Dienstag, 30. November 2021

Vereinbarkeit in Zahlen: Zwischen Wunsch und Realität

Stichwörter zur Arbeitswelt (©berufundfamilie Service GmbH)


Das Pflegerisiko ist für Menschen mit weniger Einkommen höher, 20% der Beschäftigten hatten bereits Depressionen und die Mehrheit der deutschen Betriebe legte schon vor Corona Wert auf Vereinbarkeitsangebote. Mehr zu Studien aus der Arbeitswelt hier in der neuen Ausgabe „Vereinbarkeit in Zahlen.“


Erhöhtes Pflegerisiko für Menschen mit geringem Einkommen

Eine Auswertung des sozioökonomischen Panels (SOEP) durch das DIW zeigt: Menschen mit geringerem Einkommen und einer höheren Arbeitsbelastung sind häufiger und früher auf Pflege angewiesen. Zum Jahresende 2020, wurden ca. 3,5 Millionen Personen ambulant gepflegt. Laut Studie sind Männer*, die vor dem Renteneintrittsalter weniger als 60% des mittleren Einkommens verdienten, ca. 6 Jahre früher pflegebedürftig als Männer*, die über mehr als 150% des mittleren Einkommens verdienten. Bei Frauen* liegt dieser Unterscheid bei 3 ½ Jahren. 

Nicht nur das Einkommen führt zu einer früheren Pflegebedürftigkeit, auch die berufliche Stellung hat hier Auswirkungen. So werden Arbeiter*innen im Durchschnitt 4 Jahre früher pflegebedürftig als Beamt*innen. Zudem spielt auch die berufliche Belastung eine Rolle: Im Vergleich zu Männern* und Frauen* mit hoher Arbeitsbelastung haben Männer* und Frauen* mit niedrigen beruflichen Belastungen durchschnittlich 4,7 beziehungsweise 2,7 mehr Lebensjahre, in denen sie nicht auf Pflege angewiesen sind. Die Auswertung macht deutlich: Geringeres Einkommen und höhere Arbeitsbelastung gehen mit einem erhöhten Pflegerisiko einher.

Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Pflegebedürftigkeit und soziale Stellung, November 2021  



20% der Beschäftigten in Deutschland hatte die Diagnose Depression 

Das 5. Deutschland- Barometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe offenbart: Jeder fünfte Beschäftigte (20%) in Deutschland litt schonmal an einer Depression. Das Barometer besteht aus einer repräsentativen Umfrage, die jährlich Einstellungen und Erfahrungen zu Depressionen in der Bevölkerung abfragt. An der Umfrage nahmen 5.283 Personen zwischen 18 und 69 Jahren teil. Weitere 19% der Befragten vermuteten, dass sie bereits an einer Depression erkrankt gewesen seien. 15% der Arbeitnehmenden haben bereits einen Suizid oder Suizidversuch von Kolleg*innen mitbekommen. 

Obwohl, es wichtig wäre, die Depression im beruflichen Kontext zu thematisieren, tut dies die Mehrheit der Befragten nicht. Lediglich ein Drittel geht offen im beruflichen Umfeld mit der Erkrankung um. 70% haben daraufhin positive Erfahrungen gemacht. (26%) hatten dagegen den Eindruck, dass durch den offenen Umgang die Erkrankung und nicht die Leistung im Fokus stand.
22% der Arbeitnehmenden mit Depressionen sagen, dass ihr Arbeitgeber betriebliche Anlaufstellen wie z.B. eine betriebliche Sozialberatung bereitstellt. 30% der erkrankten Befragten nahm diese Hilfe in Anspruch und 74% davon machten positive Erfahrungen.

Ein Irrtum wird bei der Befragung zudem besonders deutlich: Die Ursache von Depressionen wird von den Umfrageteilnehmenden mehrheitlich im Arbeitskontext gesehen. So sehen 95% Belastungen am Arbeitsplatz, 93% Konflikte im Job/mit Kolleg*innen und 83% die dauerhafte Erreichbarkeit (83%) als wichtige Ursachen für Depression. Biologische Ursachen von Depressionen sind bei den Befragten nicht so präsent. So ist lediglich 64% bewusst, dass Depressionen erblich sein können, nur 57% wissen zudem, dass sich während der Depression Hirnprozesse verändern. Viele Betroffene verkennen die damit einhergehende Überforderung als Ursache und nicht als Folge einer Depression. Daher denken auch 68% der Umfrageteilnehmenden, dass Urlaub bei Depressionen helfen kann. 63% sind dem Irrtum aufgesessen, dass Schlaf und Ausruhen hilft. Dabei ist zu viel Schlaf kontraproduktiv und verschlechtert beim Großteil die Depression. 

Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Deutschland- Barometer Depression, November 2021


Jeder zweite Beschäftigte geht mit Erkrankung arbeiten

Eine Studie der Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) zeigt: Jeder zweite Beschäftigte geht manchmal oder häufig krank zur Arbeit. Lediglich 22% der Befragten gab an, bei Erkrankung nicht arbeiten zu gehen. Es zeigen sich hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Frauen* gehen eher krank zur Arbeit als Männer*. So gaben 56% der befragten Frauen* an, dass sie manchmal, häufig oder sehr häufig krank arbeiten. Bei den Männern* lag dieser Anteil bei 47%. Es zeigt sich hier ein Zusammenhang zwischen der Arbeitslast und dem Erscheinen trotz Krankheit. Befragte, die viele Überstunden leisten und unter Zeitdruck arbeiten, gehen öfter krank zur Arbeit.

Als starke oder sehr starke Belastungsfaktoren bei der Arbeit nannten die befragten Beschäftigten lange Bildschirmzeiten (56%) und die Arbeitshaltung (48%). Weitere 19% nannten die Raumtemperatur und für 17% stellte Lärm eine Belastung dar. Für die Studie wurden zwischen 2018 und 2021 rund 11.000 Beschäftigte aus 43 Organisationen befragt.  

Technischer Krankenkasse & IFBG, How's work? Was Beschäf­tigte in Deutsch­land bewegt und belastet, November 2021 



Jeder dritte Befragte wünscht sich mehr Vereinbarkeitsangebote des Arbeitgebers

Eine Studie des Forsa Instituts im Auftrag des Väternetzwerks conpadres liefert Einblicke in zukünftige Familienmodelle. Es zeigt sich: Insbesondere in den ersten Lebensjahren eines Kindes wollen sowohl Frauen* als auch Männer* mehrheitlich weniger arbeiten, um mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu haben. Es wurden für die Umfrage berufstätige Kinderlose im Alter von 29 bis 40 Jahren befragt, die vorhaben, eine Familie zu gründen.

So gaben 94% der Männer* an, dass sie zukünftig eine Elternzeit nehmen wollen, die Hälfte davon länger als die üblichen 2 Monate, die Vätern* bisher zustehen. Ca. die Hälfte der Befragten möchten eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit. Hierbei spielt die Dauer der Berufstätigkeit eine Rolle: So wollen nur 45% Männer* und Frauen*, die bereits seit 10 Jahren arbeiten, eine gleichmäßige Aufteilung der Elternzeit. Bei jenen, die weniger als 5 Jahre im Beruf sind, liegt dieser Anteil bei 60%.

Hinsichtlich der Arbeitszeit gibt es weiterhin Geschlechterunterschiede. So sind längere Arbeitszeiten für die potenziellen Väter* wünschenswerter als für Frauen*. Knapp die Hälfte der Befragten findet, dass Väter *  mehr als 32 Wochenstunden arbeiten sollten. Etwa gleich so viele sprechen sich für 15 bis 32 Stunden in der Woche aus. Für die Arbeitszeitmodelle der Zukunft zeigt sich: 38% der zukünftigen Eltern wünschen sich für beide Elternteile Teilzeitstellen. 11% der Befragten sprechen sich für Vollzeitstellen für beide aus.

Jeder dritte Befragte findet zudem, dass der eigene Arbeitgeber mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bieten müsste. Hierbei wünschen sich die Befragten insbesondere die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie Teilzeit- und Gleitzeitmöglichkeiten. Familienfreundlichkeit ist in dieser Altersgruppe zudem ein bedeutendes Jobkriterium: 2/3 der Befragten würden ihren Arbeitgebern wechseln, wenn hier kaum Möglichkeiten vorhanden wären.  

Forsa Institut & Väternetzwerk conpadres, Zukunft Vereinbarkeit, November 2021    

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/studie-zu-vereinbarkeit-vaeter-wuenschen-sich-mehr-familienzeit-17641691.html


Je größer der Betrieb, desto mehr Vereinbarkeitsangebote

Insbesondere größere Organisationen bieten ihren Beschäftigten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie an. Dies ergab die 18. Welle der IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid 19 Krise“, die im Oktober 2021 stattfand. Die Organisationen gaben in der Studie unter anderem Auskunft darüber, welche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sie aktuell ihren Beschäftigten bieten und welche in der Corona-Krise neu dazugekommen sind.

Die große Mehrheit der Betriebe (62%) bieten besondere Arbeitszeitgestaltungen wie etwa flexible Arbeitszeiten, Home-Office oder eine Erweiterung der Arbeitszeitrahmen. 23% der Organisationen bieten zusätzliche freie Tage an und 22% unterstützen ihre Beschäftigten finanziell oder organisatorisch bei der Kinderbetreuung. Immerhin 14% bieten pflegenden Beschäftigten ebenfalls organisatorische und finanzielle Unterstützungsleistungen. Diese Maßnahmen hatte die Mehrheit der Betriebe bereits vor Corona, lediglich die explizite Unterstützung beim Home-Schooling (15% der Betriebe) ist dazugekommen. 

Nur 16% der befragten Betriebe haben erst in der Krise besagte Maßnahmen eingeführt. Je größer der Betrieb, desto mehr Vereinbarkeitsangebote sind vorhanden. So bieten knapp 40% der Großbetriebe mit 250 oder mehr Beschäftigten zusätzliche freie Tage und 93% besondere Möglichkeiten zur Arbeitszeitgestaltung. Bei den Kleinstbetrieben mit bis zu 9 Beschäftigten lag der Anteil derjenigen, die zusätzliche freie Tage anbieten bei 20%, immerhin 58% von ihnen boten besondere Möglichkeiten zur Arbeitszeitgestaltung. Hierbei weisen die Autor*innen der Studie jedoch daraufhin, dass in kleineren Betrieben oftmals auch der Bedarf an Vereinbarkeitsmaßnahmen geringer oder gar nicht vorhanden sein kann. Überdurchschnittlich häufig boten Organisationen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens ihren profitierten Beschäftigte Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie an.

IAB- Betriebsbefragung Betriebe in der Covid 19 Krise, November 2021  



Generation Z ist karrierebewusst

Um zu erfahren, wie die Generation Z (Geburtenjahrgänge 1997 bis 2010) auf ihr zukünftiges Berufsleben blickt, befragten Jobvalley und das Department of Labour Economics der Universität in Maastricht deutschlandweit 12.000 Studierende zu ihren Karriereerwartungen. Die Befragten waren im Schnitt 24,7 Jahre alt. 69,8 % und 68,3% der Studierenden schätzen ihre Jobchancen nach dem Studium als gut ein. Auch auf lange Sicht bewerten 77% der Befragten ihre Jobchancen als gut. Durch den aufkommenden Fachkräftemangel könnten Angehörige der Generation Z schnell Karriere machen. Ca. 68% der männlichen Studierenden streben daher eine Führungsposition an, bei den weiblichen Studierenden lag der Anteil bei 55%. Es zeigt sich: Männliche Studierende haben deutliche höhere Gehaltsvorstellungen. 

Eine Mehrheit der Befragten befürchtet zudem Nachteile aufgrund des Geschlechts, der Ethnie oder der sexuellen Orientierung. So glauben 70,5% der Befragten, dass Frauen* beruflich benachteiligt werden könnten, Nachteile aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit befürchten 69,5%. Immerhin 36% befürchten eher Nachteile aufgrund der sexuellen Orientierung im späteren Berufsleben.

52,5% der männlichen Studierenden sind bereit für ihre*n Partner*in auf Karriereschritte zu verzichten, bei den weiblichen Studierenden lag dieser Anteil nur bei 36,9%. Mehr als 3/4 der Befragten hätten allerdings kein Problem damit, wenn der* die Partner*in im Beruf erfolgreicher wäre als man selbst.

Jobvalley und das Department of Labour Economics der Maastricht University, Fachkraftstudie - Erwartungen an den Arbeitsalltag der nächsten Generation, Oktober 2021
https://www.haufe.de/personal/hr-management/generation-z-karrierebewusstsein-und-befuerchtungen_80_554916.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen