER Steuerberatungsgesellschaft und Andrea Wagner (AW), einer unserer Auditor*innen.

Andrea begleitet WNP DR. WASMER THALLER & PARTNER seit 2018 im Rahmen des audit berufundfamilie bei der Gestaltung einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik. Entwickelt werden im audit Vereinbarkeitsangebote entlang acht wichtiger Handlungsfelder, darunter das Handlungsfeld „Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen“.


Andrea, hat dieses Handlungsfeld bei Arbeitgebern einen hohen Stellenwert?

Andrea Wagner, Auditor*n der
berufundfamilie Service GmbH
AW:
Die Frage kann ich nicht eindeutig mit JA oder NEIN beantworten. Es ist eher das berühmte „Kommt drauf an.“ So sehen beispielsweise Arbeitgeber, die an Tarife des öffentlichen Dienstes gebunden sind, oftmals kaum oder gar keinen Spielraum in diesem Handlungsfeld und wählen es auch im Strategieworkshop von vornherein ab. Anderen Arbeitgebern dagegen ist dieses Handlungsfeld sehr wichtig, da sie hier Möglichkeiten sehen, durch Zuschläge oder Unterstützungsleistungen attraktiv – insbesondere für jüngere Mitarbeitende in der Familienphase – zu sein oder auch zukünftig zu werden.


Bieten sich Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen für bestimmte Arbeitgeber besonders an, da ihre Angebotsbreite an familien- und lebensphasenbewussten Maßnahmen in anderen Handlungsfeldern – z.B. hinsichtlich Arbeitszeit- oder Arbeitsortflexibilisierung – limitiert ist?

AW: Auf alle Fälle! Insbesondere Unternehmen, welche in ihren Rahmenbedingungen unflexibler sind als andere, schauen in diesem Handlungsfeld, ob sie die Beschäftigten mit finanziellen Vergünstigungen an sich binden können. Hier sind z.B. Betriebe mit Schichtarbeit zu nennen, bei denen ortsflexibles Arbeiten und/ oder das Mitbringen von Kindern nicht möglich ist.


Welche Angebote werden besonders häufig gemacht?

AW: Das aus meiner Erfahrung häufigste Instrument ist die Zahlung des sogenannten Kita-Zuschusses, d.h. der Übernahme der Betreuungskosten für Kinder im nicht-schulpflichtigen Alter. Fast alle Arbeitgeber kennen diese Möglichkeit. Sie ist sowohl für die

Arbeitgeber als auch für die Beschäftigten sehr attraktiv, da dieser Zuschuss für beide Seiten steuer- und sozialversicherungsfrei ist. Sehr viele Unternehmen nutzen diese Option zur finanziellen Unterstützung der Eltern.


Was bietet sich für Beschäftigte mit Kindern im betreuungspflichtigen Alter an? Was für Mitarbeitende, die private Pflegeaufgaben wahrnehmen?

AW: Zusätzlich zum gerade genannten Kinderbetreuungskostenzuschuss werden oftmals Kosten für Ferienbetreuung von Kindern der Beschäftigten übernommen. Viele Unternehmen haben sich auch Belegplätze in Kinderbetreuungseinrichtungen gesichert und finanzieren diese, wobei diese Unterstützung keinen direkten Zuschuss zum Lohn oder Gehalt darstellt und im audit berufundfamilie daher in das Handlungsfeld „Service für Familien“ fällt.

Die direkte finanzielle Unterstützung pflegender Angehöriger ist kaum verbreitet, da es hier – anders als beim Kinderbetreuungskostenzuschuss – keine Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit gibt. Zudem sind die Bedarfe sehr unterschiedlich und lassen sich nicht nur an den Kosten für die Pflegeeinrichtung oder den Pflegedienst festmachen. Da das Thema Pflege sehr komplex ist, bieten viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten Beratung und Unterstützung durch professionelle Dienstleister an. Diese beraten die Arbeitnehmenden beim Eintritt des Pflegefalls und begleiten sie auch bei Fragen im Pflege-Alltag. Die Kosten dieser Beratungsdienste werden von den Arbeitgebern getragen – d.h. für die Beschäftigten sind sie kostenfrei und auch anonym.


Herr Thaller, als geschäftsführender Partner der in Dresden angesiedelten
Steuerberatungsgesellschaft WNP wissen Sie, dass es für Arbeitgeber bei der Gewährung von Entgeltbestandteilen und geldwerten Leistungen einiges zu beachten gibt. Fangen wir zunächst mit der Frage an, was der Unterschied zwischen beiden ist.


Robert Thaller, Geschäftsführender Partner
WNP DR. WASMER THALLER & PARTNER
Steuerberatungsgesellschaft
RT:
Entgeltbestandteile sind sämtliche Teilbeträge des Gesamtentgelts, das der*dem Arbeitnehmenden zusteht. Hauptbestandteil des Entgelts sind Geldzuwendungen, daneben gibt es die Sachzuwendungen, Zulagen und Zuschläge.

Bei den geldwerten Leistungen (auch bekannt als geldwerte Vorteile) handelt es sich immer um unentgeltliche oder verbilligte Sachzuwendungen an Arbeitnehmende. Sie sind ein Bestandteil des Gesamtentgelts.


Was sollten Arbeitgeber grundsätzlich beachten? Oder anders gefragt: Was sind die größten Fallstricke bei der Gewährung von Entgeltbestandteilen und geldwerte Leistungen?

RT: Das Charmante bei der Nettolohnoptimierung ist die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit bei bestimmten Zuwendungen an Arbeitnehmende. Das bedeutet, dass bei der*dem Arbeitnehmenden für diese Leistungen keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge anfallen und der Arbeitgeber keine Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung aufbringen muss. Das funktioniert bei einer Vielzahl dieser Zuwendungen aber nur, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden. Wird lediglich das Gehalt zugunsten derartiger Zuwendungen herabgesetzt oder werden diese Leistungen anstelle einer bereits vereinbarten Erhöhung des Arbeitslohns gewährt – wir nennen das dann Gehaltsumwandlung –, entfallen diese Vergünstigungen.


Andrea, wann und warum muss der Betriebsrat bzw. Personalrat eingebunden werden? Wie gut läuft das in der Praxis?

AW: Der Betriebsrat bzw. Personalrat wird immer dann eingebunden, wenn die Unterstützungsleistung verbindlich in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung festgeschrieben ist bzw. verankert werden soll. Das ist bei tarifgebundenen Unternehmen immer der Fall. Bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern ist der Betriebsrat selbstverständlich interessiert, dass aus einer bisher vielleicht freiwilligen Leistung des Arbeitgebers eine verbindlich geregelte Leistung wird.


Welche Angebotsmöglichkeiten haben Arbeitgeber im öffentlichen Dienst?

AW: Arbeitgeber im öffentlichen Dienst haben nur die Möglichkeiten, welche die jeweiligen Tarifverträge zulassen. In den letzten Jahren wurde z.B. in den Tarifverträgen der Länder die Möglichkeiten des Jobtickets festgeschrieben – dies kann nun auch von den Angestellten, die auf Basis des TV-L beschäftigt sind, in Anspruch genommen werden.


Herr Thaller, wo sind generell die Grenzen dessen, was Arbeitgeber anbieten können?

RT: Die Arbeitgeber können den Arbeitnehmenden grundsätzlich so viel Entgelt anbieten, wie es der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte erfordert.

Grenzen können Tarifverträge oder der Betriebsrat setzen. Auch der Gesetzgeber setzt Grenzen, indem er die Lohnsteuer- und Sozialversicherungsfreiheit und somit die Attraktivität für bestimmte Leistungen an Arbeitnehmende durch Höchstbeträge (Freibeträge oder Freigrenzen) einschränkt.


Können Sie uns einen kurzen Überblick über die gängigsten Leistungen geben, die zum einen steuerbefreit und zum anderen als Betriebsausgaben absetzbar sind?

RT: Wir unterscheiden bei den Leistungen an Arbeitnehmende zwischen steuer- und sozialversicherungsfreien Leistungen und zwischen pauschal versteuerten, aber sozialversicherungsfreien Zuwendungen. Alle diese Leistungen sind als Betriebsausgaben abziehbar. Bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (i.d.R. keine Gehaltsumwandlung und maximal in Höhe der Freibeträge) kommen die Leistungen beim Arbeitnehmenden steuer- und sozialversicherungsfrei an. Bei den pauschal zu versteuernden Zuwendungen führt der Arbeitgeber 25 % pauschale Lohnsteuer ab. Die gängigsten Leistungen sind Sachzuwendungen, Jobticket, Kindergartenzuschüsse, betriebliche Altersvorsorge, Gesundheitsförderung und Erholungsbeihilfen.


Sind Jobfahrrad und Jobticket mit der neu aufgeflammten Klimadebatte beliebter geworden? Welche Tipps können Sie Arbeitgebern speziell zu diesen Angeboten geben?

RT: Gerade bei Neueinstellungen ist die Frage nach einem Jobticket mittlerweile Standard geworden. Wohnortnahes Arbeiten ist aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels bei vielen Arbeitnehmenden ein Kriterium bei der Jobsuche. Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel eine logische Konsequenz hieraus. Überwiegend unsere jungen Mitarbeitenden verzichten zugunsten von Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln auf das eigene Fahrzeug. Seit 2019 gibt es wieder die Möglichkeit des steuerfreien Jobtickets. Die Steuerfreiheit greift aber nur, wenn das Jobticket zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Gleiches gilt für das Jobfahrrad.

Beim Jobfahrrad kann es sich um ein E-Bike oder um ein ganz normales Fahrrad handeln. Bei den E-Bikes gibt es die Unterscheidung, schneller als 25 km/h oder bis 25 km/h. E-Bikes bis 25 km/h werden wie normale Fahrräder behandelt. E-Bikes schneller als 25 km/h als Kraftfahrzeuge. Für Letztere gibt es keine Steuerfreiheit. Sie sind als geldwerter Vorteil vom Arbeitnehmenden zu versteuern. Es gilt allerdings eine reduzierte Bemessungsgrundlage für die Versteuerung. Wer seinen Mitarbeitenden ein Jobfahrrad anbieten möchte, sollte sich für die Abwicklung an einen der diversen Anbietern (Leasinggesellschaftern für Jobfahrräder) wenden.


Welche Entgeltbestandteile und geldwerten Leistungen hält denn nun die WNP DR. WASMER THALLER & PARTNER Steuerberatungsgesellschaft, die seit seit 2018 das Zertifikat zum audit berufundfamilie trägt, für ihre Mitarbeitenden bereit?

RT: Wir bieten unseren Mitarbeitenden eine Vielzahl von Leistungen an. Die beliebtesten Leistungen sind neben dem Jobticket und den Sachzuwendungen (bis 44,00 €/Monat) mittels Gutscheinkarte, die Kindergartenzuschüsse, die Erholungsbeihilfen und der Gesundheitssport in unseren Kanzleiräumen. Bis auf die Erholungsbeihilfen sind diese Leistungen steuer- und sozialversicherungsfrei. Bei der Erholungsbeihilfe (möglich sind jährlich bis 156,00 € für die*den Arbeitnehmenden, 104,00 € für ihren*seinen Ehepartner*in und 52,00 € für jedes Kind) sind 25 % pauschale Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen. Sozialversicherungsbeiträge entfallen hierauf nicht. Aktuell bieten wir unseren Mitarbeitenden das Jobfahrrad an. Für das kommende Jahr stellen wir Lademöglichkeiten für E-Autos zur Verfügung.



Interesse, unser kostenloses remote café zu besuchen? Veranstaltungsinfos gibt es hier.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen